Öffentliches Recht

Grundrechte

Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG)

Erhebung von Verkehrsdaten/ Staatlich verordnetes Abhören

Erhebung von Verkehrsdaten/ Staatlich verordnetes Abhören

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der BND hört Telefongespräche und E-Mails von Terror-Verdächtigen ab. Nach Verabschiedung einer neuen gesetzlichen Grundlage, die Telekommunikationsanbieter dazu verpflichtet, Verkehrsdaten zu erheben, für sechs Monate zu speichern und an staatliche Stellen weiterzuleiten, kann der BND sich nun seine Arbeit sparen.

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Einordnung des Falls

Erhebung von Verkehrsdaten/ Staatlich verordnetes Abhören

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Schutz von unkörperlicher Kommunikation, wie Telefonaten oder E-Mails, fällt in den Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses aus Art. 10 GG.

Ja!

Das Telekommunikationsgeheimnis umfasst den Schutz der individuellen Telekommunikation, das heißt die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mithilfe des Telekommunikationsverkehrs. Dabei umfasst der Schutzbereich sowohl den Inhalt der Kommunikation als auch den konkreten Vorgang und die Umstände (etwa das Mittel der Kommunikation, der Zeitpunkt, Beteiligte oder die Zuordnung von IP-Adressen).
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2. Das eigenständige Abhören von Telefongesprächen und E-Mails von Terror-Verdächtigen durch den BND selbst stellt einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis dar.

Genau, so ist das!

Ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG liegt vor, wenn ein Grundrechtsverpflichteter das Recht der individuellen privaten Kommunikation beeinträchtigt. Für das Telekommunikationsgeheimnis ist dies insbesondere dann der Fall, wenn er den Inhalt der Telekommunikation liest, mithört oder aufzeichnet bzw. auf Informationen zum konkreten Vorgang oder den Umständen von Kommunikation zugreift oder diese speichert. Ein Eingriff liegt auch vor, wenn der Grundrechtsverpflichtete dies Dritten ermöglicht oder aufträgt. Der BND ist als Teil der Exekutive grundrechtsverpflichtet. Durch das Abhören, also lesen und mithören von Telefonaten und E-Mails, greift der BND in den Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses aus Art. 10 GG ein. Achtung: Ob dieser Eingriff aus Gründen des Terror-Schutzes verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, ist eine Frage der Rechtfertigung! Dazu später mehr.

3. Die neu erlassene gesetzliche Regelung greift in den Schutzbereich von Art. 10 GG ein.

Ja, in der Tat!

Ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis liegt vor, wenn ein Grundrechtsverpflichteter den Inhalt der Telekommunikation liest, mithört oder aufzeichnet bzw. auf Informationen zum konkreten Vorgang oder den Umständen von Kommunikation zugreift oder diese speichert. Ein Eingriff liegt auch vor, wenn der Grundrechtsverpflichtete dies Dritten ermöglicht oder aufträgt. Die gesetzliche Regelung ist ein Akt des grundrechtsverpflichteten Staates, die Dritten aufträgt, Telekommunikationsdaten zu erheben, für sechs Monate zu speichern und an staatliche Stellen weiterzuleiten. Jede dieser drei Anordnungen ist ein eigener in sich geschlossener Handlungsvorgang und stellt einen eigenständigen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG dar.

4. Der BND greift jeweils in den Schutzbereich von Art. 10 GG ein, wenn er auf die weitergeleiteten Daten zugreift und diese auswertet.

Ja!

Ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis liegt vor, wenn ein Grundrechtsverpflichteter den Inhalt der Telekommunikation liest, mithört oder aufzeichnet bzw. auf Informationen zum konkreten Vorgang oder den Umständen von Kommunikation zugreift oder diese speichert. Ein Eingriff liegt auch vor, wenn der Grundrechtsverpflichtete dies Dritten ermöglicht oder aufträgt. Indem der BND auf die durch das Telekommunikationsunternehmen erhobenen und gespeicherten Daten zugreift und diese auswertet, beeinträchtigt er als Grundrechtsverpflichteter das Recht der individuellen privaten Kommunikation. Auch hier liegen zwei gesonderte Einriffe in den Schutzbereich des Art. 10 GG vor. Versuche in der Klausur, die einzelnen Eingriffshandungen so sauber wie möglich herauszuarbeiten. Habe hier keine Sorge, dass es in der Rechtfertigung zu unübersichtlich wird. Denn das Vorliegen mehrerer Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 10 GG bedeutet nicht immer, dass du auch mehrere einzelne Rechtfertigungsprüfungen ausschreiben musst. Dazu später mehr!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW

FW

17.7.2024, 14:46:59

Hi, das versteh ich nicht ganz. Ich dachte, dass Telekommunikationsgeheimnis schützt nur vor Daten bei laufender Kommunikation. Sofern jedoch keine Kommunikation mehr stattfindet - wie hier das Abspeichern auf den Servern der Telekommunikationsdienstleister - wird doch durch das Weiterleiten nicht mehr in einen Kommunikationsvorgang eingegriffen, sondern lediglich der Inhalt ausgewertet. Das ist doch dann hinreichend vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder dem Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität von informationstechnischen Systemen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2024, 15:22:27

Hallo FW, danke für deine Frage. Das Telekommunikationsgeheimnis schützt den gesamten Kommunikationsvorgang. Dazu gehört beispielsweise auch der Zeitpunkt des der Kommunikation und die Teilnehmenden. Das TKG ist dadurch nicht weniger verletzt, wenn die Kommunikation bereits in der Vergangenheit liegt, aber eben jene Daten trotzdem noch überprüft werden können. Daher fällt auch die Speicherung von Telekommunikationsdaten und der Kommunikationsinhalte in den Schutzbereich und nicht lediglich das "Live" mithören/lesen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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