TKÜ – Voraussetzungen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B hat durch einen Betrug von ahnungslosen Investoren 10.000 Bitcoins erlangt. Die Staatsanwältin S verdächtigt B, ist aber in Beweisnot und ordnet die Überwachung der Telekommunikation des B an. Sie beruft sich darauf, dass es sich um einen außergewöhnlich schweren Fall handele, der anders nicht aufzuklären sei.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
TKÜ – Voraussetzungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Richter müsste die Überwachung der Telekommunikation (TKÜ) des B anordnen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Richter könnte die TKÜ mündlich anordnen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Es ist ein Anfangsverdacht für irgendeine Straftat erforderlich, sodass der Verdacht des Betrugs bei B ausreicht.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Katalogtat muss zusätzlich besonders schwer wiegen.
Ja!
5. Mittels der TKÜ darf der gesamte private Lebensbereich ausgeforscht werden.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Die TKÜ muss verhältnismäßig sein.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Simon
4.9.2023, 19:03:58
Denkbar wäre doch ein Betrug in einem besonders schweren Fall, was nach § 100a II Nr. 1 lit. n StPO für eine TKÜ ausreicht. Bei der Variante des Vermögensverlustes von großem Ausmaß: Wie verhält es sich, wenn der Wert der durch den Betrug erlangten Gegenstände (wie bei Bitcoins) schwankt? Reicht dann die potentielle Möglichkeit, dass ein hoher Wert erreicht werden kann, um den Vermögensverlust großen Ausmaßes zu bejahen (quasi wie bei einem
Gefährdungsschaden)?
Nocebo
13.6.2024, 12:30:20
10.000 Bitcoins sind aktuell rund 600.000.000 wert ... hier geht defintiv die TKÜ durch. Die Aufgabe ist falsch gelöst.
dario.b
22.6.2024, 12:03:16
Um die Frage von Simon noch zu beantworten; damit ein Vermögensverlust großen Ausmaßes angenommen werden kann, genügt nach bisheriger stRspr (vgl. nur BGHSt 48, 354 (356ff.)) keine Vermögensgefährdung in entsprechender Höhe (über 50.000,00 EUR), es muss der Schaden bereits eingetreten sein. Ein Argument hierfür liegt im Wortlaut "VermögensVERLUST", der impliziert, dass der Schaden bereits eingetreten sein muss. Allerdings könnte der BGH mit der Aufgabe der strikten Trennung von Gefährdungs- und Endschaden (BGHSt 53, 199 = NJW 2009, 2390) hier eine Kehrtwende eingeleitet haben. Nach meiner Kenntnis ist die Frage damit weiterhin offen. In Bezug auf den schwankenden Wert dürfte tatsächlich Bitcoin eine schwierige Ausnahme sein. Im Sinne des
Koinzidenzprinzips und unter Rückgriff auf § 8 StGB würde ich auf den Wert im Zeitpunkt der
Tathandlungabstellen.
L.Goldstyn
17.7.2024, 12:28:57
Zu beachten ist noch, dass es für einen Vermögensverlust großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Fall 1 StGB) nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern auf die individuelle, opferseitig erlittene Vermögenseinbuße an. Eine Addition der Einzelschäden kommt nur in Betracht, wenn sie dasselbe Opfer betreffen. (BeckOK StGB/Beukelmann, 61. Ed. 1.5.2024, StGB § 263, Rn. 103) Damit ist entweder § 263 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Fall 1 StGB (Vermögensverlust großen Ausmaßes für jeden der Investoren) oder bei einer sehr großen Anzahl von Investoren, sodass bei jedem einzelnen die 50.000-€-Schwelle nicht erreicht wird, § 263 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Fall 2 StGB (große Zahl von Menschen) erfüllt. Auch aus meiner Sicht ist die Aufgabe/Lösung daher fehlerhaft.
L.Goldstyn
17.7.2024, 12:29:38
Fehler in der Aufgabe, siehe den obigen Thread