Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 2 BGB) --> analogiefähig?

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hänsel und Gretel leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Nun wollen sie sich scheiden lassen. Hänsel hat während der Ehe keinen Zugewinn. Gretel hatte bei Eheschließung kein Vermögen. Bei Scheidung hat sie neben einem Lottogewinn (€1.000.000) noch €40.000 in ihrem Vermögen.

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Einordnung des Falls

Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 2 BGB) --> analogiefähig?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Gretel ist Hänsel zum Zugewinnausgleich verpflichtet, wenn ihr Endvermögen höher ist als ihr Anfangsvermögen.

Genau, so ist das!

Für die Berechnung des Zugewinns sind der Wert des Vermögens am Endstichtag (Endvermögen) und am Anfangsstichtag (Anfangsvermögen) miteinander zu vergleichen. Der Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen wertmäßig das Anfangsvermögen übersteigt, § 1373 BGB. Ist der Zugewinn eines Ehegatten höher als der des anderen, steht dem mit dem niedrigeren Zugewinn eine Ausgleichsforderung in Höhe der Hälfte des Zugewinnüberschusses zu, § 1378 Abs. 1 BGB. Gretel hatte zunächst ein Anfangsvermögen von Null und am Ende €1.040.000. Fraglich ist aber, ob es für den Zugewinnausgleich relevant ist, dass sie eine Million durch einen Lottogewinn hinzugewonnen hat.
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2. Der Lottogewinn ist eine Schenkung i.S.d. § 1374 Abs. 2 BGB und muss deshalb zum Anfangsvermögen hinzugerechnet werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Vermögen, dass ein Ehegatte durch Schenkung erwirbt, wird zum Anfangsvermögen gerechnet (§ 1374 Abs. 2 Alt. 3 BGB). . Eine Schenkung ist eine freiwillige und unentgeltliche Zuwendung von Vermögen durch eine Person an eine andere. Eine Schenkung ist eine freiwillige und unentgeltliche Zuwendung. Ein Lottogewinn hingegen ist ein Glücksfall, der aus einem vertraglichen Verhältnis zwischen dem Spieler und der Lotteriegesellschaft resultiert. Der Gewinn ist eine vertraglich vereinbarte Auszahlung für den Fall, dass der Spieler die richtigen Zahlen getippt hat. Ein Lottogewinn ist mithin keine Schenkung.Hintergrund der Regelung des § 1374 Abs. 2 BGB: Eine Schenkung ist nicht das Ergebnis gemeinsamer Lebensleistung der Ehegatten. Sie soll deshalb nicht den ausgleichspflichtigen Zugewinn eines Ehegatten erhöhen und deshalb dem Anfangsvermögen zugerechnet.

3. Lässt sich § 1374 Abs. 2 BGB analog auf Lottogewinne anwenden?

Nein!

Eine Analogie setzt (1) eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage voraus. Nach h.M. ist § 1374 Abs. 2 BGB abschließend. Denn die Tatbestände des § 1374 Abs. 2 BGB sind scharf konturiert und wurden (nach h.M.) vom Gesetzgeber bewusst so starr gefasst. Die Norm ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Eine analoge Anwendung auf andere Erwerbsvorgänge, zu dessen Erlangung der Ehegatte selbst nichts beigetragen hat, ist somit schon mangels planwidriger Regelungslücke nicht möglich. Der Lottogewinn von Gretel gehört somit nicht zum privilegierten Vermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB. Er ist mithin nur ihrem Endvermögen zuzurechnen. Gretel hatte somit einen Zugewinn von €1.040.000. Hänsel hat entsprechend gegen Gretel nach § 1378 Abs. 1 BGB einen Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. €520.000.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW

FW

22.8.2024, 17:34:38

Moin Könnte man dann nicht einfach mit dem jeweiligen Lottospielunternehmen einen Erlass vereinbaren, unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 I), dass ein wirksamer Schenkungsvertrag vereinbart wird und dabei etwas weniger als den ursprünglich geschuldeten Betrag ( sagen wir mal 900.990.00 Euro statt 1 Millionen) als geschuldete Zuwendung festlegen. Dann würde es ja rein theoretisch zum Privilegierten Vermögen zählen und bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Würde mich sehr interessieren, ob das in der Praxis durchgehen würde oder ob das als ein Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB angesehen werden würde 😁


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