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Erbvertrag - Beseitigung der Bindungswirkung/ Rücktritt

Erbvertrag - Beseitigung der Bindungswirkung/ Rücktritt

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der schwerkranke E bestimmt in einem Erbvertrag mit seiner Tochter T seinen Neffen N als alleinigen Erben. Im Gegenzug hat sich N zur Pflege des E verpflichtet, kommt dieser jedoch nicht nach. E möchte die Erbeinsetzung des N daher rückgängig machen. Einer Aufhebung stimmt die T jedoch nicht zu.

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Einordnung des Falls

Erbvertrag - Beseitigung der Bindungswirkung/ Rücktritt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E ist aufgrund einer schweren Verfehlung des N gemäß § 2294 BGB zum Rücktritt berechtigt.

Nein!

Nach § 2294 BGB kann der Erblasser zurücktreten, wenn der Bedachte sich einer Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt. Nach § 2333 BGB ist dies der Fall, wenn der Bedachte dem Erblasser oder ihm nahestehenden Personen nach dem Leben trachtet, ein Verbrechen ihnen gegenüber ausübt, wegen eines Verbrechens zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder einer Unterhaltsverpflichtung böswillig nicht nachkommt. Keine der Verfehlungen des § 2333 BGB ist einschlägig, sodass E nicht gemäß § 2294 BGB zum Rücktritt berechtigt ist. Verfehlungen des Vertragspartners, der nicht selbst Bedachter ist, sind irrelevant.
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2. E ist nach § 2295 BGB zum Rücktritt berechtigt, da N seiner Pflicht zur Pflege des E nicht nachkommt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 2295 BGB hat der Erblasser ein Rücktrittsrecht, wenn der Vertragspartner zu wiederkehrenden Leistungen an den Erblasser für dessen Lebenszeit rechtsgeschäftlich verpflichtet ist, die erbvertragliche Verfügung mit Rücksicht darauf getroffen wurde und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers wieder aufgehoben wurde. Hier ist nicht die Vertragspartnerin T, sondern der Bedachte N zu wiederkehrenden Leistungen in Form der Pflege verpflichtet. Außerdem wurde die Verpflichtung zur Leistung bisher auch nicht aufgehoben. E ist somit nicht nach § 2295 BGB zum Rücktritt berechtigt. Die Aufhebung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung zur wiederkehrenden Leistung ist beispielsweise durch Vereinbarung, Rücktritt nach § 346 Abs. 1 BGB oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung möglich.

3. Eine Rücktrittserklärung müsste notariell beurkundet werden und dem Bedachten zugehen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Rücktrittserklärung ist gemäß § 2296 Abs. 2 BGB gegenüber dem Vertragspartner zu erklären. Zum Schutz des Vertragspartners ist eine notarielle Beurkundung der Erklärung erforderlich. Die Rücktrittserklärung muss notariell beurkundet werden und muss dem Vertragspartner, nicht dem Bedachten zugehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURAFU

jurafuchsles

22.6.2022, 11:15:27

Ich verstehe nicht, warum ihr sagt dass der Vertragspartner nach § 2295 zu einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung verpflichtet sein muss. Im Gesetz steht doch, „rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten“. Kann mir das jemand erklären?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

6.7.2022, 13:37:16

Hallo jurafuchsles, der Clou ist, dass in diesem Fall die letztwillige Verfügung "im Gegenzug" gegen die rechtsgeschäftliche Verpflichtung verfasst wird, also z.B. Unterhalt oder wie hier Pflegeleistungen des N. Bedachter des E ist ja N, der alles erben soll. Ist es jetzt klarer? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Johannes Nebe

Johannes Nebe

26.8.2023, 10:52:43

Im "Maßstab" zu Frage 2 wird der § 2295 BGB nicht richtig wiedergegeben, denn es geht in der Norm nicht um Leistungen des Vertragspartners, sondern des Bedachten, da hat jurafuchsles ganz recht. In der Subsumtion zu Frage 2 betont Ihr, dass hier nicht die Vertragspartnerin T, sondern der Bedachte N zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet sei. Das würde mit § 2295 BGB noch nicht in Konflikt kommen. In der Subsumtion geht es dann weiter damit, dass "außerdem" die Verpflichtung zur Leistung noch nicht aufgehoben sei. Das scheint mir aber der einzige Grund zu sein, dass nach § 2295 BGB kein Rücktritt möglich ist, nicht "außerdem".

Johannes Nebe

Johannes Nebe

26.8.2023, 10:16:24

Zu Frage 1, Maßstab: § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB verlangt nicht, dass der Betreffende "wegen eines Verbrechens" zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe (ohne Bewährung) verurteilt wurde. Die Verurteilung kann also auch auf einem Vergehen beruhen.

DIAA

Diaa

16.10.2023, 12:54:00

Was kann der E sonst machen?

DIAA

Diaa

16.10.2023, 12:58:44

Mal stellt ihr in der Antwort auf T und mal auf N. Dann steht dem E von Anfang an bei der ersten Frage kein Rücktrittsrecht zu, weil T Vertragspartner und nicht N ist, wie es in der 2ten Aufgabe auch erklärt wird.

L.G

L.Goldstyn

9.8.2024, 12:25:29

Liebes Jurafuchs-Team, wie im obigen Thread von jurafuchsles aufgeworfen und von Johannes Nebe erklärt, ist Euch bei der Wiedergabe des Maßstabs von § 2295 BGB in Frage 2 ein Fehler unterlaufen. „Frage 2: E ist nach § 2295 BGB zum Rücktritt berechtigt, da N seiner Pflicht zur Pflege des E nicht nachkommt. Die Aussage stimmt nicht Nach § 2295 BGB hat der Erblasser ein Rücktrittsrecht, wenn der Vertragspartner zu wiederkehrenden Leistungen an den Erblasser für dessen Lebenszeit rechtsgeschäftlich verpflichtet ist [...]“ Dem Wortlaut von § 2295 BGB nach ist es gerade nicht der Vertragspartner, sondern der Bedachte, der zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet sein muss. Ein wesentlicher Unterschied, der mE richtig wiedergegeben werden soll. Derzeit suggeriert ihr, dass hier einen Unterschied zu § 2294 BGB liegt, was aber nicht zutrifft.


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