Zivilrecht

Mietrecht

Mietverhältnisse über Wohnraum

Mietverhältnisse über Wohnraum: Vorkaufsrecht § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 und Var. 2 BGB

Mietverhältnisse über Wohnraum: Vorkaufsrecht § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 und Var. 2 BGB

2. Juli 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A mietet von B mit Mietvertrag vom 17.11.2022 eine Wohnung, die ihr am selben Tag überlassen wird. Zuvor ließ B im September eine Teilungserklärung bezüglich des Mehrfamilienhauses notariell beurkunden. Im Dezember veräußert B die Wohnung notariell beurkundet an C. Erst im Januar wird die Teilungserklärung vom September ins Grundbuch eingetragen.

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Einordnung des Falls

Mietverhältnisse über Wohnraum: Vorkaufsrecht § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 und Var. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Erst nach Überlassung der Wohnung wurde neues Wohnungseigentum durch Teilungserklärung begründet.

Ja, in der Tat!

Nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB muss nach Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet werden. Neues Wohnungseigentum wird erst mit dinglichem Vollzug begründet, also mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher. A wurde die Wohnung im November überlassen. Die Teilungserklärung nach § 8 WEG wurde zwar bereits im September notariell beurkundet. Die Begründung neuen Wohnungseigentums erfolgte aber erst im Januar mit Eintragung der Teilungserklärung im Grundbuch und damit nach Überlassung der Wohnung an B.
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2. Da nach Überlassung der Wohnung Wohnungseigentum begründet wurde, hat A ein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 Var. 1 BGB erworben.

Nein!

Nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB muss nach Überlassung der Wohnräume Wohnungseigentum begründet werden. Danach muss dieses aber auch an einen Dritten verkauft werden (sog. Vorverkaufsfall). Nur wenn beide Voraussetzungen zeitlich nacheinander vorliegen, entsteht ein Vorverkaufsrecht. Nach Überlassung der Wohnung wurde mit dinglichem Vollzug im Januar neues Wohnungseigentum begründet. Der Verkauf an C erfolgte aber bereits im Dezember und damit nicht nach der Begründung des Wohnungseigentums. Es besteht daher kein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.

3. A hat aber ein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 Var. 2 BGB erworben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 577 Abs. 1 S. 1 Var. 2 genügt es, wenn nach Überlassung Wohnungseigentum begründet werden soll. Der Wortlaut legt daher nahe, dass es ausreicht wenn Wohnungseigentum nach Überlassung begründet werden soll und sodann ein Verkauf stattfindet. Der BGH hält Var. 2 aber für ausgeschlossen, wenn die Absicht der Eigentumsbegründung bereits bei Überlassung an den Mieter bestand. Er hält es beiden Varianten für zwingend, dass der Vorverkaufsfall nach der vollendeten Begründung von Wohnungseigentum eintritt. Nach Ansicht des BGH hätte A auch kein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 Var. 2 BGB erworben, da der Vorkaufsfall bereits vor Begründung des Wohnungseigentums stattfand.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

15.6.2022, 09:44:57

§ 8 Abs. 1 WEG sieht für die Begründung von Wohnungseigentum nur vor, dass eine Erklärung ggü dem Grundbuchamt erfolgen muss. Wieso kommt es für die Beurteilung im Rahmen von § 577 BGB darauf an, dass die Eintragung der erfolgte? Die Ansicht des BGH kriege ich normativ nirgends verortet.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.7.2022, 10:48:23

Hallo Rick-dich, aus § 8 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 WEG ergibt sich, dass es auf den dinglichen Vollzug der Rechtsänderung ankommt. Grundsätzlich gilt im Immobiliarsachenrecht, dass dingliche Rechtsänderung mit Eintragung erfolgt, vgl. auch § 873 Abs. 1 BGB. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JURAFU

jurafuchsles

29.7.2022, 15:11:48

Aber § 8 II WEG hat doch gar keinen s.2 und verweist nur auf § 4 II S. 2 WEG oder ?

AI

Airot

28.4.2023, 09:53:41

Ein Hinweis auf die Begründung des BGH bei Frage 2 wäre hilfreich:)

UGE

Unerkannt Geisteskrank

3.8.2023, 15:13:13

Wird hier der Streit des gutgläubigen Eigentumserwerbs nach § 892 relevant? Der Verkäufer kann das Tätigwerden des Grundbuchsamts bei der Eintragung nicht beschleunigen, weshalb er das seinerseits erforderliche getan hat und es dann maßgeblich auf den Zeitpunkt der Antragsstellung ankommt und nicht auf den Zeitpunkt der endgültigen Eintragung oder kommt es lediglich auf die tatsächliche Lage des Grundbuchs zum Zeitpunkt der Veräußerung an? LG

AY

aylin.

13.2.2024, 11:00:21

Warum sollte ein

gutgläubiger Erwerb

überhaupt in Betracht kommen? Es erfolgte bereits keine

dingliche Einigung

zwischen M-V i.S.v. 929

JURA

juravulpes

23.5.2024, 09:07:36

Nach dem zitierten Urteil des BGH muss der

Vorkauf

sfall in der zweiten Alternative des § 577 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nach der Begründung des Wohnungseigentums liegen. In dem Urteil heißt es explizit, dass es für die zweite Alternative genügt, wenn das Wohnungseigentum erst nach dem

Vorkauf

sfall durch Eintragung der Teilungserklärung entsteht. Gegenstand des

Vorkauf

srechts ist in diesem Fall ein sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum. Voraussetzung ist, dass sich der Veräußerer beim Verkauf des noch ungeteilten Grundeigentums gegenüber dem Dritten vertraglich zur Durchführung der Aufteilung nach § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem

Vorkauf

srecht erfasste zukünftige Wohneinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. In dem hier behandelten – dem BGH-Urteil nachgebildeten – Fall scheitert die Entstehung des

Vorkauf

srechts nach § 577 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB an einer anderen Voraussetzung. Der BGH hält es nämlich entgegen der im Schrifttum vorherrschenden Ansicht für erforderlich, dass die Absicht zur Begründung des Wohnungseigentums erst nach der Überlassung des Wohnraums an den Mieter nach außen kundgetan wird. Die Entstehung eines

Vorkauf

srechts nach § 577 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB ist also ausgeschlossen, wenn sich die Absicht des Vermieters zur Veräußerung des Wohnraums zum Zeitpunkt der Überlassung an den Mieter bereits hinreichend nach außen manifestiert hat – wie hier durch notarielle Beurkundung der Teilungserklärung.

Juraminator

Juraminator

7.5.2025, 09:11:01

Steht doch in der Lösung oder? Wenn die Absicht zur Eigentumsbegründung bereits bei der Überlassung vorliegt, kommt es auf die Reihenfolge (Überlassung, Begründung, Verkauf) weiterhin an, um ein Vorverkaufsrecht zu begründen. Fehlt die Absicht ist die Reihenfolge egal, um ein Vorverkaufsrecht zu begründen. Oder habe ich das falsch verstanden?

Juraminator

Juraminator

7.5.2025, 09:11:32

nur auf Var. 2 bezogen

Juraminator

Juraminator

7.5.2025, 10:27:01

Ich nehme zurück was ich geschrieben habe. Hierzu ein Auszug aus § 577,

Vorkauf

srecht des Mieters, Bruns, BeckOK Mietrecht, 39. Edition, Stand: 01.02.2025, Rn. 26: "Das Gesetz gibt in Abs. BGB § 577 Absatz 1 S. 1 zwei alternative zeitliche Abfolgen der Geschehnisse vor, die nach Auffassung des BGH nur bei strikter Einhaltung zur Entstehung eines

Vorkauf

srechts führen. Nach der 1. Variante („begründet worden ist“) führt die Reihenfolge Mietvertrag / Überlassung – Umwandlung – Verkauf zum

Vorkauf

srecht, nach der 2. Variante („begründet werden soll“) die Reihenfolge Mietvertrag / Überlassung – Absicht der Umwandlung – Verkauf. Grundbucheinträge sind für die Frage, ob die vom Gesetz geforderten Abfolgen eingehalten sind, nur für die Frage der Reihenfolge von Umwandlung und Verkauf (1. Variante) von Bedeutung."


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