Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Die Nichtleistungskondiktion

"gemischte Schenkung": nach hM §§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar

"gemischte Schenkung": nach hM §§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar

5. November 2024

4,8(15.500 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

G hat einen Laptop im Wert von €1.600. Unter einem Vorwand überredet der böse B den G, B den Laptop zu leihen. Anschließend spiegelt B seiner guten Freundin A glaubhaft vor, ihr als Dank für ihre freundschaftliche Hilfe der letzten Jahre seinen Laptop zu einem symbolisches Preis von €16 zu verkaufen, da er ihn nicht mehr benötige. A, die nichts von der fehlenden Berechtigung des B weiß, stimmt begeistert zu und erhält den Laptop von B.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

"gemischte Schenkung": nach hM §§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat einen Anspruch gegen A auf Herausgabe des Laptops aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion).

Nein, das ist nicht der Fall!

Dem Bereicherungsgläubiger steht ein Herausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion) zu, wenn der Anspruchsgegner etwas in sonstiger Weise auf Kosten des Gläubigers ohne Rechtsgrund erlangt hat. A hat den Laptop durch Leistung des B erlangt. Was jemand durch Leistung erlangt hat, braucht er nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion herauszugeben. Ein Anspruch auf Herausgabe des Laptops aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion) scheitert somit.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Es liegt eine Verfügung vor, welche gegenüber G wirksam geworden ist (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Verfügung ist jede Aufhebung, Übertragung, Belastung oder Inhaltsänderung eines bestehenden Rechts. Hierbei kann sich eine Wirksamkeit der Verfügung ausschließlich aus einem gutgläubigen Erwerb des Verfügungsempfängers (§§ 929 S. 1, 932 BGB) oder aus einer Genehmigung (§ 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB) der Verfügung durch den Berechtigten ergeben. A hat hier gutgläubig Eigentum erworben. Es legt hier eine wirksame Übertragung des Eigentums (Verfügung) vor. Hinsichtlich des Erfordernisses der Gutgläubigkeit, § 932 Abs. 2 BGB, können bei einem verdächtigen Inhalt des der Verfügung zugrunde liegenden Kausalgeschäfts oder einer verdächtigen Erwerbssituation Aufklärungs- und Nachfragepflichten des Erwerbers bestehen. Wenn die Sache erheblich unter ihrem Marktwert veräußert wird, ist dies üblicherweise ein solcher verdächtiger Inhalt, der Aufklärungs- und Nachfragepflichten begründet. Da hier A und B als gute Freunde aber bewusst einen symbolischen Preis vereinbarten und B der A seine Absicht glaubhaft vorspiegelte, musste A hier keine Nachforschungen anstellen.

3. Es liegt hier eine Schenkung des B an A vor (§ 516 BGB).

Nein!

Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. (§ 516 Abs. 1 BGB) Die Zuwendung des Laptops ist hier nicht komplett unentgeltlich. A hat für den Laptop €16 bezahlt. Mit Blick auf den Wert der Sache besteht aber ein auffälliges Missverhältnis. Es liegt eine gemischte Schenkung vor.

4. Die Verfügung ist entgeltlich erfolgt (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach h.M. kommt es bei einer gemischten Schenkung darauf an, ob der unentgeltliche Charakter der Verfügung überwiegt (sog. Schwerpunkttheorie). Der Wert der Sache beträgt €1600. A hat €16 bezahlt. Der entgeltliche Teil beträgt also 1%. Der unentgeltliche Charakter überwiegt. Die Verfügung war unentgeltlich. Diese „Alles-oder-nichts"-Lösung ist umstritten. Die Literatur vertritt eine differenzierte Lösung: Hinsichtlich des entgeltlichen Teils kann der frühere Berechtigte den Nichtberechtigten in Anspruch nehmen (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB). Bezüglich des unentgeltlichen Teils haftet der Erwerber auf Wertersatz (§§ 816 Abs. 1 S. 2, 818 Abs. 2 BGB).

5. A hat den Laptop an G herauszugeben (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Es liegt eine unentgeltliche (h.M.) und wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten vor. Der Verfügungsempfänger hat den Verfügungsgegenstand an den Berechtigten herauszugeben. Nach a.A. hat A Wertersatz an G iHv €1584 zu leisten. B hat den Veräußerungserlös (€16) an G herauszugeben.
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.

Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

14.10.2023, 14:18:39

Wie wäre der Fall zu behandeln, wenn B den Laptop für 900 oder 700 EUR verkauft hätte?

Jan

Jan

18.12.2023, 08:33:55

Ich würde das so beurteilen, dass das Missverhältnis nicht mehr krass genug ist, dass G den Laptop von A herausverlangen kann, schließlich hat A ja (gutgläubig) fast oder mehr als die Hälfte gezahlt. G müsste sich dann an den Verkäufer wenden bzgl. des Werts. Gerade bei den 700 € könnte ich mir aber gut vorstellen, dass man das auch anders bewerten kann, wobei ich dann die hM schwierig finde.

Tobias Krapp

Tobias Krapp

30.9.2024, 15:20:41

Hallo @[Diaa](211889), auf dem Boden der Literaturansicht würden sich nur die Werte ändern: Der Empfänger (also hier A) hat immer nur, soweit die Unentgeltlichkeit reicht, den Wert des Gegenstandes zu ersetzen (in deinem Fall dann also 700 bzw. 900 €). Daneben existiert der Anspruch des Berechtigten (G) gegen den Verfügenden (B) aus § 816 I S. 1 BGB auf Herausgabe der empfangenen Gegenleistung fort (in deinem Fall dann also 900 bzw. 700 €). Auf dem Boden der BGH Ansicht ist schlicht nach Überwiegen des unentgeltlichen/entgeltlichen Teils zu unterscheiden. Bei 700 € würde sich demnach an der Lösung nichts ändern. Bei 900 € läge keine Unentgeltlichkeit vor, dann hätte G gegen A keinen Anspruch aus § 816 I S. 2 BGB. Gegen B bestünde der Anspruch aus § 816 I S. 1 BGB dann nur in Höhe von 900 €. Gegen B bestünde i.Ü. natürlich die Standard-Batterie an Ansprüchen: § 285; §§ 687 II, 681 S. 1, 667 neben § 816 I S. 1 auf Erlösherausgabe, §§ 280 I, III, 283; §§ 687 II, 678; §§ 989, 990 (-), weil nicht-so-berechtigter-Besitzer nicht anzuerkennen; § 823 I; ggf. §

823 II

iVm § 263, 246 StGB; ggf. § 826 BGB auf Schadensersatz. Ich hoffe das hat weitergeholfen! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

AY

aylin.

17.12.2023, 23:13:44

Wäre die Herausgabe des Laptops unmöglich, wäre Wertersatz iHv 1600€ zu leisten, oder?

Jan

Jan

18.12.2023, 08:24:50

Genau, zumindest nach der herrschenden Meinung werden auch nicht die 16€ angerechnet, nach meinem Verständnis

Tobias Krapp

Tobias Krapp

30.9.2024, 14:10:02

Hallo @[aylin.](169310), es gelten auch für den Anspruch aus § 816 I S. 1 bzw. S. 2 BGB die §§ 818-

822 BGB

, vgl. MüKoBGB/Schwab § 816 Rn. 51 ff.; BeckOK BGB/Wendehorst § 816 Rn. 24. Wenn die empfangene Leistung also nicht mehr herausgegeben werden kann, ist gemäß § 818 II BGB deren Wert zu ersetzen, soweit

§ 818 III BGB

(

Entreicherung

) nicht eingreift oder sich der Empfänger wegen verschärfter Haftung nach §§ 819, 820 i.V.m. 818 IV BGB nicht auf die

Entreicherung

berufen kann. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

Paulah

Paulah

24.8.2024, 11:18:12

Kann man bei einem so niedrigen Preis tatsächlich noch von Gutgläubigkeit sprechen? Muss man da nicht stutzig werden?

Tobias Krapp

Tobias Krapp

30.9.2024, 14:48:33

Hallo @[Paulah](135148), da hast du vollkommen recht, hinsichtlich des Erfordernisses der Gutgläubigkeit, § 932 Abs. 2 BGB, können bei einem verdächtigen Inhalt des der Verfügung zugrunde liegenden

Kausalgeschäft

s oder einer verdächtigen Erwerbssituation Aufklärungs- und Nachfragepflichten des Erwerbers bestehen, vgl. MüKoBGB/Oechsler § 932 Rn. 49 ff. Wenn diesen Pflichten nicht nachgekommen wird, liegt grobe Fahrlässigkeit vor. Ein derart niedriger Preis bei einem Geschäft mit einem Wildfremden, auch noch mit einer Privatperson, würde sicher solche Pflichten begründen. Der Fall hier war eher so gemeint, dass B und A sich kennen und B so tut, als wolle er der A den Laptop zu einem Freundschaftspreis wirtschaftlich gesehen "schenken". Ich habe das im Aufgabentext angepasst und einen Vertiefungshinweis aufgenommen. Danke für deinen aufmerksamen Hinweis, der uns ermöglicht, unseren Inhalten wo nötig den letzten Schliff zu geben :) Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.