Einseitiges Rechtsgeschäft (Erteilung einer Vollmacht, § 167 Abs. 1 BGB)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B stellt in seinem Kaufhaus den H ein. Er erteilt ihm Vollmacht (§§ 166 Abs. 2 S. 1, 167 Abs. 1 BGB) zum Einkauf von Herrenoberbekleidung.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Erteilung der Vollmacht (§§ 166 Abs. 2 S. 1, 167 Abs. 1 BGB) ist eine Willenserklärung.

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Ja, in der Tat!

Eine Willenserklärung ist eine auf den Eintritt eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtete private Willensäußerung. Rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht heißt „Vollmacht“ (Legaldefinition in § 166 Abs. 2 S. 1 BGB). Mit Erteilung der Vollmacht „durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden“ (§ 167 Abs. 1 Hs. 1 BGB, sog. Innenvollmacht) zielt B auf den Eintritt der Rechtsfolgen der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) ab. Die von H innerhalb der ihm zustehenden Vollmacht im Namen des B abgegebene Willenserklärung wirkt dann unmittelbar für und gegen B (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

2. Die Erteilung der Vollmacht (§ 167 Abs. 1 BGB) ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Sie wird wirksam, ohne dass H sie annehmen müsste.

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Ja!

Von den Beteiligten her lassen sich die Rechtsgeschäfte in einseitige und mehrseitige unterteilen. Das einseitige Rechtsgeschäft erfordert nur eine Willenserklärung. Hauptfall des mehrseitigen Rechtsgeschäfts ist der Vertrag zwischen zwei oder mehr Personen, der sich aus einander korrespondierenden Willenserklärungen zusammensetzt. Die Erteilung einer Vollmacht (Bevollmächtigung) erfolgt durch eine Willenserklärung des Vollmachtgebers (§ 167 Abs. 1 BGB) und ist somit ein einseitiges Rechtsgeschäft. Weitere einseitige Rechtsgeschäfte sind z.B. Anfechtung (§ 143 Abs. 1 BGB), Rücktritt (§ 349 BGB) und Widerruf (§ 355 BGB).

3. Auf die Erteilung der Vollmacht sind die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) anwendbar.

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Genau, so ist das!

Das BGB enthält in Buch 1 (Allgemeiner Teil, §§ 1-240 BGB) Abschnitt 3 (Rechtsgeschäfte, §§ 104-185 BGB) spezielle Regeln für Willenserklärungen. Die Vollmachterteilung ist eine Willenserklärung. Diese Vorschriften sind direkt anwendbar.

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CR

Crispy

14.2.2020, 14:44:25

Die hier genannten einseitigen Willenserklärungen werden auch Gestaltungserklärungen genannt

Agit

Agit

31.3.2020, 05:58:27

Das gilt nur für solche einseitigen Rechtsgeschäfte die auf ein Rechtsverhältnis einwirken und es inhaltlich verändern. Bei der Vollmachtserteilung handelt es sich seiner Rechtsnatur nach, um einseitiges Rechtsgeschäft eigener Art.

JO

JoBl

19.11.2020, 00:08:12

Beispiel für Gestaltungserklärungen wären die Anfechtung, der Rücktritt, der Widerruf oder die Kündigung.

PP

Philipp Paasch

15.9.2022, 23:41:20

Korrekt

PR

PrädikatKandidat

15.9.2023, 11:08:16

Also bei einseitigen reicht eine WE und die muss nicht angenommen werden? Brauchen die dann Zugang? oder lediglich nur Abgabe? Oder hat das eine mit dem anderen nichts zu tun? Bin bissl durcheinander..

LL

Leo Lee

16.9.2023, 16:23:43

Hallo Prädikatkanditat, Genau, bei einseitigen Rechtsgeschäften muss weder angenommen noch die WE zugegangen sein. D.h., die Abgabe reicht aus :).

LE

lexjulius

11.10.2023, 17:58:06

Nein @[Leo Lee](213375), Die Vollmachterteilung ist empfangsbedürftig, vgl Faust §24 Rn 8

SW

Swiss

7.11.2023, 13:45:12

ich merke mir dies so, wenn die Rechtsphäre eines anderen irgendwie berührt wird, dann ist nicht nur die Abgabe notwendig, sondern auch der Zugang. bei einem Testament reicht die Abgabe, da niemand anderes involviert werden muss. bei einer Anfechtung oder einer Kündigung wird ein recht Geschäft, dass mit einem anderen abgeschlossen wurde, aufgehoben oder beendet. Daher ist die Rechts Fähre eines anderen betroffen. Folglich benötigt die Willenserklärung der Anfechtung oder der Kündigung den Zugang . 


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