Du hast recht damit, dass eine Rechtfertigung nach Art. 13 III GG hier ausscheidet, da es sich um eine präventive Ermittlungsmaßnahme und nicht um eine Maßnahme der (repressiven) Strafverfolgung handelt.
In Betracht kommt daher nur die verfassungsrechtliche Rechtfertigung nach Art. 13 IV GG. Das setzt voraus, dass die Maßnahme der Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit dient. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst grundsätzlich u.a. die gesamte Rechtsordnung, insb. die Normen des StGB. Aus der Formulierung des Art. 13 IV 1 GG („insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr“) ergibt sich m. E., dass an das bedrohte Rechtsgut besondere Anforderungen zu stellen sind. Dies muss erst recht gelten, wenn man sich bewusst macht, dass es sich um präventive Maßnahmen handelt, die ggü. repressiven Maßnahmen grundsätzlich restriktiv zu handhaben sind. Dafür spricht auch, dass nach Abs. 4 im Gegensatz zu Abs. 3 nicht nur akustische Überwachung, sondern auch die Installation von Kameras etc. grundsätzlich gerechtfertigt werden kann. Dazu kommt, dass es sich um eine dringende Gefahr handeln muss, also ein alsbaldiger Schadenseintritt zu befürchten ist.
M. E. gibt der Sachverhalt hier nicht ausreichend Informationen, um diese Abwägung anzustellen - insbesondere in zeitlicher Hinsicht. Sofern der Polizei Erkenntnisse vorliegen, nach denen der möglicherweise geplante Raub
überfall von besonderer Gefährlichkeit insb. für das Leben von Menschen ist, könnte man hier zu einer Rechtfertigung kommen. Sofern es sich „nur“ um einen einfachen Raub handelt, könnte man in meinen Augen hier gut vertreten, dass der Eingriff verfassungswidrig ist, da die Schranken des Art. 13 IV GG nicht gewahrt wurden.
Hallo ri, die dringende Gefahr ist vor allem quantitativ zu verstehen. Sie liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objkeitv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein wichtiges Rechtsgut schädigen wird. Je größer der Schaden, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG NJW 1975, 130).
Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Dass die Qualifikation der dringenden gegenüber einer „normalen Gefahr“ ausschließlich in dem Gewicht des bedrohten Rechtsguts liegen soll, halte ich für zu kurz gegriffen. Im Wesentlichen werden drei verschiedene Ansatzpunkt für die Dringlichkeit vertreten, wobei diese Kriterien meist kumulativ vorliegen sollen.
Papier (in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar) formuliert es folgendermaßen: „Für die Qualifikation einer Gefahr als dringend [sind] sowohl die zeitliche Nähe und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als auch das Ausmaß des zu erwartenden Schadens, und hier vor allem die Hochrangigkeit des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung. Die besonders ausgeprägte Verwirklichung einer der Komponenten kann dazu führen, dass an eine jeweils andere weniger hohe Anforderungen zu stellen sind.“
Hallo Ferdinand,
in der Tat lässt sich der kumulative Ansatz sehr gut hören. Auch Gornig (in v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7.A. 2018, Art. 13 RdNr. 124) geht nur dann von einer dringenden Gefahr aus, wenn der Schaden auch zeitlich naheliegt und "in allernächster Zukunft" eintritt.
Das BVerwG ist in der oben zitierten Entscheidung dagegen gar nicht auf eine zeitliche Komponente eingegangen.
Für die Hinzuziehung des Zeitmoment spricht, dass "dringend" nach dem allgemeinen Verständnis synonym für eilig, drängend verwendet wird.
Für die Auffassung, die ausschließlich auf die Qualität des bedrohten Rechtsguts abstellt, spricht, dass die beispielhafte Aufzählung in Art. 13 Abs. 4 GG (gemeine Gefahr/ Lebensgefahr) ausschließlich das Rechtsgut in den Blick nimmt.
Jedenfalls in den Fällen, in denen sowohl ein enger zeitlicher Zusammenhang als auch ein hochwertiges Rechtsgut vorliegt, liegt unstreitig eine dringende Gefahr vor. Fehlt es an einer Voraussetzung, muss man argumentieren. Letztlich kann man sich aber in beide Richtungen entscheiden.
Beste Grüße, Lukas