Öffentliches Recht

Grundrechte

Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)

Begriff der Religion und Weltanschauung: Negativbeispiel ("Kirche des fliegenden Spaghettimonsters")

Begriff der Religion und Weltanschauung: Negativbeispiel ("Kirche des fliegenden Spaghettimonsters")

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“ e.V. (KFM) stellt in T-Stadt Hinweistafeln für ihre „Nudelmessen“ auf. In ihrer Satzung verweist KFM auf ihren rein künstlerisch-satirischen Charakter. T untersagt die Schilder: Die KFM sei weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft.

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Einordnung des Falls

Begriff der Religion und Weltanschauung: Negativbeispiel ("Kirche des fliegenden Spaghettimonsters")

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Verein kann sich nur auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen, wenn seiner Tätigkeit sowohl eine Religion als auch eine Weltanschauung zugrunde liegt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Religion und Weltanschauung aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbindet, dass sie eine „mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens“ verkörpern. Dabei stehen die Grundrechte jedoch in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander, das heißt, sie können nicht beide gleichzeitig einschlägig sein. Allerdings sieht Art. 4 GG denselben Schutzumfang für sowohl für religiöse als auch für weltanschauliche Bekenntnisse vor. In der Sache macht es daher keinen Unterschied, welche Schutzbereichsalternative eröffnet ist. Ein Verein kann sich somit auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen, wenn seiner Tätigkeit entweder eine Religion oder eine Weltanschauung zugrunde liegt. Die Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften folgt insbesondere aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 7 Weimarer Reichsverfassung (WRV).
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2. Um den Schutz der Glaubensfreiheit zu genießen, reicht es bereits, dass die KFM sich selbst als „Kirche“ bezeichnet.

Nein, das trifft nicht zu!

Glaube im Sinne von Art. 4 Abs. 1 GG bedeutet die religiöse Überzeugung von der Stellung des Menschen in der Welt und seiner Beziehung zu höheren Mächten. Der Religion eigen ist somit ihr Transzendentalbezug, worunter im Wesentlichen die Befassung mit einer Gottesfrage zu verstehen ist. Voraussetzung ist somit eine inhaltliche Auseinandersetzung. Alleinig die Bezeichnung als Kirche reicht nicht dafür aus, dass die KFM den Schutz der Glaubensfreiheit genießen kann. Vielmehr ist ein inhaltlicher Transzendentalbezug, sprich eine inhaltliche Auseinandersetzung notwendig.

3. Die KFM ist über ihre Bezeichnung hinausgehend aufgrund ihres Inhalts eine von Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religion.

Nein!

Der Religion eigen ist ihr Transzendentalbezug, also die inhaltliche Befassung mit einer Gottesfrage. Der Vereinssatzung der KFM lässt sich über die Selbstbezeichnung als „Kirche“ hinaus keine Verbundenheit mit einer Gottheit entnehmen. Vielmehr wird der Charakter der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“ dort lediglich als rein künstlerisch-satirischer Natur beschrieben. Es handelt sich bei der KFM somit nicht um eine von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Religion.

4. Die KFM unterfällt sodann aber zumindest dem Begriff der Weltanschauung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Weltanschauung kennzeichnet im Unterschied zum Glauben eine areligiöse oder atheistische Sinndeutung der Welt. Eine Weltanschauung weist in der Regel keine außerweltlichen oder überirdischen Bezüge auf. Der KFM geht es in erster Linie darum, Religionen mit satirisch-parodistischen Mitteln infrage zu stellen. Der Charakter des Vereins ist rein künstlerisch-satirischer Natur. Darin liegt jedoch noch keine Pflege einer gemeinsamen Weltanschauung, sprich einer geschlossenen areligiösen Sinndeutung der Welt. Die KFM unterfällt somit nicht dem Begriff der Weltanschauung.

5. KFM ist angesichts ihres rein künstlerisch-satirischen Charakters eine Religionsparodie. Ist ihre Tätigkeit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützt?

Nein, das trifft nicht zu!

Um eine Religionsparodie handelt es sich, wenn die Gruppierung keinen ernsthaft glaubensgeleiteten Bezug erkennen lässt. Vielmehr beschränkt sich eine Religionsparodie auf die satirische oder humoristische Auseinandersetzung mit Dogmen, Gebeten oder Werken bekannter (Welt-)Religionen. Bei der KFM handelt es sich um eine Religionsparodie. Allein die Tatsache, dass sich die KFM in künstlerisch-satirischer Weise mit Elementen der Weltreligionen auseinandersetzt, führt nicht dazu, dass sie vom Schutz der Glaubens- oder Weltanschauungsfreiheit erfasst wird. Die KFM genießt somit keinen Schutz durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
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