Rechtswidrigkeit des VA ohne Nebenbestimmung

12. April 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A beantragt eine Sondergenehmigung für ein weiteres Straßenfest bei der zuständigen Behörde (B). B genehmigt den Antrag unter der Maßgabe, dass das Straßenfest nur am 10.05. zwischen 9 und 19 Uhr stattfinden darf.

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Einordnung des Falls

Rechtswidrigkeit des VA ohne Nebenbestimmung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Verwaltungsakte können mit Nebenbestimmungen erlassen werden. Nebenbestimmungen müssen von Inhaltsbestimmungen des Hauptverwaltungsakts abgegrenzt werden.

Ja, in der Tat!

Verwaltungsakte können mit Nebenbestimmungen erlassen werden (§ 36 VwVfG). Die Abgrenzung zu Inhaltsbestimmungen des Verwaltungsakts erfolgt durch Auslegung aus Sicht der Empfängerhorizonts. Eine Nebenbestimmung liegt vor, wenn die Behörde den Kern des ursprünglichen Begehrens unberührt lässt und nur eine zusätzliche Regelung trifft. Eine Inhaltsbestimmung liegt vor, wenn die Behörde durch den Zusatz die Reichweite des beantragten Verwaltungsakts neu definiert. Wenn die Hauptregelung ohne den Zusatz sinnvoll bestehen bleiben kann, handelt es sich um eine Nebenbestimmung.
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2. Bei der zeitlichen Begrenzung des Fests handelt es sich um eine Nebenbestimmung in Form einer Befristung.

Ja!

Nebenbestimmungen müssen von Inhaltsbestimmungen abgegrenzt werden. Entscheidend ist, dass der Hauptverwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoll bestehen kann. Bei der Abgrenzung kann zusätzlich die Einordnung der Nebenbestimmung im Rahmen von § 36 Abs. 2 VwVfG helfen. Eine Befristung ist eine Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt. Die Genehmigung des Straßenfests kann aus A's Sicht ohne die zeitliche Begrenzung sinnvoll bestehen bleiben. Die Behörde legt lediglich den Zeitraum der Wirksamkeit der Genehmigung fest (Befristung).

3. Ein beantragter, rechtswidriger Verwaltungsakt kann durch die Behörde so ergänzt werden, dass er im Ergebnis rechtmäßig ist. Der von A beantragte Verwaltungsakt wäre ohne die Nebenbestimmung rechtswidrig (z.B. § 18 Abs. 2 S. 1 NStrG).

Genau, so ist das!

Verwaltungsakte dürfen nur erlassen werden, wenn sie rechtmäßig sind. Deshalb müsste der Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes abgelehnt werden, wenn der beantragte Verwaltungsakt rechtswidrig wäre. Durch die Verwendung von Nebenbestimmungen sagt die Behörde "Ja, aber..." statt "Nein". Nach den einschlägigen landesrechtlichen Normen (z.B. § 18 Abs. 2 S. 1 NStrG, § 16 Abs. 2 S. 1 HStrG) darf die Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder Widerruf erteilt werden. Eine uneingeschränkte Erlaubnis der A wäre rechtswidrig. Dadurch, dass die Behörde die Befristung erlassen hat, ist sie jedoch rechtmäßig. Zum Verständnis der "Sondernutzung": landesrechtliches Straßengesetz lesen (z.B. § 16 HStrG; § 19 HWG; Art. 18ff. BayStrWG; § 18 SächsStrG; § 21 StrWG)!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Leo

Leo

3.9.2021, 17:16:28

Letzte Frage ein wenig irreführend, wenn man nicht weiß welches Landesgesetz gemeint ist 😁

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

7.12.2021, 19:19:14

Hallo Leo, nach den Straßengesetzen aller Bundesländer ist die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder Widerruf zulässig; Ausnahmen gelten allenfalls für nicht ausbildungsrelevante Sonderfälle. Deshalb denken wir nicht, dass die Frage irreführend ist. Wir haben im Hinweistext noch ein paar weitere landesrechtliche Normen ergänzt. Wir hoffen auf dein Verständnis, dass wir in diesem allgemeinen Kurs (noch) nicht auch immer das einschlägige Landesrecht deines Bundeslandes aufnehmen können. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

Leo

Leo

7.12.2021, 20:25:07

Alles gut ☺️ War keine Kritik. Wollte nur meine Erfahrung preisgeben! Verstehe ich total 👍🏼

Blackpanther

Blackpanther

28.1.2022, 10:14:26

In NRW ist es auch § 18 II 1 StrWG

SvzW

SvzW

19.7.2023, 17:09:06

In BW ist es § 16 I 2 StrG BW

FTE

Findet Nemo Tenetur

1.2.2025, 22:17:15

Ich habe eine Frage zu § 18 I NStrG und dem Beispiel der Befristung im Sachverhalt: § 18 II 2 spricht von Bedingungen und Auflagen, gerade nicht von einer Befristung. Gleichzeitig steht in § 18 II 1, dass die Erlaubnis nur auf Zeit oder Widerruf erteilt werden darf. Daraus hätte ich es jetzt geschlossen, dass der “Haupt”-VA bereits die Zeitbestimmung als

Inhaltsbestimmung

enthalten muss. Und selbst wenn man die Befristung in S. 2 mit reinliest, verstehe ich nicht, weswegen es dann als “kann”-Vorschrift ausgestaltet ist, weil man die Befristung – um S. 1 gerecht zu werden – ja unbedingt bräuchte, wenn sie nicht schon im HauptVA enthalten ist. …wenige Sekunden später: Ich habe grad nochmal nachgedacht und vielleicht meinen Denkfehler entdeckt, lasse die Frage aber drin zur Überprüfung bzw. falls jemand das gleiche Problem hatte und es hilft: Liegt hier ein Fall von § 36 I Alt. 1 VwVfG vor? § 18 I 1 NStrG ist eine gebundene Entscheidung. Damit sie rechtmäßig ist, braucht es noch die Befristung, weil der HauptVA noch keine Zeitbestimmung hatte. Und wenn man außerdem noch ne Bedingung/Auflage dazu machen, ist es ein Fall von § 36 I Alt. 2 VwVfG. Und deshalb muss in § 18 I 2 NStrG auch die Befristung nicht drinstehen, weil eine zeitliche Nebenbestimmung ohnehin immer von § 36 I Alt. 1 VwVfG erfasst wäre?

UT

unvorsätzlicher Totschläger

17.2.2025, 10:05:12

Hi, ich glaube du musst die Befristung in § 18 II 1 reinlesen... Der Unterschied besteht nach dem Wortlaut darin, dass die

Behörde

nach S.1 bei Erlass des VA an die Befristung gebunden ist ,,darf nur'' an die Bedingung bzw Auflage jedoch nicht ,,kann''. D.h. der Wortlaut schreibt eine Befristung sogar explizit vor, auch wenn das Wort Befristung nicht ausdrücklich fällt :)


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