+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K, Inhaber des kleinen Waffenscheins und zum Führen von Schreckschusswaffen berechtigt, ist langjähriger Präsident des Motorradclubs M. Dessen Mitglieder sind gewaltbereit und einander unbedingt loyal. Wegen der Mitgliedschaft widerruft die Behörde K's Waffenschein. K klagt dagegen.
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Einordnung des Falls
Widerruf des Kleinen Waffenscheins wegen Zugehörigkeit zu gewaltbereiter Gruppe
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Rechtsgrundlage für den Widerruf des kleinen Waffenscheins ist der Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts (§ 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG).
Nein!
Das WaffG enthält für Rücknahme und Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse wie des kleinen Waffenscheins gegenüber §§ 48, 49 VwVfG spezielle Rechtsgrundlagen. Der - hier maßgebliche - Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse ist in § 45 Abs. 2 WaffG geregelt, die Rücknahme waffenrechtlicher Erlaubnisse in § 45 Abs. 1 WaffG. Darüber hinaus kennt das Waffengesetz spezielle Tatbestände für Waffenverbote (§ 41 WaffG) sowie für Annexmaßnahmen zu Rücknahme und Widerruf (§ 46 WaffG).
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2. Der Umgang mit Waffen oder Munition bedarf immer der Erlaubnis.
Nein, das ist nicht der Fall!
Das WaffG unterscheidet zwischen erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Waffen und Munition (vgl. §§ 2 Abs. 2, 41 Abs. 1 und 2 WaffG. Waffen und Munition sind in § 1 Abs. 1, 4 und Anlage 1 WaffG definiert. Anlage 2 Abschnitt 1 WaffG listet die verbotenen Waffen, Anlage 2 Abschnitt 2 die erlaubnispflichtigen Waffen sowie die Ausnahmen von der Erlaubnispflicht. Das Führen von und der Umgang mit Schreckschusswaffen ist erlaubnispflichtig (§§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 4 S. 4 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1 WaffG).
3. Eine Erlaubnis ist nach § 45 Abs. 2 WaffG zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen.
Ja, in der Tat!
§ 45 Abs. 2 WaffG knüpft an die Voraussetzungen für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse wie des kleinen Waffenscheins an. § 4 WaffG listet dabei die grundlegenden Voraussetzungen für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse auf. Zentrale Voraussetzung für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse ist die erforderliche Zuverlässigkeit (§§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, 5 WaffG). Fehlt eine der in § 4 Abs. 1 WaffG genannten Voraussetzungen und ist nicht von ihr befreit, ist die Erlaubnis zu versagen. Treten nach Erteilung der Erlaubnis Tatsachen ein, die zur Versagung hätten führen müssen, ist die Erlaubnis zu widerrufen.
4. Die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) muss auch für den Kleinen Waffenschein dauerhaft bestehen; ansonsten ist die Erlaubnis zu widerrufen (§ 45 Abs. 2 WaffG).
Ja!
Die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis setzt unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Die Zuverlässigkeit ist in § 5 WaffG geregelt. Sie ist auch Voraussetzung für die Erteilung des Kleinen Waffenscheins. Zwar wurden einzelne Erlaubnisvoraussetzungen für die Erteilung des Kleinen Waffenscheins gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschn. 2 Unterabsch. 3 Nr. 2 und 2.1 für entbehrlich erklärt, wie etwa der Sachkundenachweis (§ 7 WaffG). Die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG wurde jedoch nicht für entbehrlich erklärt.
5. Die erforderliche Zuverlässigkeit entfällt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person die Sorgfaltsanforderungen für den Umgang mit Waffen und Munition missachtet.
Genau, so ist das!
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzuverlässigkeit ist im Waffenrecht - anders als in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts, etwa des Gewerberechts (vgl. § 35 GewO) - im Katalog des § 5 Abs. 1, 2 WaffG definiert. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a)-c) WaffG besitzen Personen die für das Führen des kleinen Waffenscheines erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn bei ihnen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie bestimmte Sorgfaltsanforderungen für den Umgang mit Waffen und Munition missachten
6. Maßgeblich für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist die Prognose des künftigen Verhaltens, deren Maßstab dem Gesetzeszweck Rechnung zu tragen hat.
Ja, in der Tat!
Gesetzeszweck des § 5 WaffG ist die Risikominimierung der Gefahren des Waffenbesitzes als Ausdruck einer präventiven Gefahrenvorsorge. K ist nur zuverlässig im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wenn die tatsächlichen Umstände keinen vernünftigen Zweifel zulassen, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (RdNr. 6).
7. Für die Erteilung des kleinen Waffenscheins gelten geringere Anforderungen hinsichtlich der Zuverlässigkeitsprognose als für waffenrechtliche Befugnisse zum Führen anderer erlaubnispflichtiger Waffen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Die dargelegten Anforderungen an die Zuverlässigkeitsprognose gelten für alle Erlaubnisse nach dem WaffG (RdNr. 8). Hierfür spricht zunächst die Gesetzessystematik: Das Zuverlässigkeitserfordernis gilt einheitlich für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse (§ 4 Abs. 1 WaffG) und steht im Abschnitt "Allgemeine Voraussetzungen für Waffen- und Munitionserlaubnisse". Auch Rücknahme und Widerruf von Erlaubnissen sind einheitlich geregelt (§ 45 WaffG). Sinn und Zweck des Zuverlässigkeitserfordernisses ist die Minimierung von erheblichen Gefahren, die auch von Schreckschusswaffen ausgehen (RdNr. 8ff.).
8. K gilt als unzuverlässig, weil er dem Motorradclub angehört, dessen Mitglieder gewaltbereit und einander bedingungslos loyal sind.
Ja, in der Tat!
BVerwG: Zweifel, dass eine Person die Anforderungen an den Umgang mit Waffen und Munition dauerhaft ohne Einschränkungen beachten wird, können sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer gewaltaffinen organisierten Gruppe ergeben. Die Bereitschaft, unter bestimmten Umständen Gewalt auszuüben, muss ein prägendes Strukturmerkmal der Gruppe
darstellen. Hinzukommen muss, dass das einzelne Mitglied der Gruppe aufgrund freiwillig eingegangener Bindungen, etwa aufgrund einer Verpflichtung zur unbedingten Loyalität, typischerweise in die Gewaltausübung hineingezogen werden kann (RdNr. 7). Beides ist hier der Fall.
9. Der Widerruf ist unverhältnismäßig.
Nein!
Der Widerruf verfolgt das legitime Ziel, das erhebliche Risiko des Umgangs von K mit Waffen als Mitglied in einem gewaltaffinen Motorradclub zu minimieren. Er ist geeignet und erforderlich dieses Ziel zu erreichen. Er ist in Anbetracht des legitimen gesetzlichen Zwecks, das Risiko des Umgangs mit Waffen zu minimieren, sowie angesichts der betroffenen Rechtsgüter (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) auch angemessen. K wird durch den Widerruf auch nicht übermäßig belastet (RdNr. 11).