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Jurafuchs

Halter H fährt absolut ideal die Landstraße entlang, allerdings bricht ein schweres Gewitter samt Sturmböen hinein. Als eine Sturmböe einen Baumstamm auf die Straße weht, weicht H auf die Gegenfahrbahn aus und überfährt die Rennradfahrerin R.

Einordnung des Falls

Höhere Gewalt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R wurde bei Betrieb des von H gehaltenen Kfz geschädigt.

Genau, so ist das!

Nach § 7 Abs. 1 StVG haftet der (1) Halter eines Kfz für (2) Personen- oder Sachschäden, die (3) bei dem Betrieb des Kfz verursacht werden, (4) wenn die Haftung nicht ausgeschlossen ist. Kfz sind legaldefiniert als Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (§ 1 Abs. 2 StVG). Halter ist, wer das Fahrzeug für eigene Rechnung (nicht nur ganz vorübergehend) gebraucht und die Verfügungsgewalt darüber besitzt. R hat einen Personenschaden durch den Zusammenstoß mit dem Kfz erlitten, dessen Halter H ist. Es handelt sich um eine Gefährdungshaftung, sodass ein Verschulden nicht erforderlich ist.

2. Die Haftung ist ausgeschlossen, weil es sich um ein unabwendbares Ereignis handelt.

Nein, das trifft nicht zu!

Unabwendbar ist ein Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht zu vermeiden war. Leitbild ist der "Idealfahrer". Das unabwendbare Ereignis ist jedoch kein allgemeiner Ausschlussgrund der Halterhaftung mehr. Vielmehr wurde es durch den strengeren Ausschlussgrund der höheren Gewalt ersetzt (§ 7 Abs. 2 StVG). Das unabwendbare Ereignis wird nur noch im Verhältnis zu anderen Kfz-Haltern, -Führern und -Eigentümern relevant (§ 17 Abs. 3 StVG). Im Verhältnis zu Radfahrerin R kann eine Unanwendbarkeit nicht die Haftung des H ausschließen.

3. Die Haftung ist ausgeschlossen, weil es sich um höhere Gewalt handelt (§ 7 Abs. 2 StVG).

Nein!

Der Ausschlussgrund der höheren Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) erfordert ein unvorhersehbares und von außen kommendes außergewöhnliches Ereignis, das derart betriebsfremd ist, dass es kalkulatorisch nicht berücksichtigt werden kann und auch durch äußerste Sorgfalt unabwendbar ist. Es muss sich auch bei Naturereignissen um ein ganz ungewöhnliches Ereignis handeln. OLG Nürnberg: Dazu sei ein Gewitter, wenn auch begleitet von Sturmböen, nicht zu zählen. Landstraßen verliefen nun einmal im Freien und führten auch durch Waldgebiete. Sie seien Wind und Wetter ausgesetzt. Ereignisse wie ein Gewitter seien dem immanent.

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EVA

evanici

12.9.2023, 13:07:28

Und strenger ist das deswegen, weil der "Idealfahrer" nur äußerste Sorgfalt an den Tag legen musste, die bei höherer Gewalt nur ein TBM der Definition ist?

ASA

asanzseg

20.9.2023, 11:50:31

Also ich weiss ja nicht, aber dieser Fall scheint so ziemlich der 0815 Standard fall für höhere Gewalt zu sein. BeckOK: 151 Nach den vom RG und BGH entwickelten Konturen beruht auf höherer Gewalt ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht. Höhere Gewalt auszuschließen weil „ständig Bäume an Waldstraßen umfallen können wenn es heftig stürmt“ erscheint mir ehrlich gesagt wirklich sowas von daneben.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.9.2023, 16:46:17

Hallo asanzseg, Dein Unbehagen kann ich durchaus nachvollziehen. Letztlich muss man sich klarmachen, dass der Begriff der höheren Gewalt letztlich ein „wertender Begriff“ ist, der von der Rechtsprechung äußerst restriktiv eingesetzt wird. Lediglich die nicht mit dem Betrieb eines Kfz verbundenen, sondern ausschließlich einem Drittereignis zurechenbaren Risiken sollen hierdurch ausgeschlossen werden (vgl. BeckOGK/Walter, 1.1.2022, StVG § 7 Rn. 151). Die Rechtsprechung (in dem Fall das OLG Nürnberg) lässt es insofern nicht genügen, dass Naturkräfte an der Herbeiführung des Unfalls maßgeblich beteiligt waren. Vielmehr müssen diese "außergewöhnlich" sein. Daran hat das Gericht es im Originalfall scheitern lassen (s. zur fehlenden Außergewöhnlichkeit die Beispiele bei BeckOGK/Walter, 1.1.2022, StVG § 7 Rn. 151.2, vorhersehbare Witterungsereignisse bzw. Kollision mit Tieren oder anderen Verkehrsteilnehmern genügt regelmäßig nicht). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

30.3.2024, 19:12:16

Es ist doch vorhersehbar, dass bei Stürmen Teile der Vegetation auf die Straße fallen können. Das ist meines Erachtens eben kein Standardfall für höhere Gewalt.


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