Öffentliches Recht
Grundrechte
Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GG)
Kombination aller Kunstbegriffe: Nicht alles ist Kunst
Kombination aller Kunstbegriffe: Nicht alles ist Kunst
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A möchte in der Fußgängerzone der Stadt F interessierten Passanten Tarotkarten legen. Er meint, seine Tätigkeit sei erlaubnisfrei, weil seine Tätigkeit durch die Kunstfreiheit geschützte „Straßenkunst“ darstelle.
Diesen Fall lösen 73,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kombination aller Kunstbegriffe: Nicht alles ist Kunst
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. „Kunst“ (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG) liegt nur vor, wenn sich das Werk bzw. die Tätigkeit einem traditionellen Werktyp (z.B. Malerei, Theater) zuordnen lässt.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die von A beabsichtigte Tätigkeit ist Kunst im Sinne des formalen Kunstbegriffs.
Nein!
3. Die Tätigkeit ist Kunst im Sinne des materiellen Kunstbegriffs.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Die Tätigkeit ist nach dem offenen Kunstbegriff als Kunst anzusehen.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Damit fällt die von A beabsichtigte Tätigkeit unter keinen der drei Kunstbegriffe.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jose
12.8.2021, 11:15:36
Wonach wird denn beurteilt, ob es sich um eine klassische Kunstform handelt?
Lukas_Mengestu
2.12.2021, 13:42:18
Hallo Jose, sehr gute Frage! Unter den formalen
Kunstbegrifffallen "traditionelle" Kunstformen, der Blick ist insoweit in die Vergangenheit gerichtet. Dazu zählen zum Beispiel bestimmte Tätigkeiten (Mal-/Dichtkunst, Bildhauerei) oder besteimmte Werkkategorien (Roman, Plastik, Theaterstück..). Würde man den
Kunstbegriffderart eng fassen, würden sämtliche neuartigen Schöpfungen (Happening, Videoinstallation, Flashmob...) rausfallen und damit den Schutzbereich deutlich verengen. Jede neue Kunstform unterfiele dann nicht mehr dem Schutzbereichd es Art. 5 Abs. 3 GG (vgl. Wittreck, in: Dreier-GG, 3.A. 2013, Art. 5 Abs. 3, RdNr. 38). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Taylaw
8.2.2022, 20:02:11
Ich wollte anmerken, dass die Entscheidung des VGH bei uns in der Uni aufgegriffen und explizit als "Grenzfall" bezeichnet wurde, bei dem man genauso gut auch Kunst hätte annehmen können. Insoweit wurde insbesondere damit argumentiert, dass den Leuten ja klar sei, dass Tarotkartenlegen keinen ernsthaften Aufschluss über die Zukunft geben kann und daher auch nicht als "psychologische Dienstleistung" gewertet werden müsse. Insbesondere käme es gerade beim Tarotkartenlegen auf die Schauspielatmosphäre, das "Geheimnisvolle" und die Wechselbeziehung zwischen dem Werkbereich und dem Wirkbereich auf das Medium der Öffentlichkeit an, die auch sonst künstlerischen Tätigkeiten zu eigen ist. Im Ergebnis wurde daher bei uns entgegen des VGH Kunst angenommen.
Lukas_Mengestu
9.2.2022, 12:26:24
Vielen Dank für den Hinweis, Taylaw. Wir haben nun einen Vertiefungshinweis dazu aufgenommen, dass mit entsprechender Argumentation auch ein anderes Ergebnis vertretbar ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
qprgx
29.4.2024, 21:42:33
Kam heute im ÖR I Examen in NRW dran :)
Lukas_Mengestu
30.4.2024, 08:33:12
Super, vielen Dank für die Meldung!
rubenrubenruben
8.11.2024, 11:41:16
Ist es hier nicht eher ratsam, wenigstens den offenen
Kunstbegriffanzunehmen, um die Prüfung weiter fortführen zu können? Oder ist einzig die Abgrenzung des Schutzbereichs dann der Klausurschwerpunkt?