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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A meldet am 10.04.2020 eine Versammlung von 50 Personen gegen Corona-Beschränkungen für den 18.04.2020 an. Nach der BWCoronaVO sind Versammlungen verboten, die Erteilung einer Ausnahme vom Verbot steht im Ermessen der Behörde. Die Behörde verweist A pauschal auf das Verbot.

Einordnung des Falls

Corona: Milderes Mittel als Versammlungsverbot

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die von A geplante Versammlung ist vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) erfasst.

Ja, in der Tat!

Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen. Durch die geplante Versammlung des A sollten bestimmte Überzeugungen und Standpunkte über die Corona-Pandemie nach außen kundgemacht werden. Damit ist der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) eröffnet.

2. Die Nichterteilung bzw. Versagung einer Ausnahme vom in der VO vorgesehenen Versammlungsverbot stellt einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar.

Ja!

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit sind stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung auszulegen, die die Versammlungsfreiheit für das demokratische Gemeinwesen innehat. Eingriffe in Art. 8 Abs. 1 GG sind daher nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig. Die Nichterteilung bzw. Versagung der Ausnahme vom Versammlungsverbot der VO stellt einen eigenständigen Eingriff dar, weil damit eine endgültige Verwaltungsentscheidung über die Ausnahmemöglichkeit einhergeht.

3. Die verwaltungsgerichtliche Versagung einer Ausnahme ist bereits deshalb ungerechtfertigt, weil die BWCoronaVO die Ausübung der Versammlungsfreiheit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterwirft.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist problematisch, dass die Rechtsgrundlage in der BWCoronaVO die Ausübung der Versammlungsfreiheit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterwirft, denn Art. 8 Abs. 1 GG bestimmt ausdrücklich: Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis zu versammeln. Mit Blick auf den dadurch möglichen effektiven Schutz gleichwertiger Rechtsgüter (hier Leben und Gesundheit) dürfte dies gleichwohl - zumindest vorübergehend - zulässig sein. Das BVerfG hat die Frage im Eilverfahren (§ 32 BVerfGG) offen gelassen und die Klärung dieser schwierigen Rechtsfrage dem Hauptverfahren vorbehalten (RdNr. 23).

4. Bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die Erteilung oder Versagung einer Ausnahme muss die Behörde der Versammlungsfreiheit des A hinreichend Rechnung tragen.

Ja, in der Tat!

Dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit muss im Rahmen der Ermessensausübung hinreichend Rechnung getragen werden. BVerfG: Dies erfordere v.a. eine hinreichende Berücksichtigung der Einzelfallumstände (Teilnehmerzahl, Ort, Schutzmaßnahmen usw.). Pauschale Erwägungen, die jeder Versammlung entgegengehalten werden könnten, werden diesen Anforderungen nicht gerecht (RdNr. 23).

5. Der pauschale Hinweis auf das Versammlungsverbot stellt eine fehlerhafte Ermessensausübung seitens der Behörde dar, da die Versammlungsfreiheit des A nicht hinreichend berücksichtigt wurde.

Ja!

BVerfG: Die in der VO vorgesehene Möglichkeit der Ausnahmeerlaubnis liefe weitgehend leer, wenn der Behörde erlaubt wäre, die Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus pauschal als Begründung für die Nichtzulassung einer Versammlung anzuführen. Vor der Beschränkung der Versammlungsfreiheit müsse sich die Behörde um eine kooperative Lösung bemühen, z.B. indem über die Durchführung der Versammlung unter bestimmten Auflagen diskutiert wird. Hier habe die Behörde jedoch keine Überlegungen angestellt, um das Infektionsrisiko auf ein in Abwägung mit Art. 8 GG vertretbares Maß zu reduzieren (RdNr. 24ff.).

6. Ein starker Anstieg der Corona-Infektionszahlen befreit die Versammlungsbehörde von der Pflicht zur vollständigen Ermessensausübung.

Nein, das ist nicht der Fall!

BVerfG: Auch der starke Anstieg der Infektionszahlen befreie nicht davon, vor der Versagung einer Versammlung möglichst alle in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen und sich so um eine Lösung zu bemühen, die die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Ziel des Infektionsschutzes (staatliche Schutzpflicht für Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)) und der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) ermöglicht (RdNr. 27). Die Behörde wird somit verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BVerfG erneut über die von A angemeldete Versammlung zu entscheiden.

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