Zivilrecht
Bereicherungsrecht
Die Nichtleistungskondiktion
"gemischte Schenkung": nach hM §§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar
"gemischte Schenkung": nach hM §§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar
2. April 2025
27 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G hat einen Laptop im Wert von €1.600. Unter einem Vorwand überredet der böse B den G, B den Laptop zu leihen. Anschließend spiegelt B seiner guten Freundin A glaubhaft vor, ihr als Dank für ihre freundschaftliche Hilfe der letzten Jahre seinen Laptop zu einem symbolisches Preis von €16 zu verkaufen, da er ihn nicht mehr benötige. A, die nichts von der fehlenden Berechtigung des B weiß, stimmt begeistert zu und erhält den Laptop von B.
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Einordnung des Falls
"gemischte Schenkung": nach hM §§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G hat einen Anspruch gegen A auf Herausgabe des Laptops aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es liegt eine Verfügung vor, welche gegenüber G wirksam geworden ist (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Es liegt hier eine Schenkung des B an A vor (§ 516 BGB).
Nein!
4. Die Verfügung ist entgeltlich erfolgt (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. A hat den Laptop an G herauszugeben (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Diaa
14.10.2023, 14:18:39
Wie wäre der Fall zu behandeln, wenn B den Laptop für 900 oder 700 EUR verkauft hätte?
Jan
18.12.2023, 08:33:55
Ich würde das so beurteilen, dass das Missverhältnis nicht mehr krass genug ist, dass G den Laptop von A herausverlangen kann, schließlich hat A ja (gutgläubig) fast oder mehr als die Hälfte gezahlt. G müsste sich dann an den Verkäufer wenden bzgl. des Werts. Gerade bei den 700 € könnte ich mir aber gut vorstellen, dass man das auch anders bewerten kann, wobei ich dann die hM schwierig finde.

Tobias Krapp
30.9.2024, 15:20:41
Hallo @[Diaa](211889), auf dem Boden der Literaturansicht würden sich nur die Werte ändern: Der Empfänger (also hier A) hat immer nur, soweit die Unentgeltlichkeit reicht, den Wert des Gegenstandes zu ersetzen (in deinem Fall dann also 700 bzw. 900 €). Daneben existiert der Anspruch des Berechtigten (G) gegen den Verfügenden (B) aus § 816 I S. 1 BGB auf Herausgabe der empfangenen Gegenleistung fort (in deinem Fall dann also 900 bzw. 700 €). Auf dem Boden der BGH Ansicht ist schlicht nach Überwiegen des unentgeltlichen/entgeltlichen Teils zu unterscheiden. Bei 700 € würde sich demnach an der Lösung nichts ändern. Bei 900 € läge keine Unentgeltlichkeit vor, dann hätte G gegen A keinen Anspruch aus § 816 I S. 2 BGB. Gegen B bestünde der Anspruch aus § 816 I S. 1 BGB dann nur in Höhe von 900 €. Gegen B bestünde i.Ü. natürlich die Standard-Batterie an Ansprüchen: § 285; §§ 687 II, 681 S. 1, 667 neben § 816 I S. 1 auf Erlösherausgabe, §§ 280 I, III, 283; §§ 687 II, 678; §§ 989, 990 (-), weil nicht-so-berechtigter-B
esitzer nicht anzuerkennen; § 823 I; ggf.
§ 823 IIiVm § 263, 246 StGB; ggf.
§ 826 BGBauf
Schadensersatz. Ich hoffe das hat weitergeholfen! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
aylin.
17.12.2023, 23:13:44
Jan
18.12.2023, 08:24:50
Genau, zumindest nach der herrschenden Meinung werden auch nicht die 16€ angerechnet, nach meinem Verständnis

Tobias Krapp
30.9.2024, 14:10:02
Hallo @[aylin.](169310), es gelten auch für den Anspruch aus § 816 I S. 1 bzw. S. 2 BGB die §§ 818-
822 BGB, vgl. MüKoBGB/Schwab § 816 Rn. 51 ff.; BeckOK BGB/Wendehorst § 816 Rn. 24. Wenn die empfangene Leistung also nicht mehr herausgegeben werden kann, ist gemäß §
818 II BGBderen Wert zu ersetzen, soweit §
818 III BGB(
Entreicherung) nicht eingreift oder sich der Empfänger wegen verschärfter Haftung nach §§ 819, 820 i.V.m. 818 IV BGB nicht auf die
Entreicherungberufen kann. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

Paulah
24.8.2024, 11:18:12
Kann man bei einem so niedrigen Preis tatsächlich noch von Gutgläubigkeit sprechen? Muss man da nicht stutzig werden?

Tobias Krapp
30.9.2024, 14:48:33
Hallo @[Paulah](135148), da hast du vollkommen recht, hinsichtlich des Erfordernisses der Gutgläubigkeit, § 932 Abs. 2 BGB, können bei einem verdächtigen Inhalt des der Verfügung zugrunde liegenden
Kausalgeschäfts oder einer verdächtigen Erwerbssituation Aufklärungs- und Nachfragepflichten des Erwerbers bestehen, vgl. MüKoBGB/Oechsler § 932 Rn. 49 ff. Wenn diesen Pflichten nicht nachgekommen wird, liegt grobe Fahrlässigkeit vor. Ein derart niedriger Preis bei einem Geschäft mit einem Wildfremden, auch noch mit einer Privatperson, würde sicher solche Pflichten begründen. Der Fall hier war eher so gemeint, dass B und A sich kennen und B so tut, als wolle er der A den Laptop zu einem Freundschaftspreis wirtschaftlich gesehen "schenken". Ich habe das im Aufgabentext angepasst und einen Vertiefungshinweis aufgenommen. Danke für deinen aufmerksamen Hinweis, der uns ermöglicht, unseren Inhalten wo nötig den letzten Schliff zu geben :) Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

paulmachtexamen
2.1.2025, 22:04:14
Ist bei einer gemischten Schenkung Kaufrecht oder Schenkungsrecht anwendbar, wenn man einen Fall wie diesen mit einem auffälligen Missverhältnis hat.
TubaTheo
24.1.2025, 19:56:00
Bei gemischten Verträgen kommt das Recht zur Anwendung, auf dem der Schwerpunkt des Vertrages liegt. Das wäre in diesem Fall das Schenkungsrecht. Je nachdem, wie genau das Verhältnis zwischen den Vertragsarten ausgestaltet ist, kann es vorkommen, dass einzelne spezielle Regelungen des nicht anzuwendenden Rechts trotzdem Anwendung finden, um den Interessen der Vertragspartner gerecht zu werden. In unserem Fall überwiegt der Schenkungsvertrag dermaßen, dass auch kaufrechtliche Spezialregelungen keine Anwendung finden.
TubaTheo
24.1.2025, 20:00:28
Kommt hier keine
Sperrwirkung des EBVin Betracht? A hat doch gutgläubig Eigentum erworben. Muss sie dann trotzdem den Laptop herausgeben oder nur
Wertersatzin Höhe der 1.600 € leisten? Oder wird der Herausgabeanspruch damit begründet, dass A aufgrund der Unentgeltlichkeit nicht mehr schutzwürdig ist?
Wysiati
11.2.2025, 15:23:28
Mein Verständnis: der Empfänger einer unentgeltlichen Verfügung ist, wie du sagst, nicht schutzwürdig. Das EBV bezieht sich auf eine
Vindikationslageund § 993 I Hs. 2 BGB schützt dann den B
esitzer. Hier ist A aber Eigentümer, nicht B
esitzer. Deswegen kommt ein EBV hier nicht in Frage. Wäre ein EBV einschlägig, dann würde sich § 993 I Hs. 2 BGB nur auf
Schadensersatzund Nutzungsersatz richten, denn nur hierauf richtet sich das EBV. Damit wären andere Ansprüche, wie solche auf "Substanzersatz" (
Wertersatz) nicht ausgeschlossen. Wie auch der Anspruch aus §
§ 951, 812 BGB nicht ausgeschlossen ist, da es sich um einen "Substanzersatz" handelt. Achtung "Substanzersatz" habe ich nicht-technisch verwendet. So weit meine Sichtweise, gerne aber korrigieren, wenn ich es auch nicht ganz verstanden haben sollte.
hardymary
31.3.2025, 15:05:05
816 ist nie von der EBV Sperre umfasst :)
Niro95
25.1.2025, 08:12:06

ajboby90
21.2.2025, 18:55:59
816 ist lex specialis

Sege
20.3.2025, 15:35:38
@[ajboby90](222400) ist das so? Grundsätzlich bleiben Ansprüche im Zivilrecht nebeneinander stehen. Ich sehe bzw. kenne keinen Grund warum das hier anders sein sollte.
hardymary
31.3.2025, 15:04:08
@[ajboby90](222400) hat in der Hinsicht Recht, weil der § 823 I keinen
Wertersatzgewährt.
Wertersatzist nur über 812 ff möglich. Demnach hat @[Sege](241995) aber insoweit recht, dass ein Anspruch auf SE aus § 823 I trotzdem neben Bereicherungsrecht möglich wäre und wird nicht von 816 verdrängt. § 823 I als
Schadensersatzerfordert bspw. aber insbe ein Verschulden und ist mgw. dann nicht einschlägig, wenn §§ 812 ff (+) ist
kim.
16.3.2025, 17:37:32
Liebes Jurafuchs-Team, ich finde die Antworten hier ungeschickt gelöst: Zuerst wird gefragt, ob eine Schenkung vorliegt. Sage ich Ja, wird das als Fehler gewertet, da ja ein Entgelt gezahlt wurde. Noch in der selben Antwort wird dann aber gesagt, dass es sich um eine gemischte *Schenkung* handelt. Also liegt ja doch eine Schenkung vor. Wenn ihr auf dieses Ergebnis hinauswollt, wäre es wichtig, die Frage zuvor zu präzisieren - es liegt vielleicht keine klassische reine Schenkung vor, aber ja offenbar doch eine Schenkung. In der nächsten Frage wird gefragt, ob das Geschäft unentgeltlich war. Mit der Logik der vorherigen Antwort, die auf die Entgeltlichkeit abstellte, müsste das bejaht werden. Dies wird aber ebenfalls verneint, da das Entgelt zu vernachlässigen sei. Ich verstehe die Gedanken dahinter, aber so wie die Fragen und Antworten formuliert sind, sind sie inkonsequent und widersprüchlich. Entweder sagen wir, das Entgelt ist vernachlässigbar, dann muss auch in der ersten Frage schon eine Schenkung vorliegen. Oder wir sagen, es liegt wegen des Entgelts keine (klassische) Schenkung vor, dann muss aber auch in der zweiten Frage ein Entgelt bejaht werden.