Ermessen: Beispiel 2 (Platzverweis)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A leitet eine Kundgebung in der niedersächsischen Gemeinde G. Störenfried S wirft Eier auf eine Rednerin. A ist der Meinung, die anwesende Polizeibeamte P sei nach § 17 Abs. 1 S. 1 NPOG dazu verpflichtet, S einen Platzverweis zu erteilen.

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Einordnung des Falls

Ermessen: Beispiel 2 (Platzverweis)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Tatbestand des § 17 Abs. 1 S. 1 NPOG ist erfüllt.

Ja!

Tatbestandlich erforderlich für einen polizeirechtlichen Platzverweis ist das Vorliegen einer Gefahr (vgl. auch § 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW , § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG Bln ). Gefahr ist eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird (vgl. § 2 Nr. 1 NPOG ). Die Öffentliche Sicherheit umfasst den Schutz der Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, den Schutz der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie den Schutz des Bestandes des Staates und sonstiger Träger der öffentlichen Gewalt, ihrer Einrichtungen und Veranstaltungen. S Verhalten beeinträchtigt bereits subjektive Rechte der Rednerin und wird dies mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch weiter tun.
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2. P ist verpflichtet, einen Platzverweis gegenüber S auszusprechen, wenn es sich hierbei um eine gebundene Entscheidung handelt.

Genau, so ist das!

Ist ein gesetzlicher Tatbestand erfüllt, muss die Verwaltung handeln, sofern die Norm eine zwingende Rechtsfolge enthält (= gebundene Entscheidung). Ist dies nicht der Fall, kann die Behörde eine Ermessensentscheidung im Rahmen des vorgegebenen Handlungsspielraums treffen. Im Gefahrenabwehrrecht sind Ermessensentscheidungen besonders üblich. Denn es kommt hier besonders auf die konkrete Einschätzung der Gefahrenlage durch die handelnde Behörde an. Ob P einschreiten muss oder nicht, richtet sich danach, ob § 17 Abs. 1 S. 1 NPOG der Gefahrenabwehrbehörde ein Ermessen einräumt.

3. Bei der Erteilung eines Platzverweises handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. P muss deswegen entsprechend handeln.

Nein, das trifft nicht zu!

Ist ein gesetzlicher Tatbestand erfüllt, muss die Verwaltung handeln, sofern die Norm eine zwingende Rechtsfolge enthält (= gebundene Entscheidung). Ob eine Rechtsfolge zwingend ist, erkennt man vor allem an der Formulierung der Norm. Handelt es sich um eine sog. „kann-Vorschrift“, besteht ein Ermessen der Behörde. P „kann“ zur Abwehr einer Gefahr einen Platzverweis erteilen (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 NPOG , § 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW , § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG Bln ). Es handelt sich gerade nicht um eine gebundene Entscheidung. P muss daher nicht allein deswegen handeln, weil der Tatbestand der Norm erfüllt ist. In bestimmten Konstellationen könnte P trotz des bestehenden Ermessens zum Eingreifen verpflichtet sein (sog. „Ermessensreduzierung auf Null“).
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