Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Ermessen und Verhältnismäßigkeit
Missachtung Ermessensreduzierung auf Null (Fall 2)
Missachtung Ermessensreduzierung auf Null (Fall 2)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Trotz intensiver Bemühungen konnte F, die kein Obdach hat, keine Unterkunft für den Winter finden. Die städtischen Notunterkünfte in Berlin sind überfüllt. F wendet sich an die zuständige Polizeibehörde P und verlangt eine Einweisung in eine leerstehende Privatwohnung. P prüft Fs Anliegen und weist es zurück.
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Einordnung des Falls
Missachtung Ermessensreduzierung auf Null (Fall 2)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Zunächst bedarf es einer Anspruchsgrundlage für Fs Begehren. Kommt hier die allgemeine polizeiliche Befugnisklausel in Betracht (§ 17 ASOG)?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Angenommen, der Tatbestand von § 17 Abs. 1 ASOG ist vorliegend erfüllt. Hat P auf Rechtsfolgenseite von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht?
Genau, so ist das!
3. In Betracht kommt allerdings eine Missachtung der Ermessensreduzierung auf Null.
Ja, in der Tat!
4. F droht ohne Obdach in der Kälte zu erfrieren. Ergibt sich eine Ermessensreduzierung auf Null aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
SvzW
24.9.2023, 22:28:27
Das Interesse von S ist hier doch aber garnicht von den Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 BtMG umfasst, oder liegt die Schmerzreduzierung der S hier im öffentlichen Interesse? Oder habe ich etwas übersehen?
se.si.sc
25.9.2023, 09:10:33
Dein Grundgedanke ist völlig richtig: Partikularinteressen eines Einzelnen sind eben nicht öffentliches Interesse und damit auf den ersten Blick nicht von § 3 II BtMG erfasst. Nun hat allerdings das BVerwG zu § 3 II BtMG entschieden, dass das öffentliche Interesse ausnahmsweise auch dann vorliegen soll, wenn es um die Therapie eines einzelnen Schwerkranken geht, dem das BtM Linderung verschaffen kann und für den kein anderer gleich wirksamer Therapieansatz zur Verfügung steht (Urt v 6.4.2016 - 3 C 10/14). In diesem Zusammenhang sei dann auch eine Ausnahmeerlaubnis für den Eigenanbau zu erteilen, weil das Ermessen der
Behördedadurch auf Null reduziert sei, dass das Grundrecht des Einzelnen aus Art. 2 II 1 GG im Zusammenspiel mit Art. 1 GG bei schweren Leiden das Interesse der Allgemeinheit am Verbot überwiegt. Das BVerwG begründet das in seiner Entscheidung damit, dass die Effektivität der medizinischen Versorgung der Bevölkerung (zweifellos ein öffentliches Interesse) sich eben nicht "abstrakt" verwirkliche, sondern anhand von konkreten Fällen, anhand der Therapie einzelner Patienten. Außerdem klage zwar häufig nur eine Person, die gleiche Frage stelle sich aber immer auch bei ähnlich gelagerten Fällen, einer Vielzahl von Fällen, in denen (bisher) nicht geklagt worden sei. Ob man das inhaltlich angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts für nachvollziehbar hält, muss jeder selbst entscheiden. ME muss man das zumindest vorher mal gehört haben, sonst leuchtet nur bedingt ein, warum die Behandlung eines Einzelnen im öffentlichen Interesse liegen soll.
SvzW
25.9.2023, 09:22:28
Dankeschön, jetzt leuchtet es mir auch ein.
kaan00
16.2.2024, 14:09:03
Liegt hier wirklich keine
Ermessensreduzierung auf Nullvor? Es wäre doch auf möglich medizinisches Cannabis auf Rezept von der Apotheke zu erhalten. Gründe hierfür könnten bspw. die Gefahr des illegalen Weiterverkaufs bei Eigenanbau sein. Spricht man dann dennoch von einer
Ermessensreduzierung auf Null? =)
Blan
26.3.2024, 13:45:32
Naja, der Sachverhalt sagt ja eindeutig, dass es keine andere Alternative gibt. Deine Gedanken sind durchaus richtig, aber passen nicht zum SV :)
Jakob
16.4.2024, 20:55:08
Vielleicht sollte der Fall aufgrund des neuen CanG abgeändert werden. LG Jakob
Artur Schönhals
5.7.2024, 18:20:01
Nicht vielleicht, er sollte auf jeden Fall abgeändert werden. Richtiger Streakkiller
Linne_Karlotta_
22.8.2024, 11:43:42
Hallo in die Runde, danke für die Hinweise! Ich habe nun einen anderen Sachverhalt gewählt, um Eure Streaks zu schonen ;) Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team