Höhere Gewalt
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Halter H fährt absolut ideal die Landstraße entlang, allerdings bricht ein schweres Gewitter samt Sturmböen herein. Als eine Sturmböe einen Baumstamm auf die Straße weht, weicht H auf die Gegenfahrbahn aus und überfährt die Rennradfahrerin R.
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Einordnung des Falls
Höhere Gewalt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R wurde bei Betrieb des von H gehaltenen Kfz geschädigt.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Haftung ist ausgeschlossen, weil es sich um ein unabwendbares Ereignis handelt.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Haftung ist ausgeschlossen, weil es sich um höhere Gewalt handelt (§ 7 Abs. 2 StVG).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
evanici
12.9.2023, 13:07:28
Und strenger ist das deswegen, weil der "Idealfahrer" nur äußerste Sorgfalt an den Tag legen musste, die bei höherer Gewalt nur ein TBM der Definition ist?
asanzseg
20.9.2023, 11:50:31
Also ich weiss ja nicht, aber dieser Fall scheint so ziemlich der 0815 Standard fall für höhere Gewalt zu sein. BeckOK: 151 Nach den vom RG und BGH entwickelten Konturen beruht auf höherer Gewalt ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht. Höhere Gewalt auszuschließen weil „ständig Bäume an Waldstraßen umfallen können wenn es heftig stürmt“ erscheint mir ehrlich gesagt wirklich sowas von daneben.
Lukas_Mengestu
20.9.2023, 16:46:17
Hallo asanzseg, Dein Unbehagen kann ich durchaus nachvollziehen. Letztlich muss man sich klarmachen, dass der Begriff der höheren Gewalt letztlich ein „wertender Begriff“ ist, der von der Rechtsprechung äußerst restriktiv eingesetzt wird. Lediglich die nicht mit dem Betrieb eines Kfz verbundenen, sondern ausschließlich einem Drittereignis zurechenbaren Risiken sollen hierdurch ausgeschlossen werden (vgl. BeckOGK/Walter, 1.1.2022, StVG § 7 Rn. 151). Die Rechtsprechung (in dem Fall das OLG Nürnberg) lässt es insofern nicht genügen, dass Naturkräfte an der Herbeiführung des Unfalls maßgeblich beteiligt waren. Vielmehr müssen diese "außergewöhnlich" sein. Daran hat das Gericht es im Originalfall scheitern lassen (s. zur fehlenden Außergewöhnlichkeit die Beispiele bei BeckOGK/Walter, 1.1.2022, StVG § 7 Rn. 151.2, vorhersehbare Witterungsereignisse bzw. Kollision mit Tieren oder anderen Verkehrsteilnehmern genügt regelmäßig nicht). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dogu
30.3.2024, 19:12:16
Es ist doch vorhersehbar, dass bei Stürmen Teile der Vegetation auf die Straße fallen können. Das ist meines Erachtens eben kein
Standardfallfür höhere Gewalt.
Juraddicted
8.10.2024, 15:40:14
„Das unabwendbare Ereignis wird nur noch im Verhältnis zu anderen Kfz-Haltern, -Führern und -Eigentümern relevant (§ 17 Abs. 3 StVG).“ Bedeutet dies, dass zB ein „
unabwendbares Ereignis“ einen Autofahrer nur gegenüber Verletzungen bei einem entgegenkommenden Auto(halter) schützt/ befreit? Und nicht gegenüber einem Fußgänger/ Radfahrer? Gibt es dazu einen Grund? vielen Dank :)
Leo Lee
13.10.2024, 06:28:46
Hallo Juraddicted, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Du hast völlig Recht; früher stand im
7 StVGstatt höherer Gewalt ebendieser Begriff "
unabwendbares Ereignis". Da jedoch in 7 II StVG der Begriff geändert wurde, hat 17 III eben keine Bedeutung mehr hierfür, sondern nur für die Haftung unter den Verkehrsteilnehmern. Hier kann man sich dann auf die Befreiung bspw. berufen wie du schon völlig richtig angemerkt hast. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom BeckOGK, Walter § 1
7 StVGRn. 12 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Juraddicted
14.10.2024, 17:06:28
Vielen lieben Dank für Deine ausführliche Antwort :) Das erklärt es für mich. Liebe Grüße Für alle, das steht in der Fußnote: "Inhaltlich ist durch die Verschiebung des unabwendbaren Ereignisses in den Anwendungsbereich von § STVG § 17 keine Verschärfung oder Abmilderung der (strengen) Anforderungen eingetreten. Auf die Rspr. zu § STVG § 7 Abs. STVG § 7 Absatz 2 aF kann also zurückgegriffen werden."
Amelie7
31.10.2024, 12:47:00
Was wären denn dann Beispiele für die höhere Gewalt?
Leo Lee
3.11.2024, 07:28:21
Hallo Amelie7, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Fälle von höherer Gewalt sind extrem selten und sind deshalb in einer Klausur - außer wenn der Sachverhalt geradezu mit dem Zaunpfahl winkt - abgelehnt werden. Außeneinwirkungen, die außergewöhnlich und unabwendbar sind, sind etwa: Naturkatastrophen, wie etwa Überflutungen oder Blitzschläge oder Erdrutschen. Darüber hinaus sind auch vorsätzliche Gefährdungs- und Sabotageakte (Attentat, Autobahnbrückenwerfer...). Für eine umfassende Aufzählung der Beispiele kann ich i.Ü. die Lektüre vom Beck-GK-StVG, Walter § 7 Rn. 151.1 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Amelie7
5.11.2024, 11:29:26
Vielen Dank für die Antwort, in der Subsumtion zum OLG steht, dass ein Gewitter mit Sturmböen kein ganz ungewöhnliches Ereignis ist, mit Blitzschlag ist dann gemeint, dass der Blitz unmittelbar neben einem einschlagen muss und dieser reicht dann für die Ungewöhnlichkeit im Gegensatz zu einem Baum der auf die Straße fällt?
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