Einstellung in den Polizeidienst bei Tätowierungen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Berliner B bewirbt sich im Sommer zur Herbstausbildungskampagne der Kriminalpolizei. Weil er an beiden Armen Tätowierungen trägt, wird seine Einstellung zur Ausbildung abgelehnt. B will noch zum Herbst die Ausbildung antreten. Er klagt und beantragt vorläufigen Rechtsschutz.
Einordnung des Falls
Einstellung in den Polizeidienst bei Tätowierungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Statthafte Antragsart des vorläufigen Rechtsschutzes ist § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
2. B ist antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja!
3. Im Eilrechtsschutz darf die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. B greift durch den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO den in der Hauptsache geltend gemachten Anspruch auf Einstellung vorweg.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Genau, so ist das!
4. Trotz der Vorwegnahme der Hauptsache bleibt ein Rechtsschutzbedürfnis des B bestehen.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
5. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist begründet, soweit B einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja!
6. Indem die Polizei B's Bewerbung zur Ausbildungseinstellung wegen seiner Tätowierungen ablehnt, greift sie in seine Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Genau, so ist das!
7. Sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG) als auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit stehen unter einfachem Gesetzesvorbehalt.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
8. B’s linker Arm trägt eine Darstellung des Paradieses der Schöpfungsgeschichte. Die Ablehnung kann daher mit § 1 S. 1 Berliner Neutralitätsgesetz begründet werden.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein!
9. B's rechter Arm trägt die Darstellung einer nackten Frau mit Sturmhaube und Maschinengewehr. Die Ablehnung kann sich auf mangelnde charakterliche Eignung stützen, § 5 Nr. 4 BlnPol-LVO.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Für B symbolisiert das Tattoo sexuelle Gleichstellung. B erfüllt alle anderen Voraussetzungen des § 5 BlnPol-LVO. Sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs.1 VwGO ist begründet.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs kostenlos testen

Isabell
1.11.2021, 15:05:38
Hier wären Verlinkungen zu den ländereignen Gesetzen toll.

Lukas_Mengestu
1.11.2021, 18:11:08
Danke für den Hinweis, Isabell. Für das Neutralitätsgesetz konnten wir leider keine online zugängliche Version finden, im Übrigen haben wir die Links nun ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
jomolino
13.5.2022, 10:34:30
Habe ich etwas übersehen oder wieso wird auf die Beeinträchtigung des Art. 12 GG nicht eingegangen?

Lukas_Mengestu
16.5.2022, 13:53:20
Hallo nomamo, das OVG Berlin-Brandenburg hatte den Beschluss allein auf das APR gestützt. Da es sich um eine Eilentscheidung handelte, könnte dies erklären, warum sie etwas knapper ausfiel. In der Tat könnte man hier aber auch noch auf eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit abstellen (vgl. auch Pfeffer, Das Beamtenrecht auf dem Prüfstand, NVwZ 2020, 15). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
lisi99
8.8.2022, 17:53:45
Wieso ist hier nicht Art. 12 I GG vorrangig zu prüfen? Es geht doch insoweit um den Zugang zu einer Ausbildung? LG

Lukas_Mengestu
8.8.2022, 18:33:28
Hallo lisi99, grundsätzlich kommt hier natürlich auch Artikel 12 GG in Betracht. Ein Rangverhältnis zwischen der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gibt es indes nicht (anders als bei der normalen allgemeinen Handlungsfreiheit, die subsidiär ggü. den übrigen Freiheitsrechten ist). Da es dem Antragssteller theoretisch durchaus möglich gewesen wäre, sich seine Tatoos zu entfernen, hat das OVG hier vermutlich die Verletzung des Persönlichkeitsrechts als spezifischer angesehen und deshalb primär darauf abgestellt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team