+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Aufgrund einer Verordnung vergibt das Ministerium M Förderungen für die Ausbildung von Assistenzhunden. In der Verordnung steht, dass Förderungen widerrufen werden können, wenn Nachweise über die Verwendung der Gelder nicht rechtzeitig erbracht werden.
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Einordnung des Falls
Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs: § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 (Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat einen rechtmäßigen Förderbescheid erhalten. Ist dieser ein begünstigender Verwaltungsakt?
Ja!
Die Merkmale eines Verwaltungsakts ergeben sich aus § 35 S. 1 VwVfG. Ein Verwaltungsakt ist begünstigend, wenn er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (Legaldefinition, § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Durch den Förderbescheid (= Verwaltungsakt) wird das Recht des A begründet, die Fördergelder zu erhalten. Es handelt sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Die Frage, ob ein Verwaltungsakt begünstigend oder belastend ist, ist entscheidend dafür, welche Voraussetzungen an die Aufhebung eines Verwaltungsakt gestellt werden (siehe §§ 48, 49 VwVfG).
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2. Wenn A die erforderlichen Nachweise nicht rechtzeitig erbringt, kann M den Bescheid gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG zurücknehmen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Ob es sich bei der Aufhebung eines Verwaltungsakts um eine Rücknahme (§ 48 VwVfG) oder einen Widerruf (§ 49 VwVfG) handelt, richtet sich danach, ob der aufzuhebende Verwaltungsakt rechtmäßig ergangen ist oder nicht. Die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts richtet sich nach § 49 VwVfG (Widerruf). As Förderbescheid ist ein rechtmäßiger, begünstigender Verwaltungsakt. Er kann daher nur nach Maßgabe des § 49 Abs. 2 VwVfG widerrufen werden. Die weiteren Widerrufsgründe für Geldleistungen aus § 49 Abs. 3 VwVfG liegen hier nicht vor. Mit ihnen wollen wir uns an einer anderen Stelle vertieft beschäftigen.
3. Der Widerruf ist hier durch Rechtsvorschrift zugelassen (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG).
Ja, in der Tat!
Im Falle eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ist das Interesse des Adressaten am Fortbestand des Verwaltungsakts besonders schutzwürdig. Der Widerruf ist daher – im Gegensatz zur Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts – nur in den begrenzten Fällen aus § 49 Abs. 2 VwVfG möglich. Denn grundsätzlich muss der Adressat eines rechtmäßigen Verwaltungsakts erst einmal nicht damit rechnen, dass dieser nachträglich beseitigt wird. Wenn der Widerruf allerdings z.B. durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen ist (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG), so muss der Adressat mit dem Widerruf rechnen, sofern er die normierten Voraussetzungen für den Widerruf erfüllt. Sein Vertrauen in den Fortbestand der Begünstigung ist damit also weniger schutzwürdig. „Rechtsvorschrift“ im Sinne der Vorschrift kann ein formelles Gesetz, eine Rechtsverordnung sowie eine Satzung sein. Die Verordnung sieht vor, dass der Bescheid widerrufen werden kann, wenn die Nachweise nicht rechtzeitig erbracht werden.
4. Erbringt A die erforderlichen Nachweise nicht, muss das Ministerium den Förderbescheid widerrufen.
Nein!
§ 49 Abs. 2 VwVfG ist eine sog. Ermessensvorschrift. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, so kann die Behörde auf Rechtsfolgenseite nach pflichtgemäßen Ermessen darüber entscheiden, ob sie einen Widerrufsbescheid (= Verwaltungsakt) erlässt. Hierbei sind vor allem Aspekte des Vertrauensschutzes sowie der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Erbringt A die erforderlichen Nachweise nicht, hat M die Möglichkeit, einen Widerrufsbescheid nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG zu erlassen. Beim Erlass muss M das eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausüben (§ 40 VwVfG). Eine Pflicht des Ministeriums, den Förderbescheid zu widerrufen, käme nur in Betracht, wenn das Ermessen des Ministeriums auf null reduziert wäre. Siehe dazu unsere Lerneinheit zum Ermessen in diesem Kurs.