Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit IV: Präklusion
Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO (Einführungsfall)
Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO (Einführungsfall)
26. Januar 2025
6 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der verteidigte Angeklagte A wird unzulässigerweise wegen Störung der Ordnung aus der Verhandlung entfernt (§ 177 GVG, § 231b GVG). Er verlässt den Saal murrend, aber ohne sich beim Gericht zu beschweren. A wird verurteilt.
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Einordnung des Falls
Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO (Einführungsfall)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da A rechtswidrigerweise aus der Sitzung entfernt wurde, liegt ein Verfahrensfehler vor (§ 337 StPO).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Um in der Revision gegen die Entfernung vorgehen zu können, musste A aber nach der sogenannten Widerspruchslösung des BGH im Prozess Widerspruch gegen sie erheben.
Nein!
3. Handelt es sich um eine auf die Sachleitung bezogene Anordnung des Vorsitzenden, muss der Angeklagte für eine erfolgreiche Revision den Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO eingelegt haben.
Genau, so ist das!
4. § 238 Abs. 2 StPO soll die Prozessökonomie weitestgehend fördern. Ist der Begriff der „auf die Sachleitung bezüglichen Anordnungen“ im Hinblick auf diesen Regelungszweck sehr eng zu definieren?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Nach § 238 Abs. 2 StPO soll grundsätzlich zunächst das Gericht entscheiden, wenn ein Verfahrensbeteiligter eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung rügt. Ist dies immer (ausnahmslos) erforderlich, um den Fehler später in der Revision erfolgreich rügen zu können?
Nein!
6. Hier greift kein Ausnahmetatbestand. Musste A also den Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO einlegen, damit er erfolgreich in Revision gehen kann?
Genau, so ist das!
7. A hätte die Verletzung seines Anwesenheitsrechts nach § 238 Abs. 2 StPO beanstanden müssen. Muss diese Beanstandung immer ausdrücklich erfolgen?
Nein, das trifft nicht zu!
8. A müsste die Verletzung seines Anwesenheitsrecht zumindest konkludent gerügt haben. Hat er dies durch sein Verhalten getan?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
moee44
31.8.2024, 22:43:41
In der Subsumtion zu 6. heißt es "der Vorsitzende war auch zuständig (§ 177 S. 2 GVG)". Der Vorsitzende war aber wegen § 177 S. 2 letzter Hs. GVG nicht zuständig. Der Angeklagte ist eine an der Verhandlung beteiligte Person ("Beschuldigte" in S. 1), sodass über seinen Ausschluss aus der Hauptverhandlung das volle Gericht entscheiden muss. Damit dürfte in diesem Fall auch eine Beanstandung nach §
238 II StPOnicht erforderlich sein, sodass durch die unterlassene Beanstandung keine
Rügepräklusioneintritt. (vgl. BGH NStZ, 2012, 585 Rn. 9: "Bedarf aber eine Maßnahme in der Hauptverhandlung von vornherein eines Gerichtsbeschlusses, so ist schon der Anwendungsbereich des § 238 I StPO nicht eröffnet und es besteht demgemäß kein Anlass für ein Verfahren nach §
238 II StPO. Dieses kann damit auch nicht Voraussetzung einer zulässigen Rüge im Revisionsverfahren sein [...]." oder auch BGH NStZ 2020, 94 Rn. 13.) Über Feedback hierzu wäre ich sehr dankbar, vllt. übersehe ich ja etwas, auch dann mich gerne wissen lassen.
unstoppable
4.9.2024, 10:48:15
Ich sehe das wie du. Das ergibt sich i.Ü. auch aus § 231b Abs. 1 S. 1 StPO, wonach es eines Beschlusses bedarf, um den Angeklagten wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungssaal entfernen zu können.
Nocebo
12.11.2024, 18:00:58
Sehe ich genauso. Ich gehe gerade die neuen Aufgaben in der StPO durch und muss leider feststellen, dass viele an solchen gravierenden Mängeln leiden. Die Lösung ist hier in dem entscheidenden Punkt falsch, das käme einem in der Klausur teuer zu stehen (weiß ich leider aus eigener Erfahrung...).
Marco
28.12.2024, 16:00:11
@[moee44](254797) ich stimme grundsätzlich zu, der Aufgabentext ist hier mehr als irreführend. Ich glaube aber (so ist wohl das Bild der Aufgabe zu verstehen), dass die Richterin hier allein als
Strafrichterin entscheidet. Auch In diesem Fall soll §
238 II StPOAnwendung finden, auch wenn sie allein durch Beschluss entscheidet, vgl. Beule/Swoboda Strafprozessrecht, Rn. 573 und OLG Düsseldorf StV 1996, 252. Insofern ist die Aufgabe nicht falsch, man könnte dieses Missverständnis aber definitiv durch die Aufgabenstellung darstellen.
Niro95
23.1.2025, 08:33:26
Das hier muss dringend korrigiert werden, geht wirklich nicht, dass das seit 144 Tagen (inklusive falscher Norm im Aufgabentext) sich niemand anschaut
vulpes iuris
7.11.2024, 12:20:20
Im Aufgabentext wird fälschlich auf § 231b GVG verwiesen.