Ermessen: Beispiel 1 (§ 48 Abs. 1 VwVfG)

3. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A hat von der Baubehörde B eine Baugenehmigung erhalten. Als diese bestandskräftig wird, fängt A mit dem Hausbau an. Nun fällt B auf, dass die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Sachbearbeiter S fragt sich, ob B die Genehmigung zurücknehmen muss.

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Einordnung des Falls

Ermessen: Beispiel 1 (§ 48 Abs. 1 VwVfG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Verwaltung kann immer frei entscheiden, ob und wie sie handelt.

Nein!

Das Handeln der Verwaltung muss sich nach den bestehenden gesetzlichen Grundlagen richten (= Gesetzesbindung der Verwaltung). Ob und welche Rechtsfolge an das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts geknüpft ist, entscheidet sich also nach dem einschlägigen Gesetz. Es gibt Gesetze, nach denen die Verwaltung auf Rechtsfolgenseite einen gewissen Entscheidungsspielraum hat. Das kann z.B. bedeuten, dass sich die Behörde im Einzelfall dagegen entscheiden kann, eine Rechtsfolge eintreten zu lassen, obwohl der Tatbestand eines Gesetzes erfüllt ist. Zudem kann es auch die Möglichkeit geben, dass die Behörde zwischen mehreren Rechtsfolgen wählen kann.
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2. Ob B die Baugenehmigung zurücknehmen muss, richtet sich nach § 48 VwVfG.

Genau, so ist das!

Ob die Verwaltung eine bestimmte Rechtsfolge wählen muss, also zu einem bestimmten Handeln verpflichtet ist, richtet sich nach der tatbestandlich einschlägigen Rechtsgrundlage. Die Rücknahme von rechtswidrigen Verwaltungsakten richtet sich nach § 48 VwVfG. Gem. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG kann die Verwaltung einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen. Durch diese Formulierung wird deutlich, dass die Verwaltung nicht jeden rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen muss. Vielmehr soll die Verwaltung flexible Einzelfallentscheidungen treffen können, um den vielseitigen Lebenssachverhalten gerecht zu werden. B kann die Baugenehmigung zurücknehmen, kann sich aber auch dagegen entscheiden. Bei einer Rücknahme müssten die Einschränkungen der Absätze 2-4 beachtet werden, da es sich bei der Genehmigung um einen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG handelt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Praetor

Praetor

1.7.2022, 23:31:13

Die Frage-Antwort-Formulierung von muss zu kann ist auf jeden Fall verbesserungswürdig, das würde in der Subsumtion vermutlich angestrichen werden. Sonst aber eine schöne Ergänzung des AT-Stoffs!

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.7.2022, 12:54:55

Hallo Preator, danke für dein Feedback! Inwiefern findest du es verbesserungswürdig? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Praetor

Praetor

8.7.2022, 19:39:00

Es ist gefragt, ob er die Genehmigung zurücknehmen „Muss“, und ob §48 die richtige Norm ist, was die Antwort bejaht. Die Norm ist aber im Gegensatz zur gebundenen Rechtsfolge der Frageformulierung mit „kann“ eine Ermessensnorm. Das finde ich unsauber.

DAN

Daniel

16.7.2022, 16:13:53

Sehe es wie Praetor. Ein Fall in einem anderen Unterkapitel hatte eine Waffenerlaubnis zum Gegenstand. § 45 I WaffG würde sich m.E. anbieten, um die

gebundene Entscheidung

einer

Behörde

zur Rücknahme eines VA zu thematisierten.

MLENA

MLena

12.8.2022, 11:17:07

Ich sehe das anders, es ist ja bewusst die Formulierung gewählt "OB die

Behörde

die Genehmigung zurücknehmen muss" und genau das ist ja auch in 48 geregelt. Wenn da stehen würde "DASS die

Behörde

die Genehmigung zurücknehmen muss", wäre das natürlich falsch formuliert, denn sie muss eben nicht. Die Frage bezieht sich ja nur darauf, wo die Regelung zu finden ist und nicht darauf, was der Inhalt der Regelung ist


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