Grundfall: Realhandeln

13. Juni 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Grundfall - Realhandeln: Mann R machte ein Plakat aufhängen, auf dem steht: Rightlingen Demo! Nicht hingehen!

Die Vereinigung „Rightlingen“ veranstaltet von Ausschreitungen geprägte Demos. Im Vorfeld jeder Demo hängt der Gemeinderat der niedersächsischen Gemeinde G Plakate auf, auf denen er vor den Demos warnt. Versammlungsleiter R will, dass G zukünftig keine Plakate mehr aufhängt.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Realhandeln

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Könnte R einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen die Gemeinde haben?

Ja!

Der vorbeugende (öffentlich-rechtliche) Unterlassungsanspruch ist einschlägig, wenn der Bürger gegen eine bevorstehende rechtswidrige Beeinträchtigung durch hoheitliches Realhandeln vorgehen will. Das Ziel besteht darin, die Beeinträchtigung abzuwehren, bevor sie entsteht. Der Gemeinderat handelt als Organ der Gemeinde G (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 NKomVG). Der öffentliche Aushang von Plakaten durch den Gemeinderat, die vor den von R (mit)organisierten Demos warnen, ist hoheitliches Realhandeln. Der erneute Aushang hat noch nicht begonnen, sondern steht bevor. In Betracht kommt ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen G.
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2. Hat der vorbeugende Unterlassungsanspruch einen komplett anderen Tatbestand, als der „schlichte“ Abwehranspruch?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch und der öffentlich-rechtliche (vorbeugende) Unterlassungsanspruch sind eng verwandt. Der maßgebliche Unterschied besteht darin, dass der Abwehranspruch eine bestehende Beeinträchtigung beenden soll und der vorbeugende Unterlassungsanspruch darauf gerichtet ist, dass eine erwartete Beeinträchtigung gar nicht erst eintritt. Es kann auch zu Überschneidungen der beiden Ansprüche kommen. Denn einem Anspruchsteller kommt es häufig sowohl darauf an, eine bestehende Maßnahme zu beenden, als auch eine zukünftige Wiederholung zu vermeiden. In Lehrbüchern wird wegen der inhaltlichen Nähe auch oft vom öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch gesprochen. Aus den genannten Gründen trennen wir die beiden Ansprüche jedoch.Für die Übersichtlichkeit bietet es sich an, zwischen den Anspruchsbegehren „Beendigung des bestehenden Zustands“ und „Unterlassung zukünftiger Handlungen“ zu unterscheiden. So machst Du deutlich, dass Du die Feinheiten im Blick hast. In den Prüfungspunkten, die sich überschneiden, kannst Du auf die vorherige Prüfung verweisen.

3. Besteht ine Besonderheit des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs darin, dass eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr vorgetragen werden muss?

Ja, in der Tat!

Im Rahmen des vorbeugenden Unterlassungsanspruch muss eine subjektive Rechtsverletzung durch hoheitliches Realhandeln noch nicht eingetreten sein. Es muss gerade kein andauernder Eingriff in die Rechte des Betroffenen vorliegen. Vielmehr muss der Anspruchsteller eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr geltend machen können. Eine Wiederholungsgefahr kommt in Betracht, wenn der Hoheitsträger bereits in der Vergangenheit die erwartete Maßnahme (oder eine vergleichbare Maßnahme) vorgenommen hat.Der Gemeinderat von G verbreitet im Vorfeld jeder „Rightlingen“-Demo die von R erwarteten Plakate. Eine Wiederholungsgefahr ist damit anzunehmen.
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