Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)

Wirkung des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts in der Insolvenz (§ 369 HGB, § 51 Nr. 3 InsO)

Wirkung des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts in der Insolvenz (§ 369 HGB, § 51 Nr. 3 InsO)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Papierdepot AG hält die in ihrem Besitz befindlichen Inhaberpapiere der Eigentümerin E-OHG wegen einer fälligen Forderung aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft zurück. Aufgrund der finanziellen Belastung der Coronakrise wird die E-OHG zahlungsunfähig und über ihr Vermögen wird das Insolvenzverfahren eröffnet.

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Einordnung des Falls

Wirkung des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts in der Insolvenz (§ 369 HGB, § 51 Nr. 3 InsO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Papierdepot AG könnte gegenüber der E-OHG ein Zurückbehaltungsrecht an den Wertpapieren aus § 369 Abs. 1 S. 1 HGB haben.

Ja!

Kaufleuten steht ein besonderes Zurückbehaltungsrecht zur Verfügung (§ 369 Abs. 1 S. 1 HGB). Voraussetzung für dieses ist eine (1) Kaufmannseigenschaft beider Beteiligter, (2) eine fällige Geldforderung aus beiderseitigem Handelsgeschäft und der (3) Besitz des Gläubigers an einer beweglichen Sache oder einem Wertpapier des Schuldners, den der Gläubiger (4) mit dem Willen des Schuldners aufgrund von Handelsgeschäften erlangt hat. Das Zurückbehaltungsrecht darf (5) nicht ausgeschlossen sein (§ 369 Abs. 3 HGB).
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2. Die E-OHG und die Papierdepot AG sind Kaufleute (§ 369 Abs. 1 S. 1 HGB).

Genau, so ist das!

Damit der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist, müssen Gläubiger und Schuldner im Zeitpunkt des Entstehens des Zurückbehaltungsrechts Kaufleute sein (§ 1-6 HGB). Personengesellschaften wie die OHG sind Handelsgesellschaften, wenn sie auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sind (§ 6 Abs. 1 HGB). Für die OHG ist dies Entstehungsvoraussetzung (§ 105 Abs. 1, § 161 Abs. 1 HGB). Die E-OHG ist damit Kaufmann. Kapitalgesellschaften wie die AG gelten kraft gesetzlicher Bestimmungen aufgrund ihrer Rechtsform als Handelsgesellschaften (§ 3 Abs. 1 AktG, § 6 Abs. 1 HGB). Die P-AG ist Form-Kaufmann.

3. Die Papierdepot AG hat mit Willen der E-OHG Besitz an einer beweglichen Sache oder einem Wertpapier der E-OHG (§ 369 Abs. 1 S. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht kann nur an beweglichen Sachen und Wertpapieren des Schuldners (§ 369 Abs. 1 S. 1 HGB) bestehen, denn es setzt selbstständig nach § 371 HGB verwertbaren Gegenständen voraus. Wertpapiere (§ 369 Abs. 1 S. 1 HGB), die zurückbehalten werden können, sind daher zwar Inhaber- und Orderpapiere, nicht aber Rektapapiere (Namenspapiere). Diese legitimieren nur eine dort namentlich genannte Person und sind nicht umlauffähig. Der Gläubiger muss mit Willen des Schuldners Besitzer des im Eigentum des Schuldners stehenden Gegenstands sein (§ 369 Ab. 1 S. 1 HGB). Die im Eigentum der E-OHG stehenden Inhaberpapiere sind zulässiger Gegenstand des Zurückbehaltungsrechts. Sie sind und sind mit Willen der E-OHG in den Besitz der P-AG gelangt.

4. Die Wertpapiere sind Teil der Insolvenzmasse der E-OHG (§ 35 Abs. 1 InsO). Die Papierdepot AG muss sie dem Insolvenzverwalter herausgeben und ist auf die Quote angewiesen.

Nein!

Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht berechtigt in der Insolvenz des Schuldners zur abgesonderten Befriedigung aus dem Gegenstand (§§ 51 Nr. 3, 50 Abs. 1 InsO). Die Entstehungsvoraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts (mit Ausnahme der Fälligkeit, § 41 InsO) müssen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt sein. Die Verwertung der Gegenstände erfolgt wegen des fehlenden Besitzes des Insolvenzverwalters durch den Gläubiger selbst (§ 173 Abs. 1 InsO). Die Voraussetzungen des § 369 Abs. 1 S. 1 HGB liegen vor. die P-AG hat ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an den Wertpapieren. Sie von ihrem Befriedigungsrecht Gebrauch machen (§ 371 HGB). Ein Absonderungsrecht wird beim allgemeinen Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) nicht begründet.
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