Sonderfall: Betriebsbedingter Eingriff

4. Juni 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Post- und Paketbote P sortiert jeden Tag zu Schichtbeginn seine Sendungen, um diese so effizient wie möglich auszutragen. Dafür schaut er sich die Adressdaten der Empfänger an und sortiert die Sendungen jeweils entlang seiner Gangroute in ein Regal ein.

Diesen Fall lösen 83,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Sonderfall: Betriebsbedingter Eingriff

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Postgeheimnis schützt Inhalt und Beförderungsdaten einer Sendung, wie etwa Informationen zu Absender und Empfänger.

Ja!

Das Postgeheimnis (Art. 10 GG) schützt die Vertraulichkeit von körperlichen Transport- und Kommunikationsvorgängen, die durch einen (Post-)Dienstleister abgewickelt werden. Der Schutz umfasst nicht nur die Inhalte der anvertrauten Kommunikation, sondern parallel zum Briefgeheimnis auch anfallende Beförderungsdaten, etwa Informationen zum Sendungsweg sowie Absender und Empfänger.
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2. Ein Grundrechtsverpflichteter beeinträchtigt die Vertraulichkeit von Kommunikationsvorgängen, indem er Beförderungsdaten liest. Liegt hier immer ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG liegt vor?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Eingriff in das Postgeheimnis liegt insbesondere dann vor, wenn Postsendungen abgefangen oder geöffnet werden bzw. wenn auf Sendedaten zugegriffen wird. Ein gewisser Grad an Zugriff auf die Sendedaten durch den Beförderer kann jedoch notwendig sein, um eine Sendung zuzustellen bzw. Kommunikation zu übermitteln und um Störungen im alltäglichen Dienstleistungsbetrieb zu vermeiden. Kein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG liegt daher dann vor, wenn eine betriebsbedingte Maßnahme für die Zustellung der Sendung oder der Kommunikation unerlässlich ist.

3. Ein Eingriff in das Postgeheimnis liegt dadurch vor, dass P die Empfängerdaten seiner Postsendungen liest, um diese zu sortieren.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein gewisser Grad an Zugriff auf Sendedaten kann notwendig sein, um eine Sendung zuzustellen oder Kommunikation zu übermitteln und um Störungen im alltäglichen Dienstleistungsbetrieb zu vermeiden. Kein Eingriff in Art. 10 GG liegt daher dann vor, wenn eine betriebsbedingte Maßnahme für die Zustellung der Sendung oder der Kommunikation unerlässlich ist. Postbote P kann die ihm zugeteilten Sendungen schlechterdings nicht zustellen, wenn er die Empfängerdaten der jeweiligen Sendung nicht kennt. Der Zugriff auf diese Daten ist ihm daher als betriebsbedingte Maßnahme unerlässlich, um seine Arbeit durchzuführen. Somit stellt das Lesen der Empfängerdaten durch P keinen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG dar. Bei betriebsbedingten Maßnahmen, die zur Übermittlung der jeweiligen Kommunikation unerlässlich sind, wird übereinstimmend kein Eingriff angenommen. Uneinigkeit herrscht jedoch bei Maßnahmen, die nicht unerlässlich sind, jedoch trotzdem der Erleichterung der Übermittlung dienen. Mehr dazu in den Literaturhinweisen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sassun

Sassun

13.10.2024, 12:48:10

Müsste nicht noch ein Hinweis aufgenommen werden, dass der Postbote P für ein staatliches Postunternehmen arbeitet? Klar nach § 202 StGB bzw. §§ 39 ff. PostG sind haben auch Private die Vertraulichkeit des Kommunikationsverkehrs zu respektieren, allerdings ändert das doch nichts daran, dass Private nicht grundrechtsverpflichtet sind. Gegen Art. 10 I GG kann demgemäß nach Art. 1 III GG nur ein Hoheitsträger verstoßen. Ein privater Postbote könnte sich strafbar machen § 202 StGB / eine Untersagung für die Dienststelle nach § 42 II 1 PostG riskieren, aber doch nicht gegen Grundrechte verstoßen, oder?

HockHex

HockHex

23.10.2024, 17:28:55

Die Frage kam mir bei der vorigen Aufgabe auch schon...

Juraddicted

Juraddicted

13.5.2025, 19:31:45

wenn es im Wohnhaus einen Conciergeservice gibt, der (nicht in Briefkästen passende) Sendungen entgegen nimmt und an EigentümerInnen verteilt, aufbewahrt und auf Anfrage herausgibt, dann liegt auch kein Eingriff vor? Zum einen ist er ja nicht direkt grundrechtsverpflichtet und zum anderen ist es iwie auch „betriebsbedingt“ (und es wurde ja auch vertraglich eingewilligt?). Allerdings: wenn sich die Post „einen schlanken Fuß“ macht und einfach einen Stapel Briefe (trotz installierter Beiefkästen) beim Concierge abgibt und dieser die Post dann in die Briefkästen einwirft- ist das dann immer noch gedeckt? vielen Dank :)


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