Öffentliches Recht
Staatsorganisations-Recht
Wahlen und Wahlrechtsgrundsätze
Posten eines Selfies in Wahlkabine zulässig?
Posten eines Selfies in Wahlkabine zulässig?
6. Juli 2025
4 Kommentare
4,8 ★ (12.984 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Influencerin I macht in der Wahlkabine ein Selfie von sich und ihrem ausgefüllten Wahlzettel und postet dieses auf Instagram. Fotografieren in der Wahlkabine ist nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Bundeswahlordnung nicht untersagt.
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Einordnung des Falls
Posten eines Selfies in Wahlkabine zulässig?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach h.M. bedeutet das Recht zur geheimen Wahl während der Stimmabgabe gleichzeitig die Pflicht, die Stimme geheim abzugeben.
Ja!
2. Nach einer Gegenansicht muss eine Person, die ihre Wahlentscheidung freiwillig offenbart, nicht geschützt werden.
Genau, so ist das!
3. Die spätere Veröffentlichung des Selfies könnte allerdings andere Wähler beeinflussen.
Ja, in der Tat!
4. Schon durch das Posten des Selfies aus der Wahlkabine hat I unzulässig Druck auf andere Wählende ausgeübt.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
SM2206
11.2.2025, 19:19:23
Liebes Jurafuchs-Team, ihr macht zwar allgemein eine tolle und sehr hilfreiche App, vielen Dank dafür. V.a. im öffentlichen Recht muss ich aber immer wieder feststellen, dass eine dogmatische Einordnung teilweise komplett fehlt. Das macht eure Ausführungen dann nur bedingt verständlich. Am hiesigen Bsp.: Ihr schreibt, es sei umstritten, ob der Grundsatz der
Geheimheit der Wahleine Pflicht bedeutet, die Stimme geheim abzugeben. Dann führt ihr die Argumente der h.M. und der Gegenansicht aus. Es wird aber weder deutlich, wie so etwas in einer Klausur abgefragt werden könnte, noch wo das dann zu verorten wäre. Wenn ihr dann in der Argumentation plötzlich die Meinungsfreiheit rausholt, obwohl es doch gerade um den
Geheimheitsgrundsatz geht, wird das Ganze völlig verwirrend. Ist die bestrittene, aber von der h.M. angenommene Pflicht, die Stimmabgabe geheim zu halten, das Ergebnis eines Abwägungsvorgangs im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, oder ist damit gemeint, dass ein Gesetz, das etwa das Fotografieren in der Wahlkabine verbietet, schon gar keine Beeinträchtigung des
Geheimheitsgrundsatzes beinhaltet, weil dieser selbst schon eine Geheimhaltungspflicht enthält, das Gesetz also bloß die verfassungsrechtliche Lage konkretisiert? In welchen Fällen würde das überhaupt relevant werden? Ich nehme an, relevant könnte das v.a. im Rahmen einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde oder einem Normenkontrollverfahren werden. Auch diesbezüglich fehlen aber Ausführungen. Dass die sicher richtigen Ergebnisse nicht wirklich dogmatisch eingeordnet werden, passiert öfters im öffentlichen Recht, hier habe ich es aber als ganz extrem empfunden. Vielleicht stehe ich auch einfach nur auf dem Schlauch. In diesem Fall lasse ich mich natürlich gerne eines Besseren belehren. LG

BGB OK
29.4.2025, 18:39:53
Ich würde hier das schlagende Argument darin sehen, dass durch das Verbot der Fotografie und sonstiger Aufzeichnungen sichergestellt ist, dass nicht ein Dritter, der den Wähler gezwungen hat eine bestimmte Wahl zu treffen, in die Position gerät unter vermeintlicher freiwilliger Zurschaustellung des Wählers prüfen zu können, ob dieser sich an die Vereinbarung gehalten habe? Dann wären weniger andere in ihrer Schutzwürdigkeit von Interesse, sondern immer der Wähler, der gerade die Veröffentlichung vornimmt. Kann man das so stehen lassen oder entgeht mir dabei was?

Sebastian Schmitt
30.5.2025, 11:36:38
Hallo @[BGB OK](284560), das ist sicherlich ein Argument, das sich hören und zumindest unterstützend heranziehen lässt. Um hier aber mal den "Bösen" zu spielen: Was würde ein cleverer Täter vielleicht tun, wenn er in Deinem Beispiel derjenige ist, der den Zwang ausübt, und trotz des Fotografierverbots die Wahl"entscheidung" seines Opfers überprüfen will? Er zwingt es zur Briefwahl. Da kann er beim Ankreuzen nämlich sogar über die Schulter schauen und den Brief anschließend selbst bei der Post abgeben. Das entwertet Dein Argument natürlich nicht (völlig), zeigt aber, dass wir auch mit einem Fotografierverbot natürlich keinen umfassenden Schutz des Opfers vor der Nachprüfbarkeit seiner Wahlentscheidung erreichen können. IRd Verhältnismäßigkeitsprüfung des Fotografierverbots wäre das sicherlich zu berücksichtigen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

BGB OK
30.5.2025, 14:48:51
Danke für die Antwort! Ich sehe ein, dass das als Auslegung des Gesetzgeberwillens zumindest nicht komplett stichhaltig ist. Wenngleich ich persönlich, mitunter aus diesem Grund, auch kein Unterstützer der (inflationären) Briefwahl bin. :D