Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
Unfallschadensregulierung: Umfang der fiktiven Schadensabrechnung
Unfallschadensregulierung: Umfang der fiktiven Schadensabrechnung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S hat die Vespa der G beschädigt und haftet ihr in voller Höhe. Eine Reparatur kostet laut Erstgutachten €700 netto, laut Zweitgutachten €1.000 netto. G kauft ein Ersatzfahrzeug für €5.000 zuzüglich €950 Umsatzsteuer. S zahlt nichts. G klagt auf Schadensersatz.
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Einordnung des Falls
Unfallschadensregulierung: Umfang der fiktiven Schadensabrechnung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Art und Umfang des Schadensersatzes, den G von S verlangen kann, richten sich nach den §§ 249ff. BGB.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. G kann von S Naturalrestitution verlangen (§ 249 Abs. 1 BGB). Diese kann S durch Reparatur der Vespa oder durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs bewirken.
Genau, so ist das!
3. Statt der Reparatur/Ersatzbeschaffung kann G von S Zahlung des dazu erforderlichen Geldbetrags verlangen.
Ja, in der Tat!
4. Als zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag kann G die Ersatzbeschaffungskosten in Höhe von €5.950 verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB).
Nein!
5. Ein Anspruch auf Ersatz der veranschlagten Reparaturkosten scheidet aus, da G keine Reparatur durchgeführt hat (§ 249 Abs. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Aufgrund fiktiver Schadensabrechnung kann G von S die hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB). Diese betragen netto nicht €700, sondern €1.000.
Ja, in der Tat!
7. Bei fiktiver Schadensabrechnung sind grundsätzlich nur Nettobeträge ersatzfähig (§ 249 Abs. 2 BGB). Eine „fiktive Umsatzsteuer“ bleibt außer Betracht.
Ja!
8. Da beim Kauf der neuen Vespa tatsächlich €950 Umsatzsteuer angefallen sind, kann G diese bei fiktiver Schadensabrechnung begrenzt auf die Umsatzsteuer einer hypothetischen Reparatur (€190) ersetzt verlangen, insgesamt also €1.190.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Aufgrund konkreter Schadensabrechnung aber kann G von S Ersatz der Ersatzbeschaffungskosten verlangen (€5.950), begrenzt auf die hypothetischen Brutto-Reparaturkosten. Ihr Anspruch beträgt dann €1.190.
Ja, in der Tat!
10. G muss sich im Prozess für eine Abrechnungsmethode entscheiden. Wählt sie die fiktive Schadensabrechnung, wird ihr das Gericht nur €1.000 zusprechen (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Ja!
11. Das Gericht spricht G aufgrund fiktiver Schadensabrechnung €1.000 zu. Kann G den S später aufgrund konkreter Schadensabrechnung auf Zahlung weiterer €190 erneut verklagen?
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Roman
7.7.2023, 16:40:29
Trägt der Schuldner in dem Fall zwei mal die Gerichtskosten?
Anony Mous
5.11.2023, 06:56:07
Das würde mich auch interessieren.
Blackiel
6.10.2024, 12:54:06
Grundsätzlich ja, denn es handelt sich um zwei verschiedene Klagen. Gemäß § 91 ZPO trägt die unterliegende Partei grundsätzlich die Kosten. Allerdings müsste die Gegenseite vor Klageerhebung zur Zahlung aufgefordert werden. Es müsste also grundsätzlich ein außergerichtlicher Schlichtungsversuch gemäß § 253 ZPO vorausgegangen sein.
Jimmy105
30.11.2024, 12:24:38
Diaa
25.9.2023, 08:48:48
Doofe Frage, aber woher kommen die 190, sodass man auf 1.190 € kommt?
se.si.sc
25.9.2023, 09:16:20
§ 12 I UStG: Höhe der Umsatzsteuer ist 19 %. 19 % der Reparaturkosten iHv 1.000 € sind 190 €.
Diaa
26.9.2023, 22:22:51
gottloser Vernunftsjurist
6.3.2024, 20:38:04
Hallo liebe Leute, danke für diese Falldarstellung, die ich so sonst noch nicht finden konnte. Ich bitte nochmal um eine nähere Erläuterung dieser Deckelung, da ich die Berechnungsmethode noch nicht sicher verstanden habe. So habe ich es bis jetzt verstanden: Man dividiert zunächst die geschätzten Repeperaturkosten von dem Nettokaufpreis (5.000 / 1.000 = 5). Sodann wird der Bruttokaufpreis mit dem Ergebnis, 5, dividiert. Heraus bekommt man dann die 1.190 € als gedeckelte Summe. Ist dieser Rechenweg so wie eurer oder geht es auch einfacher?
Nedjem
15.3.2024, 13:35:21
Hey Luk7_8, es geht
tatsächlich deutlich einfacher! Die Schadensersatzpflicht gem. 249 BGB erstreckt sich nur auf die Maßnahme, die erforderlich ist, also den geringsten Aufwand bedeutet. In diesem Fall sind das die Reparaturkosten i.H.v. 1000€. Auf diesen Betrag ist die Schadensabrechnung gedeckelt. Bei konkreter Abrechnung schließt das gem. 249 II 2 BGB die Umsatzsteuer mit ein. Diese beträgt 19%. Somit erhältst Du bei konkreter Abrechnung einen gedeckelten Betrag von 1190€, auch wenn der Geschädigte eine teurere Maßnahme vornehmen lässt (hier Kauf eines Ersatzfahrzeugs). Liebe Grüße
JakobWI
21.10.2024, 12:10:39
Hallo, vielen Dank für die schöne Aufbereitung des Falles. Ich habe eine kleine Anmerkung: Könntet ihr vielleicht in den Sachverhalt mit Aufnehmen warum das Zweitgutachten höhere Reparaturkosten ermittelt hat. Dadurch wird die Frage, welche der gutachtlich ermittelten Werte maßgeblich sein soll, mE verständlicher.