Öffentliches Recht

Grundrechte

Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG)

Erhebung von Verkehrsdaten/ Staatlich verordnetes Abhören

Erhebung von Verkehrsdaten/ Staatlich verordnetes Abhören

20. April 2025

5 Kommentare

4,7(2.970 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der BND hört Telefongespräche und E-Mails von Terror-Verdächtigen ab. Nach Verabschiedung einer neuen gesetzlichen Grundlage, die Telekommunikationsanbieter dazu verpflichtet, Verkehrsdaten zu erheben, für sechs Monate zu speichern und an staatliche Stellen weiterzuleiten, kann der BND sich nun seine Arbeit sparen.

Diesen Fall lösen 86,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Erhebung von Verkehrsdaten/ Staatlich verordnetes Abhören

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Schutz von unkörperlicher Kommunikation, wie Telefonaten oder E-Mails, fällt in den Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses aus Art. 10 GG.

Ja!

Das Telekommunikationsgeheimnis umfasst den Schutz der individuellen Telekommunikation, das heißt die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mithilfe des Telekommunikationsverkehrs. Dabei umfasst der Schutzbereich sowohl den Inhalt der Kommunikation als auch den konkreten Vorgang und die Umstände (etwa das Mittel der Kommunikation, der Zeitpunkt, Beteiligte oder die Zuordnung von IP-Adressen).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Das eigenständige Abhören von Telefongesprächen und E-Mails von Terror-Verdächtigen durch den BND selbst stellt einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis dar.

Genau, so ist das!

Ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG liegt vor, wenn ein Grundrechtsverpflichteter das Recht der individuellen privaten Kommunikation beeinträchtigt. Für das Telekommunikationsgeheimnis ist dies insbesondere dann der Fall, wenn er den Inhalt der Telekommunikation liest, mithört oder aufzeichnet bzw. auf Informationen zum konkreten Vorgang oder den Umständen von Kommunikation zugreift oder diese speichert. Ein Eingriff liegt auch vor, wenn der Grundrechtsverpflichtete dies Dritten ermöglicht oder aufträgt. Der BND ist als Teil der Exekutive grundrechtsverpflichtet. Durch das Abhören, also lesen und mithören von Telefonaten und E-Mails, greift der BND in den Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses aus Art. 10 GG ein. Achtung: Ob dieser Eingriff aus Gründen des Terror-Schutzes verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, ist eine Frage der Rechtfertigung! Dazu später mehr.

3. Die neu erlassene gesetzliche Regelung greift in den Schutzbereich von Art. 10 GG ein.

Ja, in der Tat!

Ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis liegt vor, wenn ein Grundrechtsverpflichteter den Inhalt der Telekommunikation liest, mithört oder aufzeichnet bzw. auf Informationen zum konkreten Vorgang oder den Umständen von Kommunikation zugreift oder diese speichert. Ein Eingriff liegt auch vor, wenn der Grundrechtsverpflichtete dies Dritten ermöglicht oder aufträgt. Die gesetzliche Regelung ist ein Akt des grundrechtsverpflichteten Staates, die Dritten aufträgt, Telekommunikationsdaten zu erheben, für sechs Monate zu speichern und an staatliche Stellen weiterzuleiten. Jede dieser drei Anordnungen ist ein eigener in sich geschlossener Handlungsvorgang und stellt einen eigenständigen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG dar.

4. Der BND greift jeweils in den Schutzbereich von Art. 10 GG ein, wenn er auf die weitergeleiteten Daten zugreift und diese auswertet.

Ja!

Ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis liegt vor, wenn ein Grundrechtsverpflichteter den Inhalt der Telekommunikation liest, mithört oder aufzeichnet bzw. auf Informationen zum konkreten Vorgang oder den Umständen von Kommunikation zugreift oder diese speichert. Ein Eingriff liegt auch vor, wenn der Grundrechtsverpflichtete dies Dritten ermöglicht oder aufträgt. Indem der BND auf die durch das Telekommunikationsunternehmen erhobenen und gespeicherten Daten zugreift und diese auswertet, beeinträchtigt er als Grundrechtsverpflichteter das Recht der individuellen privaten Kommunikation. Auch hier liegen zwei gesonderte Einriffe in den Schutzbereich des Art. 10 GG vor. Versuche in der Klausur, die einzelnen Eingriffshandungen so sauber wie möglich herauszuarbeiten. Habe hier keine Sorge, dass es in der Rechtfertigung zu unübersichtlich wird. Denn das Vorliegen mehrerer Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 10 GG bedeutet nicht immer, dass du auch mehrere einzelne Rechtfertigungsprüfungen ausschreiben musst. Dazu später mehr!
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW

FW

17.7.2024, 14:46:59

Hi, das versteh ich nicht ganz. Ich dachte, dass Telekommunikationsgeheimnis schützt nur vor Daten bei laufender Kommunikation. Sofern jedoch keine Kommunikation mehr stattfindet - wie hier das Abspeichern auf den Servern der Telekommunikationsdienstleister - wird doch durch das Weiterleiten nicht mehr in einen Kommunikationsvorgang eingegriffen, sondern lediglich der Inhalt ausgewertet. Das ist doch dann hinreichend vom

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

oder dem Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität von informationstechnischen Systemen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2024, 15:22:27

Hallo FW, danke für deine Frage. Das Telekommunikationsgeheimnis schützt den gesamten Kommunikationsvorgang. Dazu gehört beispielsweise auch der Zeitpunkt des der Kommunikation und die Teilnehmenden. Das TKG ist dadurch nicht weniger verletzt, wenn die Kommunikation bereits in der Vergangenheit liegt, aber eben jene Daten trotzdem noch überprüft werden können. Daher fällt auch die Speicherung von Telekommunikationsdaten und der Kommunikationsinhalte in den Schutzbereich und nicht lediglich das "Live" mithören/lesen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AME

Amelie7

10.11.2024, 16:47:13

Ich habe mich das gleiche gefragt und bin der Meinung dass das bei vorherigen Aufgaben zu Online-Durchsuchungen dann etwas missverständlich aufgeschrieben ist.

Skra8

Skra8

20.2.2025, 17:59:11

Hi @[

Nora Mommsen

](178057), Entschuldigung, aber hier würde ich gerne noch einmal nachfragen, denn so richtig erschließt sich mir diese Abgrenzung noch nicht, und ich meine auch, dass die Aufgaben in dieser Frage ein widersprüchlich sind: Ich habe es nun so verstanden, dass der Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses zeitlich dann beginnt, wenn der Absender die Mitteilung „aus der Hand gibt“, indem er sie versendet, und dass der Schutz aus Art. 10 Abs. 1 Var. 3 GG bis zum Abschluss des Kommunikationsvorgangs andauert. (BeckOK GG/Ogorek, 59. Ed. 15.6.2024, GG Art. 10 Rn. 44, beck-online) Nach Abschluss dieses Kommunikationsvorgangs wird die Vertraulichkeit der Daten beispielsweise durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. (BVerfGE 115, 166) Im Hinblick auf Telefongespräche und in Übertragung auf den vorliegenden Fall ergibt sich meines Verständnisses nach: Wenn der BND das Telefonat direkt erhebt, greift selbstverständlich der Schutz aus Art. 10 Abs. 1 Var. 3 GG. Zeichnet allerdings der hier private Telekommunikationsanbieter das Gespräch für den BND auf, könnte zwar ein Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz (TKG) vorliegen, aber mangels direkter Grundrechtsbindung kein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Var. 3 GG. Das spätere Auslesen dieser vom privaten Telekommunikationsanbieter erhobenen Aufnahmen fällt dann – in Anbetracht des zeitlichen Ablaufs des Gesprächs – nicht mehr in den Schutzbereich von Art. 10 Abs. 1 Var. 3 GG, gerade weil der Kommunikationsvorgang bereits abgeschlossen ist. Von diesem Zeitpunkt an unterliegen die Aufzeichnungen meines Verständnisses nach dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieses Verständnis deckt sich auch mit dem Fall „Schutzbereich Telekommunikationsgeheimnis: Kontrafall“ aus derselben Lektion unter dem Reiter „Sachlicher Schutzbereich Telekommunikationsgeheimnis“. Auch hier heißt es in der Maßstabserklärung zur Frage „Die Online-Durchsuchung, also der heimliche Eingriff in ein fremdes informationstechnisches System, ist vom Schutzbereich des Art. 10 GG erfasst“, dass sobald ein Vorgang abgeschlossen ist, der Schutzbereich des Art. 10 GG nicht mehr eröffnet ist. Zwar erhalten die Daten von Clan-Mitglied C in diesem Fall keinen Schutz durch das Grund

recht auf informationelle Selbstbestimmung

, sondern durch das

Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

, aber der Rest des Falles stellt sich meines Verständnisses nach zumindest vergleichbar dar. Daher meine Frage: Was genau übersehe ich, dass der eine Fall in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 Var. 3 GG fällt, der andere aus der vorliegenden Lektion jedoch nicht? Lieben Dank im Voraus für die Erklärung!

OKA

okalinkk

14.3.2025, 11:19:52

@[Skra8](184520) genau so hatte ich es auch verstanden. Der Fall verwirrt mich ehrlicherweise. Es wäre schön wenn hierzu ang

esi

chts der Wichtigkeit Stellung genommen wird @[

Nora Mommsen

](178057)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen