Öffentliches Recht

VwGO

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Eröffnung des Verwaltungsgerichtswegs bei Anspruch auf Bewilligungsbescheid

Eröffnung des Verwaltungsgerichtswegs bei Anspruch auf Bewilligungsbescheid

26. Dezember 2024

4,8(1.548 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M beantragt bei der Stadt S Geld für die Sanierung seines alten, denkmalgeschützten Hauses. Die Stadt lehnt den Antrag ab. M will das nicht hinnehmen und klagt vor dem Verwaltungsgericht auf den Erlass eines Bewilligungsbescheids.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Eröffnung des Verwaltungsgerichtswegs bei Anspruch auf Bewilligungsbescheid

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für die Streitigkeit gibt es keine aufdrängende Sonderzuweisung. Richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO?

Ja, in der Tat!

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg über die Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO setzt voraus, dass es (1) keine aufdrängende Sonderzuweisung gibt, (2) eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (3)nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben ist und (4) der Streit nicht durch eine abdrängende Sonderzuweisung einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Aufdrängende Sonderzuweisungen zu den Verwaltungsgerichten haben als speziellere Regelung Vorrang vor der Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO. Du musst somit immer prüfen, ob bereits eine bundesgesetzliche Bestimmung existiert, welche die betreffende Streitigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuordnet. Wenn dies unproblematisch nicht der Fall ist, kannst Du das in einem Satz feststellen. Für Streitigkeiten über finanzielle Förderung für die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes gibt es keine aufdrängende Sonderzuweisung.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Für die Bewilligung beruft sich M auf eine Förderrichtlinie der Stadt. Nach dieser kann S ein Sanierungsvorhaben mit Geldleistungen fördern, wenn die Antragstellenden gewisse Kriterien erfüllen. Ist damit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben?

Ja!

Nach der ganz herrschenden Sonderrechtstheorie (= modifizierte Subjektstheorie) ist eine Streitigkeit dann öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidende Norm eine solche des öffentlichen Rechts ist. Eine Norm ist dann öffentlich-rechtlich, wenn sie einen Träger hoheitlicher Gewalt, gerade in seiner Rolle als Hoheitsträger, einseitig berechtigt oder verpflichtet. Macht die rechtsschutzsuchende Person einen Anspruch auf den Erlass eines Verwaltungsakts oder sonstiges Handeln der Verwaltung geltend, ist die streitentscheidende Norm i.d.R. die Anspruchsgrundlage, auf die das Begehren (vermutlich) gestützt werden kann. Die streitentscheidende Norm ist im Fall des M diejenige, die den Anspruch auf die finanzielle Förderung regelt, hier die spezielle Förderrichtlinie der Stadt, in der die Voraussetzungen und Kriterien für die Bewilligung von Fördergeldern festgelegt sind. Förderrichtlinie berechtigen und verpflichten (ausschließlich) den Hoheitsträger als solchen, Fördergelder auszuzahlen, wenn ein Antragsteller die Fördervoraussetzungen erfüllt. Die Streitigkeit richtet sich damit nach öffentlich-rechtlichen Normen und ist öffentlich-rechtlicher Natur. Die gängigen Anspruchsgrundlagen, wie etwa den Anspruch auf Erlass einer Baugenehmigung, solltest Du kennen. Wenn einmal „fremde“ Normen einschlägig sind, wirst Du in der Klausur i.d.R. auf diese Normen gestoßen.

3. Ist die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art?

Genau, so ist das!

Entscheidend ist hierfür, ob der Streitgegenstand dem Verfassungsrecht zuzuordnen ist. Das ist sie nach der ganz herrschenden Lehre der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit, wenn (1) zwei Verfassungsorgane beteiligt sind und der Streitgegenstand sich (2) unmittelbar auf spezifisches Verfassungsrecht bezieht. Weder ist der M ein Verfassungsorgan, noch bezieht sich der Streitgegenstand unmittelbar auf spezifisches Verfassungsrecht. Die Streitigkeit ist damit nichtverfassungsrechtlicher Art.

4. Schließlich dürfte keine abdrängende Sonderzuweisung einschlägig sein. Enthält § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO eine abdrängende Sonderzuweisung?

Ja, in der Tat!

§ 40 Abs. 2 S. 1 VwGO enthält Ausnahmen, die bestimmte Streitigkeiten von den Verwaltungsgerichten ausschließen und den ordentlichen Gerichten (= Zivilgerichte) zuweisen. Das betrifft: (1) Vermögensansprüche wegen staatlicher Eingriffe zugunsten des Gemeinwohls (§ 40 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO), (2) Ansprüche bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung von Sachen (§ 40 Abs. 2 S. 1 Var. 2 VwGO) und (3) Schadensersatzansprüche bei Verletzungen öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag resultieren (§ 40 Abs. 2 S. 1 Var. 3 VwGO). Dass gerade diese Rechtsstreitigkeiten an die Zivilgerichte verwiesen werden, hat damit zu tun, dass es sich hierbei oft um Ansprüche handelt, die in einem engen Zusammenhang mit staatlicher Enteignung oder Amtshaftungsansprüchen stehen. Da es für diese beiden Fallgruppen verfassungsrechtliche Sonderzuweisungen gibt (Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG, Art. 34 S. 3 GG), wird durch § 40 Abs. 2 S. 2 VwGO in diesen Fällen ein einheitlicher Rechtsweg gewährleistet.

5. M will einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Bewilligung einer Geldleistung geltend machen. Greift hier eine abdrängende Sonderzuweisung aus § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO?

Nein!

§ 40 Abs. 2 S. 1 VwGO weist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in den dort normierten (engen) Ausnahmefällen zur Verhandlung an die ordentlichen Gerichte (= Zivilgerichte). Im Fall des M geht es allein um den Erlass eines Bewilligungsbescheids, d. h. um die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf eine Geldleistung. Es ist keine Fallgruppe aus § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO einschlägig. Mangels abdrängender Sonderzuweisung ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO dürfte in deiner verwaltungsrechtlichen Klausur keine große Rolle spielen, denn ansonsten wäre die öffentlich-rechtliche Prüfung bereits an diesem Punkt vorbei. Es reicht aus, wenn Du die Norm und ihren (engen) Anwendungsbereich kennst und sie nicht vorschnell als einschlägig annimmst. In einem eindeutigen Fall wie hier solltest Du sie nicht einmal anprüfen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

24.12.2024, 13:19:11

Die Formulierung der Frage sollte besser lauten, ob § 40 II 1 VwGO grundsätzlich abdrängende Sonderzuweisungen enthält. Ansonsten kann die Frage dahingehen missverstanden werden, ob eine solche hier auf den Fall zutrifft.

LELEE

Leo Lee

24.12.2024, 18:41:56

Hallo Dogu, vielen Dank für den sehr wichtigen Hinweis! In der Tat war diese Formulierung bei der Fragestellung etwas missverständlich, weshalb wir den Text nunmehr angepasst haben durch eine neutrale Formulierung, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen. Wir möchten uns bei dir vielmals dafür bedanken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen