Öffentliches Recht

Europarecht

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV: Familienangehörige als Begünstigte

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV: Familienangehörige als Begünstigte

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Philippine C heiratet Spanier S in Valencia. S betreibt ein spanisches Unternehmen, welches Werbeflächen an Kunden aus anderen Mitgliedstaaten verkauf, wofür S auch dorthin reist. Cs Antrag auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte wurde von spanischen Behörden abgelehnt.

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Einordnung des Falls

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV: Familienangehörige als Begünstigte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist für die Tätigkeit des S vorliegend eröffnet.

Ja, in der Tat!

Der Begriff der Dienstleistung ist im AEUV nicht definiert, auch wenn Art. 57 AEUV einzelne Merkmale benennt. Die Dienstleistung lässt sich in Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten als selbstständige, vorübergehende Leistungen definieren, die einen entgeltlichen Charakter haben muss. Das Merkmal der Selbstständigkeit wird in Art. 57 AEUV zwar nicht ausdrücklich angesprochen, ergibt sich aber aus den beispielhaft in Art. 57 Abs. 2 AEUV genannten Tätigkeiten und in Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das Merkmal "vorübergehend" ergibt sich in Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit. S ist als Betreiber des Unternehmens selbstständig tätig und bietet Leistungen an, welche entgeltlichen Charakter haben, da die Kunden für die Werbeflächen zahlen müssen. S ist grundsätzlich in Spanien ansässig und reist nur für Kundengespräche in andere Mitgliedstaaten, sodass die Leistung sich als vorübergehend darstellt. Der sachliche Anwendungsbereich ist daher eröffnet.
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2. Die Dienstleistungsfreiheit steht in erster Linie Unionsbürgern zu. Demnach wäre nur S persönlich Begünstigter der Dienstleistungsfreiheit.

Ja!

Die Dienstleistungsfreiheit steht nach Art. 56 AEUV in ihrem persönlichen Anwendungsbereich natürlichen Personen zu, welche die Staatsangehörigkeit der Mitgliedstaaten besitzen. S ist als spanischer Bürger Unionsbürger und damit persönlich begünstigt. C als Staatsbürger eines Drittstaates ist dagegen kein Berechtigter der Dienstleistungsfreiheit.

3. Da sich Dienstleistende nicht in anderen Mitgliedstaaten integrieren wollen, können Angehörige keine Rechte aus der Dienstleistungsfreiheit ableiten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Dienstleistende wollen sich im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Niedergelassenen nicht im Aufnahmemitgliedstaat integrieren, sondern sich dort nur vorübergehend aufhalten. Dennoch hat der EuGH Begleitrechte für die Familienangehörigen von Dienstleistungserbringern aus Art. 56 AEUV abgeleitet, soweit diese notwendig sind, um die Erbringung einer Dienstleistung zu ermöglichen. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur stark umstritten.

4. Vorliegend sind Begleitrechte für C notwendig, um S die Erbringung der Dienstleistung zu ermöglichen.

Ja, in der Tat!

Das Aufenthaltsrecht für Familienangehörige von Arbeitnehmern zeige exemplarisch, welche Bedeutung der Schutz des Familienlebens der Unionsbürger hat, die eine Grundfreiheit ausüben. Würde der Aufenthalt seines Ehegatten in seinem Herkunftsland untersagt, würde S nach Ansicht des EuGH möglicherweise von der Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit abgehalten. Diese Argumentation wird vielfach als konstruiert angesehen.

5. S kann sich nicht gegenüber Spanien auf Art. 56 AEUV berufen, da die Dienstleistungsfreiheit nicht für Inländer gilt.

Nein!

Es besteht zwar kein allgemeines Verbot der Beschränkung von Dienstleistungen, weshalb sich Inländer grundsätzlich gegenüber ihrem Heimatstaat darauf berufen können. Anders sieht das aber aus, wenn dennoch ein Auslandsbezug gegeben ist. S kann sich auch gegenüber Spanien als den Staat, in dem er ansässig ist, auf Art. 56 AEUV berufen, sofern die Leistungen gegenüber Leistungsempfängern erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Dies ist vorliegend der Fall. S kann sich aufgrund der Verweigerung des Aufenthaltsrechts seines Mannes daher gegenüber Spanien auf die Dienstleistungsfreiheit berufen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

11.7.2024, 01:14:53

Schreib das in der Klausur und der Korrektor sieht rot: "Es steht fest, dass die Trennung der Eheleute Carpenter sich nachteilig auf ihr Familienleben und damit auf die Bedingungen auswirken würde, unter denen Herr Carpenter eine Grundfreiheit wahrnimmt. Diese Freiheit könnte nämlich ihre volle Wirkung nicht entfalten, wenn Herr Carpenter von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten würde, die in seinem Herkunftsland für die Einreise und den Aufenthalt seines Ehegatten bestünden."


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