Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2020
Verfassungswidrigkeit von § 217 StGB / Verfassungsmäßigkeit des begleiteten Suizids
Verfassungswidrigkeit von § 217 StGB / Verfassungsmäßigkeit des begleiteten Suizids
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S will Suizidhilfe in Anspruch nehmen. Ärztin A will Suizidhilfe leisten und Rechtsanwältin R ihre Mandanten zu diesbezüglichen Rechtsfragen beraten. Der ehrenamtliche Verein V unterstützt bei der Suche nach Suizidhilfe. Sie alle rügen die Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB.
Diesen Fall lösen 80,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verfassungswidrigkeit von § 217 StGB / Verfassungsmäßigkeit des begleiteten Suizids
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 18 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. In § 217 StGB ist kodifiziert, dass die geschäftsmäßige Sterbehilfe verboten ist.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Verfassungsbeschwerde des S ist unzulässig, da er nicht Normadressat des § 217 StGB ist und damit die Beschwerdebefugnis fehlt (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).
Nein!
3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleistet ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
Genau, so ist das!
4. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und diese Hilfe ggf. in Anspruch zu nehmen.
Ja, in der Tat!
5. § 217 StGB greift in das APR (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des S ein .
Ja!
6. Eingriffe in das APR (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage.
Genau, so ist das!
7. Das Verbot in § 217 StGB dient einem legitimen Zweck, indem es die Selbstbestimmung des Einzelnen über sein Leben und damit das Leben als solches schützt.
Ja, in der Tat!
8. Die Regelung des § 217 StGB ist geeignet, diesen legitimen Zweck zu erreichen.
Ja!
9. Die Regelung des § 217 StGB ist auch erforderlich und angemessen.
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Die Verfassungsbeschwerde des S ist begründet.
Ja, in der Tat!
11. Eine als Teil der beruflichen Tätigkeit erbrachte Suizidhilfe ist vom Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ausgenommen, da nur erlaubte Tätigkeiten geschützt werden.
Nein!
12. Die Regelung des § 217 StGB greift in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) von A und R ein.
Genau, so ist das!
13. Der Eingriff in die Berufsfreiheit von A und R (Art. 12 Abs. 1 GG) ist gerechtfertigt.
Nein, das trifft nicht zu!
14. A und R sind darüber hinaus auch in ihrer Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 Var. 2 GG) betroffen, da sie die Suizidhilfe für moralisch richtig und zweckmäßig halten.
Nein!
15. Der ehrenamtliche Sterbehilfeverein V kann sich vorliegend auf den Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) berufen.
Nein, das ist nicht der Fall!
16. V ist durch das Verbot in § 217 StGB in seinem kollektiven Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) verletzt.
Nein, das trifft nicht zu!
17. V ist allerdings in ungerechtfertigter Weise in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen.
Ja!
18. Die Verfassungsbeschwerden von S, A, R und V sind begründet. § 217 StGB ist damit verfassungswidrig.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Eigentum verpflichtet 🏔️
29.5.2020, 18:08:21
Frage 1: (...) Sterbehilfe (2
17 StGB) "IST" verboten, muss geändert werden. Denn seit das BVerfG die Norm für nichtig erkannt hat, müsste die Frage mit Nein beantwortet werden.
Tr(u)mpeltier
29.5.2020, 19:55:33
Dem würde ich zustimmen. Da dies aber natürlich die darauffolgenden Fragen etwas sinnlos erscheinen lässt, wäre vielleicht folgende Krücke denkbar: "In §217 ist kodifiziert, dass die geschaftsmäßige Sterbehilfe verboten ist". Dann würde man sich die Frage nach der Nichtigkeit noch offen lassen.
Marilena
1.7.2020, 14:19:29
Danke für Eure Hinweise! Habe entsprechend Deinem Vorschlag eine Korrektur vorgenommen, Tr(u)mpeltier. ;)
Raphaeljura
12.11.2023, 22:53:32
Wenn man den Ausfuehrungen folgt, ist zwar eine Regulierung moeglich aber kein Verbot. Wird es dann ersatzlos gestrichen oder nur modifiziert?
DerChristoph
1.8.2024, 18:50:45
Die unmittelbare Folge ist die Nichtigkeit der Norm, d.h., dass sie für die Gerichte unanwendbar ist. Eine etwaige Nachfolgeregelung müsste durch den Gesetzgeber erlassen werden, was bislang nicht geschehen ist.