Daimler-Thermofenster (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft 2012 bei der Daimler AG (D) einen Mercedes-Benz mit Dieselmotor für €32.000. Das Auto unterliegt keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt. Hierdurch verringern sich die Stickoxidemissionen. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen reduziert, möglicherweise ab bestimmten Temperaturen sogar ganz abgeschaltet ("Thermofenster"). Diese Abschaltung kann zu einem erheblichen Anstieg der Stickoxidemissionen führen. K wertet dies als unzulässig.
Einordnung des Falls
Daimler-Thermofenster (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen D einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, wenn er von D vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurde.
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Ja!
2. Der Gegenstand der Sittenwidrigkeit bei § 826 BGB ist derselbe wie bei § 138 Abs. 1 BGB.
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Nein, das ist nicht der Fall!
3. D handelte schon deshalb sittenwidrig, weil sie das Thermofenster eingebaut hat.
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Nein, das trifft nicht zu!
4. Sofern D wusste, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung ist und dies in Kauf nahm, kann darin grundsätzlich eine besondere Verwerflichkeit liegen.
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Ja!
5. Die Entscheidung widerspricht der vorherigen BGH-Entscheidung zu VW, in der die Sittenwidrigkeit aufgrund einer Abschaltvorrichtung bejaht wurde (VI ZR 252/19).
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Nein, das ist nicht der Fall!
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lonin
13.5.2021, 13:09:39
Wahhhhhnsinn was deutsche Ingenieurskunst alles zu leisten Vermag <3
Philipp Paasch
19.6.2022, 21:53:58
Thermofenster hätten wir damals auch gebraucht.^^
Maxi97
8.4.2022, 02:36:12
Kurze Frage zu §31 BGB. Ich hatte es immer so gelernt, dass 31 BGB immer nur direkt für den Verein gilt, nicht auch für GmbH und AG (nur analog). Der Wortlaut ist doch ganz klar, unabhängig von der Gemeinsamkeit der körperschaftlichen Strukturierung.

Lukas_Mengestu
8.4.2022, 08:23:21
Hallo Maxi97, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat spricht § 31 BGB nur von Vereinen, weswegen hier nur eine analoge Anwendung in Betracht kommt (vgl. Leuschner, in: MüKo-BGB, 9.A. 2021, § 31 RdNr. 3 f.). Wir haben das entsprechend präzisiert! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
19.6.2022, 22:00:03
Es ist m.E. wenn überhaupt umstritten, ob § 31 BGB analog angewendet werden muss (laut der Quelle wohl schon). Der Verein ist das Grundkonstrukt aller nicht-natürlichen Personen (mit natürlich unzähligen Ausnahmen). Eine GmbH oder eine AG sind daher lediglich privatwirtschaftliche Vereine (Nachweise bei Prof. Dr. Georg Borges). Auch bspw. ein Staatenbund wird als völkerrechtlich Verein bezeichnet (Nachweise bei Prof. Dr. Thomas Giegerich LL.M.) Mir dünkt daher, dass Eure vorherige Fassung, trotz des sehr guten Einwands des Kollegen @Maxi97, nicht falsch war.