Rücknahme eines begünstigenden VAs: Rücknahmefrist, § 48 Abs. 4 VwVfG: Fristbeginn
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die zuständige Behörde gewährt G am 12.01.2021 Corona-Entschädigungszahlungen. Am 15.04.2021 bekommt Sachbearbeiter S einen Hinweis darauf, dass G nicht anspruchsberechtigt ist. Am 21.08.2021 hat S alle Tatsachen aufgeklärt. S nimmt den Verwaltungsakt am 20.04.2022 zurück.
Einordnung des Falls
Rücknahme eines begünstigenden VAs: Rücknahmefrist, § 48 Abs. 4 VwVfG: Fristbeginn
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Gewährung der Corona Entschädigungszahlungen ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt. Die Aufhebung richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
2. Die Behörde kann begünstigende Verwaltungsakte zeitlich unbegrenzt zurücknehmen.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein!
3. Es ist umstritten, wann die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG zu laufen beginnt.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Genau, so ist das!
4. Nach der herrschenden Meinung muss für den Fristbeginn der zuständige Sachbearbeiter Kenntnis von allen relevanten Tatsachen erlangen.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
5. Folgt man der herrschenden Meinung, ist die Rücknahmefrist vorliegend bereits abgelaufen.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein!
Jurafuchs kostenlos testen

Helena
27.12.2021, 14:53:55
Beispielfall: Sachbearbeiter A erlässt den VA, wird dann aber längerfristig krank. Sachbearbeiter B findet dann das Problem. Wer ist dann der konkret zuständige Sacharbeiter? Würde sich die Antwort ändern, wenn A wieder zurück kommt?

Lukas_Mengestu
28.12.2021, 20:11:24
Hallo Helena, maßgeblich ist in erster Linie der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Prüfung des Verwaltungsaktes berufener Amtswalter (vgl. BVerwG NJW 1985, 819). Sofern diese Person indes eine Vertretung erhält (zB infolge längerer Krankheit), die ebenfalls sämtliche Befugnisse hat über die Rücknahme des VA zu entscheiden, so dürfte auf diese Vertretung abzustellen sein. Erlangt diese also Kenntnis über alle Umstände, bevor der ursprüngliche Bearbeiter wieder zurückkommt, so dürfte die Frist bereits in dem Moment zu laufen beginnen, in dem die Vertretung Kenntnis erlangt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juramaus
18.3.2022, 11:41:36
Die herrschende Meinung kann man sich gut merken anhand des Wortlauts von § 48 IV 1: "Tatsachen, welche die Rücknahme RECHTFERTIGEN" und gerechtfertigt ist die Rücknahme erst, sobald ALLE Tatsachen der Behörde vorliegen.

Ranii
25.4.2022, 10:52:27
Wieso wird auf 48 Abs. 1 abgestellt obwohl die Zahlung/Subvention eine Geldleistung ist und mithin eig Abs. 2 unterfällt?

Lukas_Mengestu
2.5.2022, 13:21:23
Hallo Leo Lee, § 48 Abs. 1 VwVfG ist die eigentliche Ermächtigungsgrundlage. In Fällen von Leistungsbescheiden wird diese lediglich durch die Vorschrift des § 48 Abs. 2 VwVfG um weitere Rücknahmevoraussetzungen ergänzt. Es handelt sich hierbei aber nicht um einen eigenständigen Rücknahmetatbestand, sondern lediglich eine Einschränkung der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage (vgl. § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team