Unternehmenserwerb mit Firmenfortführung / Nachhaftung des Veräußerers, § 26 HGB


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Fahrradhersteller V veräußert seine Fahrradproduktion an K, der das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortführt. Lieferant L hat noch eine offene Forderung aus einem Werklieferungsvertrag, den er mit V geschlossen hatte. L hat mit K schlechte Erfahrungen gemacht und möchte sich mit seiner Forderung lieber an V wenden.

Einordnung des Falls

Unternehmenserwerb mit Firmenfortführung / Nachhaftung des Veräußerers, § 26 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat von V ein Handelsgeschäft erworben (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Handelsgeschäft meint das Unternehmen eines Kaufmanns (§§ 1ff. HGB). Erwerb bedeutet Übernahme der Unternehmensträgerschaft in tatsächlicher Hinsicht. Umfasst sind jegliche Formen der Unternehmensübertragung und -überlassung (etwa Pacht (§§ 581ff. BGB) oder Nießbrauch (§§ 1030ff. BGB)). V hat seine Fahrradproduktion mit allen zugehörigen Sachen und Rechten an K übertragen ("asset deal"). K hat das Unternehmen als funktionale Einheit und damit die tatsächliche Unternehmensträgerschaft erlangt.

2. K führt das Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fort (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB).

Ja!

Eine Unternehmensfortführung liegt vor, wenn zumindest der wesentliche Kern des Unternehmens beibehalten wird. Es muss sich für den Rechtsverkehr der Eindruck einer Kontinuität des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand ergeben (etwa durch Übernahme der Räumlichkeiten, Kunden und Lieferanten). Für die Firmenfortführung ist maßgeblich, dass der Erwerber den Kern und die prägenden Zusätze übernimmt, sodass der Rechtsverkehr die neue Firma mit der alten identifiziert. Auf Zustimmung und firmenrechtliche Zulässigkeit kommt es nicht an. K führt das Unternehmen des V unverändert unter derselben Firma fort. Dadurch wird beim Rechtsverkehr der Eindruck erweckt, das Unternehmen sei das gleiche geblieben.

3. Der Haftung des K für die Altverbindlichkeiten aus dem Betrieb des V steht kein Haftungsausschlussgrund entgegen.

Genau, so ist das!

Ein Haftungsausschlussgrund kann sich aus einer Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber des Unternehmens ergeben (§ 25 Abs. 2 HGB). Diese muss jedoch um Dritten gegenüber wirksam zu sein unverzüglich in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht, oder dem Dritten mitgeteilt werden. K und V haben keinen Haftungsausschluss vereinbart. Es greift auch kein anderer Haftungsausschlussgrund.

4. K haftet gegenüber L für die Forderung aus dem noch mit V geschlossenen Werklieferungsvertrag (§§ 650 S. 1, 433 Abs. 2 BGB i. V. m. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Der Erwerber haftet im Falle des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB für sämtliche betriebsbezogene Verbindlichkeiten, deren Rechtsgrund bereits durch den früheren Inhaber gelegt worden ist (gesetzlicher Schuldbeitritt). Umfasst sind vertragliche und gesetzliche Ansprüche. Für Handelsgeschäfte wird Betriebsbezogenheit vermutet (§§ 343, 344 HGB). Die Haftung richtet sich nach der Rechtsnatur des Erwerbers und ist nicht auf das Betriebsvermögen des übernommenen Unternehmens beschränkt. Die Kaufpreisforderung des L wurde in dem mit V vor der Unternehmensübertragung geschlossenen Werklieferungsvertrag begründet. Dieser ist ein zum Betrieb des Handelsgewerbes gehöriges Geschäft (§§ 343, 344 HGB).

5. L kann sich mit seiner Forderung auch an V wenden (§§ 650 S. 1, 433 Abs. 2 BGB).

Ja!

Neben dem Erwerber des Handelsgeschäfts haftet der Veräußerer weiter. Er wird durch § 25 Abs. 1 S. 1 HGB nicht von seiner Verbindlichkeit frei. Veräußerer und Erwerber haften als Gesamtschuldner (421ff. BGB), sodass der Gläubiger die Leistung beliebig von jedem Schuldner verlangen kann (§ 421 S. 1 BGB). Die Haftung ist jedoch zeitlich begrenzt und endet mit Ablauf von fünf Jahren (§ 26 Abs. 1 S. 1 HGB). Die Frist beginnt mit dem Ende des Tages, an dem der neue Inhaber in das Handelsregister eingetragen wird (§ 26 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 HGB). Die Forderung des L wurde im Betrieb des V begründet und ist nicht erloschen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB liegen vor, sodass K haftet. Jedoch haftet V als Veräußerer noch fünf Jahre ab Handelsregistereintragung fort.

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