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Gesetzgebungsverfahren

Beschlussmehrheit - Ablehnung (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG; 42 Abs. 2 S. 1 GG)

Beschlussmehrheit - Ablehnung (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG; 42 Abs. 2 S. 1 GG)

12. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Im Bundestag sitzen 630 Abgeordnete. 91 Abgeordnete bringen fraktionsübergreifend einen Gesetzesvorschlag zur Einführung einer Corona-Impfpflicht ab 60 Jahren in den Bundestag ein. Bei der Abstimmung stimmen 296 Abgeordnete für die Gesetzesvorlage. Dagegen stimmen 320 Abgeordnete. 9 Abgeordnete enthalten sich.

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Einordnung des Falls

Beschlussmehrheit - Ablehnung (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG; 42 Abs. 2 S. 1 GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Gesetzesvorlage wurde von einem Initiativberechtigten im Sinne des Art. 76 Abs. 1 GG eingebracht.

Ja, in der Tat!

Gesetzesvorlagen können „aus der Mitte des Bundestages“ eingebracht werden (Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG). Das Grundgesetz sagt nicht, was unter „Mitte des Bundestages“ zu verstehen ist. Dieser Begriff wird durch § 76 Abs. 1 GO BT konkretisiert. Danach müssen Vorlagen von Mitgliedern des Bundestags (also insbesondere „Gesetzentwürfe“, vgl. § 75 Abs. 1 lit. a GO-BT) von einer Fraktion oder von fünf Prozent der Mitglieder des Bundestags unterzeichnet sein. Die Anzahl der Mitglieder des Bundestages ist in Art. 121 GG legaldefiniert und meint die gesetzliche Mitgliederzahl des BWahlG. Die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages beträgt in der aktuellen Wahlperiode 736 Abgeordnete (§ 1 Abs. 1 S. 1 BWahlG i.V.m. § 6 Abs. 5 S. 5, Abs. 6 S. 5, Abs. 7 S. 3 BWahlG). Fünf Prozent von 630 sind 32 Abgeordnete 91 Abgeordnete sind mehr als fünf Prozent der 630 Mitglieder des Bundestages.
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2. Die Gesetzesvorlage muss zuvor der Bundesregierung oder dem Bundesrat zugeleitet werden (Art. 76 Abs. 2-3 GG).

Nein!

Die Zuleitung an Bundesrat (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG) oder Bundesregierung (Art. 76 Abs. 3 S. 1 GG) sind nur bei Vorlagen der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG) und Bundesrat (Art. 76 Abs. 3 S. 1 GG) notwendig. Bei Vorlagen aus der Mitte des Bundestages ist kein Vorverfahren erforderlich. Die fraktionsübergreifende Gesetzesvorlage stammt aus der Mitte des Bundestages im Sinne des Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG. Ein Vorverfahren ist nach Art. 76 Abs. 2-3 GG nicht erforderlich.

3. Der erste Schritt im Hauptverfahren ist die Beteiligung des Bundesrates (Art. 77 Abs. 2-4 GG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Zunächst beschließt der Bundestag das Gesetz (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG). Der Bundestagspräsident leitet daraufhin das beschlossene Gesetz unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) dem Bundesrat zu (Art. 77 Abs. 1 S: 2 GG). Erst dann, also im zweiten Schritt, wird der Bundesrat beteiligt (Art. 77 Abs. 2-4 GG).

4. Der Bundestag ist beschlussfähig (§ 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 GO BT).

Ja, in der Tat!

Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist (§ 45 Abs. 1 GO-BT). Die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl von 630 (§ 1 Abs. 1 S. 1 BWahlG) sind 315 Abgeordnete. Die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages beträgt in der aktuellen Wahlperiode 736 Abgeordnete (§ 1 Abs. 1 S. 1 BWahlG i.V.m. § 6 Abs. 5 S. 5, Abs. 6 S. 5, Abs. 7 S. 3 BWahlG). Die Hälfte der aktuellen Mitgliederzahl von 630 Abgeordneten sind 315 Abgeordnete. Die zusammengerechnet 625 abgegebenen Stimmen lassen den Schluss zu, dass mindestens 625 Abgeordnete und somit mehr als 315 anwesend waren.Zum 14.6.2023 wurde die (Regel-) Mitgliederzahl von 598 auf 630 Abgeordnete angehoben. Im Gegenzug wurden Überhangmandate abgeschafft, die dazu geführt hatten, dass der Bundestag faktisch deutlich mehr Mitglieder hatte (20. Bundestag: 736).

5. Die Beschlussmehrheit ist im Grundgesetz nicht geregelt.

Nein!

Die Beschlussmehrheit wird nicht speziell für den Gesetzesbeschluss in den Art. 76-82 GG geregelt. Daher ist auf die allgemeine Vorschrift des Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG zurückzugreifen, die für sämtliche Beschlüsse des Bundestages gilt. Danach ist die erforderliche Beschlussmehrheit für ein Gesetz grundsätzlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 42 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GG).

6. Der Bundestag hat das Gesetz mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen (Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Zur Wirksamkeit des Beschlusses ist grundsätzlich die Mehrheit der abgegeben Stimmen erforderlich (Art. 42 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GG). Es wurden insgesamt 625 Stimmen abgegeben. Die Mehrheit von 625 Stimmen wären 313 Stimmen. Es wurden aber nur 296 Ja-Stimmen abgegeben. Allerdings gibt es auch Ausnahmen von der einfachen Abstimmungsmehrheit („soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt“, Art. 42 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GG). Die klausurrelevanteste Ausnahme ist der Beschluss verfassungsändernder Gesetze. Dafür ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags (also der gesetzlichen Mitgliederzahl, vgl. Art. 121 GG) vonnöten. Dies ist ein Fall der qualifizierten Mitgliedermehrheit.
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