Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2021
BGH setzt Grenzen für Lockspitzel-Einsatz
BGH setzt Grenzen für Lockspitzel-Einsatz
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K betreibt einen schwunghaften Handel mit Kleinmengen an Marihuana. Die Verdeckte Ermittlerin V kauft mehrfach kleinere Mengen, fragt aber stets nach deutlich größeren Lieferungen. K verneint mehrfach. Als es K gelingt, 3kg Marihuana aufzutreiben, wird sie direkt nach der Übergabe festgenommen.
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Einordnung des Falls
Ein Lockspitzel beeinflusst Tatverdächtige im staatlichen Auftrag. Einsatz und Umfang der Einwirkung sind hoch umstritten. Hierbei sind die Folgen eines Verstoßes gegen die Grenzen uneinheitlich. Der EGMR plädiert seit Jahrzehnten für die Annahme eines Verfahrenshindernisses. Währenddessen gingen BGH und BVerfG davon aus, dass in der Regel eine Strafmilderung genüge. So auch das erkennende Gericht hier. Der BGH stellt sich in dieser Entscheidung nun auf die Seite des EGMR und stellt klar, dass bei einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation nur ein Verfahrenshindernis in Betracht komme.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat K sich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht (§ 29 Abs.1 Nr.1 Var.3, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG)?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist es für die Strafbarkeit des K relevant, ob V den K zum Handeltreiben von Betäubungsmitteln provoziert hat?
Ja!
3. Liegt nach dem BGH eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vor, wenn eine unverdächtige und nicht tatgeneigte Person durch polizeiliche Tatprovokation zu einer Straftat verleitet wird?
Genau, so ist das!
4. Berechtigte der bestehende Anfangsverdacht gegen K bezüglich des Handelns mit Kleinmengen Marihuana V dazu, von K die Lieferung einer großen Menge Marihuana zu verlangen?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Ist eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegend aber ausgeschlossen, weil V die K lediglich zu einer intensiveren Tatbegehung aufgestiftet hat?
Nein!
6. Begründet eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation ein Verfahrenshindernis?
Genau, so ist das!
7. Muss K die Tatprovokation vor Gericht rügen?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Aleks_is_Y
30.3.2024, 22:43:57
Würde man im A-Gutachten eine solche Konstellation komplett durchprüfen, oder wie bei einem absoluten
Antragsdeliktdirekt die Prüfung unter Verweis auf das Verfahrenshindernis abbrechen?
Anony Mous
24.4.2024, 15:32:08
Liebes Jura-Fuchs-Team, könntet ihr diese Frage bitte beantworten?
Sebastian Schmitt
12.11.2024, 09:41:37
Hallo @[Aleks_is_Y](225618), hallo @[Anony Mous](207571), im 2. Examen wird von Euch bekanntermaßen eine deutlich praxisorientierte Lösung als im 1. Examen verlangt. Gleichzeitig sind aber auch die Klausuren deutlich praxisorientierter gestellt. Ich kann mir deshalb kaum vorstellen, dass im 2. Examen ein bestimmter Tatbestand wirklich problematisch und inhaltlich komplex ist, es auf diese Fragen dann aber in der Klausur überhaupt nicht ankommt (auch nicht in einem anderem Tatbestand), weil ein unbehebbares Verfahrenshindernis vorliegt. Sollte das ausnahmsweise doch einmal der Fall sein, ist es mE weder in einer Klausur noch in der Praxis effizient, eine komplette gutachterliche Prüfung vorzunehmen, um dann am Ende die völlig fehlende Relevanz dieser Prüfung festzustellen. Folgt man also der hM und nimmt ein Verfahrenshindernis an, würde man die Prüfung in der Tat schon direkt zu Beginn deshalb wieder abbrechen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Aleks_is_Y
12.11.2024, 09:45:31
Super, vielen Dank für die Antwort! Tatsächlich gestern eine ähnliche Antwort von einem AG-Leiter bekommen :). Er meinte noch, dass wenn man das prüfen würde, dann vll. in Verbindung mit einem Mittäter, bei dem das Verfahrenshindersnis dann nicht vorliegt.