Rücknahme eines begünstigenden VAs: Sonderfall: Verstoß gegen EU-Recht (Subventionen): Fall 2: Ermessensreduzierung und Modifizierung der Jahresfrist


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Klassisches Klausurproblem

Die EU-Kommission erklärt eine von Bundesland B an E erteilte Subvention wegen eines Verstoßes gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV für materiell unionsrechtswidrig und beschließt, dass B den Bescheid zurückzunehmen muss. B nimmt den Bescheid zurück, obwohl die Jahresfrist bereits abgelaufen ist.

Einordnung des Falls

Rücknahme eines begünstigenden VAs: Sonderfall: Verstoß gegen EU-Recht (Subventionen): Fall 2: Ermessensreduzierung und Modifizierung der Jahresfrist

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Subventionsbescheid verstößt gegen Unionsrecht und ist damit rechtswidrig. Die Aufhebung richtet sich daher nach § 48 VwVfG.

Ja, in der Tat!

Ein Bescheid, der gegen das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV verstößt, ist materiell rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit steht fest, wenn die Kommission einen entsprechenden bestandskräftigen Beschluss (Art. 288 Abs. 1 AEUV) gefasst hat, der den Unionsrechtsverstoß verbindlich feststellt. Die Kommission hat festgestellt, dass die an E gewährte Subvention gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstößt. Der Subventionsbescheid ist damit rechtswidrig.

2. Das Rücknahmeermessen von B ist auf Null reduziert, sobald der Beschluss der Kommission bestandskräftig ist. B muss dann E's Bescheid zurücknehmen.

Ja!

Grundsätzlich hat die Behörde ein Rücknahmeermessen (§ 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Das heißt, sie kann dann entscheiden, den Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn das Interesse des Begünstigten am Fortbestand des Verwaltungsakt nicht das öffentliche Interesse an der Rücknahme überwiegt. Dieses Ermessen ist im Falle eines bestandskräftigen Kommissionsbeschlusses nach Art. 108 Abs. 2 AEUV wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auf Null reduziert. Das heißt, die Behörde muss den Subventionsbescheid zurücknehmen.

3. B durfte den Bescheid nicht zurücknehmen, weil die Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG) bereits verstrichen war.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten gilt eine einjährige Frist (§ 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG). Ist der Verwaltungsakt unionsrechtswidrig, muss die Behörde aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts und seiner einheitlichen Anwendung in allen Mitgliedsstaaten den Bescheid auch zurückfordern, wenn die Frist verstrichen ist. Andernfalls hätte die nationale Behörde die Möglichkeit, über eine Verzögerung des Verfahrens ein unionsrechtliches Rückforderungsbegehren zu blockieren (Verstoß gegen Effektivitätsprinzip des Art. 4 Abs. 3 EUV = „Effet utile“). B konnte und musste den Bescheid trotz Ablauf der Frist aus § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG zurücknehmen.

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JO

Jose

3.8.2021, 18:45:43

Könnte der B einen Schadensersatzanspruch gegen den Staat haben? Bzw. müsste er sich tatsächlich verschulden, wenn er vollständig entreichert wäre?

seffm

seffm

7.9.2021, 21:32:26

Hallo Jose, der EuGH hat im Wege richterlicher Rechtsfortbildung einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch begründet. Aus diesem folgt, dass ein Mitgliedsstaat für die Schäden aufkommen muss, die daraus resultieren, dass dieser gegen das EU-Recht verstoßen hat. Dieser Anspruch wäre m.E. auch hier einschlägig. Viele Grüße


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