Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre
Einseitiges Rechtsgeschäft (Auslobung, § 657 BGB)
Einseitiges Rechtsgeschäft (Auslobung, § 657 BGB)
19. Juni 2023
35 Kommentare
4,6 ★ (162.831 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
As Teddyhamster Sir Henry ist ausgebüxt. Damit er ihn endlich wieder in die Arme schließen kann, hängt A in der Nachbarschaft Flugblätter aus. Darin verspricht er dem Finder eine Belohnung von €50.
Diesen Fall lösen 95,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Einseitiges Rechtsgeschäft (Auslobung, § 657 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist das Versprechen, dem Finder €50 auszuhändigen (Auslobung § 657 BGB), eine Willenserklärung?
Ja!
2. Nachbarin B findet den Hamster und bringt ihn zurück zu A. Sie kannte die Flugblätter nicht. Hat sie einen Anspruch auf Zahlung der €50 (§ 657 BGB)?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jean-Pierre
31.3.2020, 12:32:42
In 657 Hs 2 steht ausdrücklich, dass der Anspruch unabhängig von der Rücksicht auf die
Auslobungbesteht.

Christian Leupold-Wendling
28.6.2020, 23:42:42
Richtig. Das ist der Wortlaut: „Wer durch
öffentliche Bekanntmachungeine Belohnung für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges, aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die
Auslobunggehandelt hat.“ So haben wir den Fall ja auch gelöst. Hast Du Einwände?
Björn
3.8.2021, 20:54:24
Vielleicht kann man darauf in der Lösung schon hinweisen
Bienenschwarmverfolger
2.4.2020, 22:39:10
§
157 BGBsollte bei der zweiten Frage entfernt werden. Die Norm betrifft dem Wortlaut nach nur Verträge und wird entsprechend auf empfangsbedürftige WE angewendet. Die
Auslobungist aber nichts davon, da sie nur aus einer nicht empfangsbedürftigen WE besteht. Diese werden allein nach § 133 BGB ausgelegt.

Christian Leupold-Wendling
3.4.2020, 10:07:02
Hi, danke für den guten Beitrag! Für letztwillige Verfügungen stimmen wir Dir zu. Bei ihrer Auslegung soll der Gedanke des
Vertrauensschutzes keine Rolle spielen (Palandt-Ellenberger, § 133 RdNr. 13). Für die
Auslobungstimmen wir Dir nicht zu: Obwohl sie eine nicht-empfangsbedürftige Willenserklärung ist, sei sie „objektiv nach der Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Beteiligten auszulegen“ (Palandt-Ellenberger, § 133 RdNr. 12 aE, mit Verweis auf Kornblum, JuS 1981, 801).
Bienenschwarmverfolger
3.4.2020, 10:27:54
Alles klar, da hast Du wohl recht.
Method Man
10.9.2021, 07:34:06
Liebes Jurafuchs-Team, Ich stolpere etwas darüber, dass die §§ 130 ff. auch auf die
Auslobunggem. § 657 anwendbar seien. Nach meinem Verständnis passen die Normen nicht für einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen.

Lukas_Mengestu
21.10.2021, 10:49:58
Hallo Method Man, auch wenn die
Auslobungnicht empfangsbedürftig ist, so ist sie dennoch so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Beteiligter oder ein Angehöriger des angesprochenen Personenkreises sie verstehen durfte (vgl. Palandt/Ellenberger, § 133 RdNr. 12 mit Verweis auf Kornblum, JuS 1981, 801). Insofern finden auch hier die allgemeinen Regelung zur Auslegung von Willenserklärungen Anwendung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bienenschwarmempfänger
16.3.2023, 11:49:49
Wie würde der Fall aussehen wenn die Belohnung auf dem Plakat mit der Prämisse „Wer das liest und meinen Hamster findet…“ beschrieben wäre? Hätte dann ein Finder, welcher das Plakat nicht gesehen hätte, keinen Anspruch mehr auf die 50€?

Nora Mommsen
20.3.2023, 16:23:22
Hallo Bienenschwarmempfänger, grundsätzlich gilt dass,wenn bei einer
Auslobungder Berechtigte ohne Kenntnis der Bekanntmachung die ausgelobte Handlung vornimmt und er einen Anspruch auf die Belohnung haben soll. Dessen ungeachtet bleibt es dem Auslobenden unbenommen, statt einer
Auslobungeinen
auslobungsähnlichen Vertrag kraft seiner Vertragsfreiheit abzuschließen. So kann in einer
Auslobungauch der Adressatenkreis eingeschränkt werden z.B. auf Bewohner*innen einer Stadt. Natürlich ist die Willenserklärung auch auszulegen, und dieses Ergebnis zu berücksichtigen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Sandra-
8.10.2024, 22:09:24
@[Nora Mommsen](178057) Ich habe dazu eine Verständnisfrage: Wie hängt der Anspruch aus der
Auslobungmit dem Finderlohn aus dem Sachenrecht gem. § 971 BGB zusammen? Vielen Dank im Voraus!
Lt. Maverick
27.5.2025, 14:14:43
@[Sandra-](226022) Theoretisch können beide Ansprüche, je nach Fallgestaltung, nebeneinander bestehen. § 971 BGB ist vor allem in solchen Fällen von Bedeutung, in denen gerade kein bindendes Versprechen nach §
657 BGBbesteht. Es liegt also im Rahmen des § 971 BGB ein gesetzliches
Schuldverhältnis und kein rechtsgeschäftliches, wie im Fall des §
657 BGB, vor. Es ist also vor allem Auslegungsfrage, ob bei Geltendmachung des Finderlohns noch ein Anspruch aus
Auslobungbesteht, beide nebeneinander bestehen oder eine Anrechnung stattfinden soll, soweit der rechtsgeschäftliche Finderlohn über dem gesetzlichen Finderlohn liegt und sich der Anspruch aus
Auslobungum den gesetzlichen Finderlohn reduziert. Im MüKoBGB/Oechsler, § 971, Rn. 4 ist das ganz nett und verständlich dargestellt.
Law_yal_life
15.9.2023, 11:16:26
1- Hier reicht ja eine
öffentliche Bekanntmachungoder? Inwiefern brauchen wie §§ 130 ff.? Brauchen wir Zugang? reicht Abgabe allein aus? Bin verwirrt! sIE ist ja eben keine empfangsbedürftige WE? 2- ein
Realaktreicht aus, um RF auszulösen? Ist das so gemeint? Und das alles unabhängig von der subj. Komponente des jeweilig handelnden?
Leo Lee
16.9.2023, 16:08:13
Hallo Prädikatskandidat, eine
öffentliche Bekanntmachung– die eine WE darstellt, eben nur einseitig – reicht aus, um die
Auslobungund das damit einhergehende Angebot wirksam zu machen. Zugang brauchen wir nicht, weil die
Auslobungein sog. Einseitiges Rechtsgeschäft ist (das Angebot muss nur abgegeben werden und muss nicht sinnlich vom anderen Teil, der die
Auslobungsleistung erbringt, auch wahrgenommen oder angenommen werden). D.h. es liegt eine WE vor, die jedoch nicht empfangsbedürftig ist. Das Angebot und das Rechtgeschäft kann von jedem – untechnisch gesprochen – „angenommen“ werden, auch wenn er eben nicht mit einer WE seinerseits annimmt oder nicht Adressat dieses Angebots war, weil das Angebot eben „universell“ gilt wegen des Einseitigkeitscharakters :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
SolvendiCausa
9.11.2023, 19:36:56
@[Leo Lee](174538) Strenggenommen sind § 130 und § 157 doch aber nicht auf nicht empfangsbedürftige Willenserklärung anwendbar. Demnach wäre doch die Aufgabe so nicht richtig beantwortet, oder?
Leopold
1.12.2023, 16:09:04
Stella2244
12.8.2024, 15:06:53

Sebastian Schmitt
23.5.2025, 18:42:59
Hallo @[SolvendiCausa](198528), weil wir es hier mit einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung zu tun haben, kommt es auf den Zugang iSd § 130 I BGB in der Tat nicht an (MüKoBGB/Einsele, 10. Aufl 2025, § 130 Rn 5), wie @[Stella2244](227540) richtig gesagt hat. Für nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen gilt bei der Auslegung in der Tat grds allein der subjektive Maßstab des § 133 BGB, @Leopold, weil es keinen schutzwürdigen Empfänger iSd des sonst üblichen
objektiven Empfängerhorizonts der §§ 133,
157 BGBgibt. Anders soll das allerdings bei der
Auslobungnach §
657 BGBsein, dazu MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl 2023, § 657 Rn 7: "Für die Auslegung des Versprechens ist nicht der innere Wille des Auslobenden maßgebend, obwohl es sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Denn die Willenserklärung ist nur deshalb nicht empfangsbedürftig, weil sie gegenüber der Öffentlichkeit als Adressatenkreis erfolgt. Der für die Auslegung maßgebliche
Empfängerhorizontrichtet sich nach dem Durchschnitt des durch die
öffentliche Bekanntmachungangesprochenen Personenkreises." In dieser Detailtiefe gehen wir darauf allerdings in der Aufgabe bewusst nicht ein. Dass die Aufgabe insoweit falsch beantwortet wäre, sehe ich aktuell offen gesagt nicht. Möglicherweise wurde die Aufgabe aber auch zwischenzeitlich schon von jemandem aus unserem Team angepasst. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Law_yal_life
15.9.2023, 11:17:37
Gibt es ein Gesetz wo das mit der öffentlichen Bekanntmachung steht? Also was das genau bedeutet und wie sowas gemacht werden muss? Oder woher weiß ich das?
Leo Lee
16.9.2023, 16:07:58
Hallo Prädikatskandidat, die
öffentliche Bekanntmachungsteht im Wortlaut als Tatbestandsmerkmal der
Auslobungin §
657 BGB:). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

BigLebowski
25.4.2025, 17:48:28
Kurzer Rant zur Definition: "Ein
Realaktist eine rein faktisch wirkende Rechtshandlung, die eine Rechtsfolge kraft Gesetzes unabhängig vom Willen des Handelnden hervorruft." - Was heißt rein faktisch wirkend? Sie wirkt sich doch gerade auch rechtlich aus? Außerdem: Eine Handlung ist immer faktisch? - "Eine Rechtsfolge kraft Gesetzes" - eine Rechtsfolge ist immer kraft Gesetzes? Selbst eine vertragliche Rechtsfolge (bspw. die Entstehung eines Anspruch) ist durch Gesetz begründet? Mein Vorschlag: Eine Rechtshandlung, die eine Rechtsfolge unabhängig vom Willen des Handelnden hervorruft. Rant Ende.

Sebastian Schmitt
24.5.2025, 12:01:50
Hallo @[BigLebowski](212337), über Definitionen kann man häufig diskutieren. Deswegen findet man zu bestimmten Begriffen oft mehrere, leicht oder sogar deutlich abweichende Definitionen. Ihr dürfte Euch gerne für diejenige der anerkannten (!) Varianten entscheiden, die bei Euch üblich ist und/oder die Euch am sinnvollsten erscheint. Für unsere Lern- und Ausbildungszwecke iRv Jurafuchs haben wir diese Wahlfreiheit nur bedingt. Wir können nicht jedes Mal jede einzelne vertretbare Definition anführen, das wäre zu unübersichtlich und würde wohl mehr verwirren als nutzen. Verwenden wir deshalb immerhin wechselnde Definitionen, um das gesamte Spektrum abzubilden, führt das regelmäßig zum (nachvollziehbaren) Vorwurf, das die Definition bei einer anderen Aufgabe anders laute und wir es doch bitte einheitlich handhaben sollen. Verwenden wir deshalb der Einheitlichkeit halber immer dieselbe Definition, kommen häufig (ebenfalls nachvollziehbare) Hinweise darauf, dass es aber auch andere Definitionsmöglichkeiten gebe und das ja nicht die einzig richtige sei. Du siehst also, es ist nicht gerade leicht, das alles unter einen Hut zu bekommen. Für den
Realaktist das nicht anders. Einige stellen hier zB stärker auf die Willensbestätigung statt auf die Handlung ab (so der in unseren Quellen angegebene Köhler, BGB AT). Mit Deinem zweiten Hinweis auf die "Rechtsfolge kraft Gesetzes" hast du nicht Unrecht. Bei der Definition des
Realakts ist das Kriterium "kraft Gesetzes" allerdings üblich und sehr verbreitet, weshalb wir das hier nicht einfach unter den Tisch fallen lassen wollen. Inhaltlich geht es dabei um die Abgrenzung zur Willenserklärung, die (nach den üblichen Definitionen) eine Rechtsfolge nicht (primär) kraft Gesetzes herbei führt, sondern deshalb, weil sie von den Parteien gewollt ist. Die Parteien wollen gerade, dass das Gesetz diese Folge herbeiführt, während es beim
Realaktauf einen dahingehenden Willen als solchen grds nicht ankommt. Ähnliches gilt für Deinen ersten Einwand. Nahezu jede Handlung, die iRv Ausbildungsfällen erfolgt, ist irgendwie rechtlich relevant. Wäre sie rechtlich vollkommen irrelevant (zB bloßes Atmen), müssten wir uns damit kaum näher befassen. Auch das rein Tatsächliche/Faktische ist allerdings ein typisches Element der Definitionen des
Realakts, wobei hier verschiedene Quellen wieder leicht abweichend formulieren. Es gibt auch andere (Rechts-)Handlungen, die neben dem tatsächlichen Erfolg ein Erklärungselement enthalten, nämlich die geschäftsähnlichen Handlungen. Sie enthalten auch ein "Erklärungs"element und stehen somit zwischen Willenserklärungen und
Realakten. Im Zusammenspiel dieser drei Rechtsinstitute und deren Definitionen wird mE am besten klar, warum bestimmte Begriffe hier so sind, wie sie sind. Ich halte die Definition vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht für "falsch" und würde sie daher für den Moment so stehen lassen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

BigLebowski
25.5.2025, 20:27:22
Danke für diese differenzierte und ausführliche Antwort, @[Sebastian Schmitt](263562)!