Gefährliche Körperverletzung bei Abschneiden von Haaren mit einer Schere (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)?


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A kommt nach einer Party morgens früh zu seiner Freundin B zurück und beschimpft sie. Aus Frust über die Beschimpfungen schneidet B dem A mit einer langen Schere seine gesamten langen Haare („Dreadlocks“) ab – jedoch so vorsichtig, dass für A keine Verletzungsgefahr besteht.

Einordnung des Falls

Gefährliche Körperverletzung bei Abschneiden von Haaren mit einer Schere (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem B dem A sämtliche Haare abgeschnitten hat, hat sie ihn „körperlich misshandelt“ (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Auch Substanzverletzungen an der Körperoberfläche wie das Abschneiden von Haaren, Bärten oder Nägeln greifen die körperliche Unversehrtheit an, wenngleich sie wieder nachwachsen. Entscheidend ist allerdings, ob im Einzelfall auch die Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. Da B dem A sämtliche Haare abgeschnitten hat, liegt eine erhebliche Beeinträchtigung und somit auch eine körperliche Misshandlung vor (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).

2. Hat B die Körperverletzung „mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) begangen, indem sie eine lange Schere zum Abschneiden von As Haaren verwendet hat?

Nein, das trifft nicht zu!

Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, mittels dessen durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung zugefügt werden kann. Gefährlich ist ein Werkzeug, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (potentielle Gefährlichkeit). BGH: Ein zum Haarabschneiden verwendeter Gegenstand (wie eine Schere oder ein Messer) sei regelmäßig kein „gefährliches Werkzeug“. Dass B die lange Schere so benutzt habe, dass sie geeignet war, gravierende Verletzungsfolgen bei A herbeizuführen, könne nicht festgestellt werden.

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🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

1.5.2020, 23:15:07

Ob diese milde Auslegung „der Art der konkreten Verwendung“ analog auch für § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB Anwendung finden würde, wenn T im selben Fall mit gleicher Sorgfalt statt eines Küchenmessers ein Schwert zum Abschneiden der Haare benutzt hätte und damit § 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG einschlägig ist?

JO

Johnny

29.7.2020, 17:48:52

Der Begründungslogik folgend, müsste eine Strafbarkeit abgelehnt werden (Waffe als Unterfall des gefährlichen Werkzeugs). Ob ein Gegenstand dem WaffG unterfällt ist grundsätzlich unerheblich, da der strafrechtliche und der waffenrechtliche Waffenbegriff auseinander fallen können. Während der Waffenbegriff im Bereich der Diebstahls- und Raubqualifikationen weiterhin problematisch ist (Wie will man etwas nach der Verwendung im Einzelfall bewerten, wenn es gar nicht verwendet wurde), hat sich die angeführte Formel im Bereich der gef KV wohl als tragfähig etabliert.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

29.7.2020, 18:52:10

@Johnny, Ihre These, dass waffenrechtlicher und strafrechtlicher Waffenbegriff auseinander fallen können, überzeugt. Eine restriktivere, tätergünstigere Auslegung ist ja grds. möglich. Haben Sie noch eine Fundstelle?


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