Schranken, Art. 5 Abs. 3 GG

23. November 2024

4,8(3.454 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der 1933 emigrierte Schriftsteller K schildert in seinem Roman "Mephisto" Aufstieg und Karriere des opportunistischen Schauspielers Hendrik H. in Nazideutschland. Vorlage war der echte Schauspieler Gustaf G., den K kannte. Dessen Alleinerbe erwirkt ein Verbot gegen Verleger V, "Mephisto" zu veröffentlichen.

Diesen Fall lösen 62,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Schranken, Art. 5 Abs. 3 GG

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) unterliegt den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG.

Nein!

Die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist nach Wortlaut, Systematik und Telos vorbehaltlos gewährleistet. Einer „Schrankenleihe“ - also der Übertragung der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG - hat das BVerfG im Mephisto-Beschluss eine Absage erteilt. Dagegen spricht die eindeutige systematische Stellung der Kunstfreiheit nach den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG. Gleiches gilt für eine Übertragung der Schrankentrias der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, da diese gegenüber den speziellen Freiheitsrechten subsidiär ist. Du beweist Übersicht, wenn Du diese seit langem geklärte Problematik der „Schrankenleihe“ bei Art. 5 Abs. 3 GG in der Klausur - so wie hier ausgeführt - ganz knapp im Urteilsstil abhandelst.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Bei Literatur oder Schauspiel können einzelne Teile der Erzählung herausgelöst und als Meinungsäußerungen qualifiziert werden. Sie unterfallen dem Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach Systematik, Historie und Telos ist die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) lex specialis gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). Sie ist kein Unterfall der Meinungsäußerungsfreiheit. Ein künstliches Aufspalten von Kunstwerken in Einzelbestandteile, die der Meinungsfreiheit unterfielen, verbietet sich. Das BVerfG führt für die vorbehaltlose Gewährleistung der Kunstfreiheit gerade auch die Erfahrungen aus der NS-Zeit an, in der „Kunst und Künstler in die völlige Abhängigkeit politisch-ideologischer Zielsetzungen versetzt oder zum Verstummen gebracht“ worden waren. Auch dies hatte den Verfassungsgeber veranlasst, die „Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit“ der Kunstfreiheit besonders zu garantieren.

3. Als vorbehaltslos gewährtes Grundrecht kann die Kunstfreiheit nicht eingeschränkt werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Grundrechte des GG gelten - mit Ausnahme der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) - nicht absolut, sondern können im Einzelfall eingeschränkt werden. Grundrechte mit einfachem oder qualifizierten Gesetzesvorbehalt können unter dessen jeweiligen Voraussetzungen eingeschränkt werden. Vorbehaltlos gewährte Grundrechte - wie die Kunstfreiheit - unterliegen (nur) den verfassungsimmanenten Schranken kollidierenden Verfassungsrechts. Sie sind mit kollidierenden Verfassungsgütern - also mit Grundrechten Dritter sowie sonstigen Verfassungswerten - in möglichst schonenden Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz). Die differenzierte Schrankensystematik des GG ist keine Selbstverständlichkeit. Die Europäische Grundrechtecharta (GRCh) unterwirft alle EU-Grundrechte einem einheitlichen Gesetzesvorbehalt (Art. 52 Abs. 1 GRCh). Für den Erfolg Deiner Klausur ist es zentral, dass Du die Schranke des einschlägigen Grundrechts zutreffend identifizierst, weil dies erhebliche Auswirkungen auf die Rechtfertigung von Eingriffen hat.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kai

Kai

5.11.2024, 20:01:42

In Frage 2 heißt es: Bei Literatur oder Schauspiel können einzelne Teile der Erzählung herausgelöst und als Meinungsäußerungen qualifiziert werden. Sie unterfallen dem Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG. Als richtig wird mir hier "Stimmt nicht" angezeigt. Einzelne Teile von Literatur und Schauspiel können aber doch, sofern sie eine Meinungsäußerung enthalten, zusätzlich durch die Meinungsfreiheit geschützt sein und dann auch dem entsprechenden Schrankenvorbehalt unterfallen, oder? Oder geht es in dieser Frage vielmehr darum, deutlich zu machen, dass die Kunstfreiheit kein Unterfall der Meinungsfreiheit, sondern ein eigenes Grundrecht ist und daher keine "Qualifikation" stattfindet?

AME

Amelie7

14.11.2024, 12:57:25

Ist die Problematik der Schranken

leihe

auch bei anderen Freiheitsrechten zu erörtern? Wenn ja, bei welchen?


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen