Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Bestimmung der statthaften Klageart (Einführungsfall)

Bestimmung der statthaften Klageart (Einführungsfall)

20. Januar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Lawra (L) sitzt nach ihrem Jurastudium auf einem Berg „BAföG-Schulden“. Die zuständige Behörde B fordert L schließlich auf, die gewährte Förderung i.H.v. €19.000 zurückzuzahlen. L weiß, dass sie nur €10.000 zurückzahlen muss. B weigert sich, die Rückforderung zu „korrigieren“.

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Einordnung des Falls

Bestimmung der statthaften Klageart (Einführungsfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L fragt sich, was sie nun tun kann. Könnte grundsätzlich eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Betracht kommen?

Ja, in der Tat!

Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG garantiert den Rechtsweg, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt (mutmaßlich) in seinen Rechten verletzt wurde. Die VwGO enthält einfachgesetzliche Konkretisierungen dieser Rechtswegsgarantie für den Bereich des Verwaltungsrechts. So regelt z.B. die Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO, unter welchen Voraussetzungen der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht eröffnet ist. Weiterhin regelt die VwGO verschiedene Klagearten mit (teilweise) unterschiedlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen und verschiedenen Maßstäben für die Beurteilung der Begründetheit. In der verwaltungsrechtlichen Klausur im ersten Examen geht es vor allem darum, die richtige Klageart zu erkennen und ihre Voraussetzungen gutachterlich zu prüfen. Wie das geht, zeigen wir Dir in diesem Kurs!
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2. L möchte klagen. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 54 BAföG). Gibt es in der VwGO nur eine einzige Klageart?

Nein!

Ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, prüfst Du im nächsten Schritt immer, welche Klageart im konkreten Fall die „richtige“ ist. Die VwGO enthält verschiedene Klagearten, z.B.: (1) Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) (2) Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) (3) Allgemeine Leistungsklage (nicht ausdrücklich geregelt, aber in der VwGO vorausgesetzt, vgl. §§ 43 Abs. 2 S. 1, 113 Abs. 4 VwGO) (4) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) (5) Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) und (6) Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) Eine verwaltungsgerichtliche Klage ist nur dann zulässig, wenn die Klage statthaft ist. Statthaftigkeit meint, dass die Klage zu dem angestrebten Ziel des Klägers passt. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Für Ls Klage kommt es also darauf an, welches konkrete Ziel L mit der Klage verfolgt. Auf die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 54 BAföG gehen wir an dieser Stelle nicht genauer ein. Mehr zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs findest Du hier .

3. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Möchte L gegen Bs Forderung der Zahlung vorgehen?

Genau, so ist das!

L ist der Ansicht, die Rückforderung i.H.v. €19.000 sei zu hoch. Sie will sich gegen diese Rückforderung wehren. Gegenstand ihrer Klage ist damit Bs Rückforderung.Im Rahmen der statthaften Klageart solltest Du zunächst immer einmal ausdrücklich feststellen, was die Klägerin mit der Klage erreichen will bzw. wogegen sich die Klage richtet. Ergibt sich dies nicht ausdrücklich aus dem Sachverhalt, so musst Du das Rechtsschutzziel durch Auslegung ermitteln. Dazu später mehr! Prozessual wäre es aus Ls Sicht sinnvoll, nur gegen die Forderung der Zahlung i.H.v. € 9.000 vorzugehen. Denn L geht davon aus, dass die Forderung von € 10.000 begründet ist. Denn ansonsten bestünde ein Kostenrisiko für L, wenn ihre Klage teilweise unbegründet wäre (siehe § 155 Abs. 1 VwGO).

4. L möchte gegen Bs Zahlungsforderung vorgehen. Kommt es für die statthafte Klageart darauf an, wie diese Rückforderung rechtlich einzuordnen ist (vgl. z.B. § 42 Abs. 1 VwGO)?

Ja, in der Tat!

Hast Du festgestellt, wogegen sich die Klage richten soll (Klagegegenstand), musst Du im zweiten Schritt ermitteln, wie dieser Klagegegenstand zu qualifizieren ist. Sprich: Welche Handlungsform der Verwaltung liegt hier vor?Für die statthafte Klageart ist entscheidend, gegen welche (rechtliche) Art von Maßnahme sich der Kläger wendet. Denn hieran knüpfen die verschiedenen Klagearten an. So haben z.B. die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage einen Verwaltungsakt zum Gegenstand (siehe § 42 Abs. 1 VwGO). Die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist im Gegensatz dazu einschlägig, wenn der Kläger das (Nicht)Bestehen eines (sonstigen) Rechtsverhältnisses begehrt. Die Handlungsformen der Verwaltung, insbesondere den Verwaltungsakt findest Du in unserem Kurs zum Kurs zum Verwaltungsrecht-AT .

5. Bs Rückforderung ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG). Kommt deswegen die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO als statthafte Klageart in Betracht?

Ja!

Es bietet sich in der Regel an, zunächst einmal (zumindest gedanklich) zu prüfen, ob die Klage einen Verwaltungsakt zum Gegenstand hat oder nicht. Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die gerichtliche Aufhebung eines (wirksamen) Verwaltungsakts begehrt (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Bs Rückforderung ist ein Verwaltungsakt. L möchte gerichtlich gegen diese Rückforderung vorgehen. L begehrt damit die Aufhebung eines Verwaltungsakts durch das Gericht. Statthaft ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. An dieser Stelle haben wir die Merkmale des Verwaltungsakts aus didaktischen Gründen nicht genauer geprüft. In diesem Fall lag aber unproblematisch ein Verwaltungsakt vor, sodass Du Deine Prüfung in der Klausur auch sehr kurz halten solltest. Ist der Fall einmal weniger eindeutig, musst Du hier genauer sein und § 35 VwVfG sauber prüfen! Die statthafte Klageart gibt den weiteren Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit und die Begründetheit vor. Die einzelnen Voraussetzungen der Anfechtungsklage schauen wir uns in den nächsten Kapitel genauer an!
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