Dimensionen der Meinungsfreiheit (2): Meinung muss keinen Wert haben


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Der esoterische Pop-Fan F äußert in einer öffentlichen Rede: "Michael Jackson war ein Reptiloid und hatte eine besonders energiereiche Aura!" Polizistin P findet solche Äußerungen unvernünftig, absurd und wertlos. P zweifelt, dass Fs Äußerungen als Meinungen geschützt sind.

Einordnung des Falls

Dimensionen der Meinungsfreiheit (2): Meinung muss keinen Wert haben

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) ist eröffnet, wenn die Kundgabe einer Meinung vorliegt.

Ja!

Der sachliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) setzt eine Meinungsäußerung voraus. Ohne freien Meinungsdialog ist unsere Demokratie schlechthin undenkbar. Wegen dieser immensen Bedeutung der Meinungsfreiheit ist der Begriff der Meinung weit zu verstehen.

2. Eine Meinung liegt nur dann vor, wenn die Äußerung vernünftig ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ob der getätigten Äußerung ein gewisser Wert zukommt oder sie nach rationalen Maßstäben nachvollzogen werden kann, spielt für den Meinungsbegriff keine Rolle. Grund: Es ist gerade die persönliche Auffassung des sich Äußernden, die vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst ist. Für den von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Meinungsbildungsprozess können selbst wertlose oder unvernünftige Aussagen relevant sein. Der Sinn und Zweck der Meinungsfreiheit gebietet daher eine weite Auslegung des Meinungsbegriffs im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, wodurch auch wertlose oder unvernünftige Aussagen erfasst sind.

3. Der sachliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) ist eröffnet.

Ja, in der Tat!

Eine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG umfasst das Werturteil. Unter einem Werturteil versteht man jede Äußerung, die durch ein subjektives Element der Stellungnahme oder des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, ohne dass es auf die Qualität oder Richtigkeit der Äußerung ankommt. Vorliegend lässt die Aussage des F ein wertendes Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens bezüglich der Person Michael Jackson und dessen Wirken erkennen. Sie ist damit ein Werturteil. Zwar mag die Aussage qualitativ unvernünftig sein, jedoch spielt dies wegen des Telos der Meinungsfreiheit keine Rolle.

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Trowa Barton

Trowa Barton

26.6.2021, 17:49:29

Die Behauptung "Xy war ein Reptiloid ist doch eine nachweisbar falsche. Weshalb ist diese gedeckt, während die Aussage "xy hat nicht stattgefunden" davon nicht gedeckt ist? Wenn ich mich noch recht entsinne grenzt man doch Meinungen von Tatsachenbehauptung durch die Auslieferung zum Beweis ab.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

26.6.2021, 20:24:50

Gibt es denn Reptiloiden? (Nein natürlich nicht). Daher wäre es immer eine falsche Tatsachenbehauptung etwas oder jemanden als Reptiloid zu bezeichnen. Wenn jemand als Reptiloid bezeichnet wird, wird daher meist anzunehmen sein, dass das niemand ernsthaft glaubt. In solchen Fällen liegt es näher, dass die äußernde Person durch die Bezeichnung eines anderen als ein Fabelwesen eine Meinungsäußerung tätigt.

Trowa Barton

Trowa Barton

26.6.2021, 20:58:17

Mit der Selben Foem der Argumentation kann man den Holcaust leugnen. Du stellst auf Wissen ab, dass die meisten als gegeben ansehen. Beides ist dem Beweis ausgesetzt.

Isabell

Isabell

30.6.2021, 12:53:07

Ich bin da bei Trowa Barton. Die Behauptung bis zur vermeintlichen energetischen Aura - oder so ähnlich - ist eine falsche Tatsachenbehauptung, da sie absolut unproblematisch einem Beweis zugänglich ist. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass das BVerfG bei derart eindeutig zu beweisenden Aussagen noch zusätzlich das Kriterium "Wissensverbreitung" heranzieht. In Angebracht dessen, mit welchem erschreckenden Tempo diese Szene wächst, hätte ich mit der Annahme der Meinung bei evident als falsch beweisbaren Behauptungen arge Bauchschmerzen.

Simon

Simon

13.9.2021, 00:11:56

Ich tendiere hier auch dazu, bzgl. der Aussage, Michael Jackson sei ein Reptiloid, eine Tatsachenbehauptung anzunehmen. Ob dem so war, ist objektiv dem Beweis zugänglich. Zu sagen, da es diese Wesen nicht gebe, sei immer anzunehmen, dass eine Meinungsäußerung vorliege, stellt für mich eine falsche Schlussfolgerung dar. Sonst wäre ja jede falsche Tatsachenbehauptung im Zweifelsfall eine Meinung. Wenn ich behaupte, die Erde sei flach, so ist dies objektiv schlichtweg falsch und nicht per se eine Meinungsäußerung. Je nach Kontext kann mE aber eine solche vorliegen. So würde ich es auch hier sehen.

Simon

Simon

13.9.2021, 00:12:33

Mit der Aussage im Fall wird nicht nur eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern auch ein Werturteil getroffen. F möchte nämlich seine Bewunderung für Michael Jackson ausdrücken und darlegen, dass dieser für ihn eine besonders magische und fesselnde Ausstrahlung hatte. Dies kann aber nicht wahr oder falsch, sondern je nach Betrachter nur mehr oder weniger gut begründet sein. F benutzt die Tatsachenbehauptung hier vielmehr, um sein Werturteil zu untermauern. Seine Aussage ist daher mMn insgesamt von Art. 5 I 1 erfasst.

QUIG

QuiGonTim

1.2.2022, 11:02:31

Nur weil man hier den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit bejaht, heißt es ja noch lange nicht, dass ein möglicher Eingriff in dieses Grundrecht des F nicht zu rechtfertigen sei. Gerade Argumente wie die Gefährlichkeit solcher Aussagen oder das starke Wachstum der Szene ihrer Befürworter gehören m.E. in die Verhältnismäßigkeitsprüfung und nicht in den Schutzbereich.

MaxRaspody

MaxRaspody

31.7.2023, 00:37:13

@Simon Na gut, annähernd flach. Natürlich gibt es Berge und huegel.

robse27

robse27

18.7.2023, 09:48:09

Der „King of Croc“ also ;)


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