Hallo @[Constantin Lammert](217017), danke für Deine Frage. Es ist richtig, dass eine
hoheitliche Maßnahme meistens auch eine Regelung eines
Einzelfalls „
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ mit sich bringt. Trotzdem sind die beiden Begriffe nicht per se deckungsgleich und damit das Merkmal „
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ nicht überflüssig.
Der Unterschied besteht vor allem in dem Bezugspunkt der beiden Merkmale:
Der Begriff der „
Hoheitlichkeit“ bezieht sich auf die Maßnahme der Behörde. Also: Die Maßnahme muss
hoheitlich sein. Dies ist der Fall, wenn die Behörde (1) einseitig in einem über-Unterordnungsverhältnis handelt (= Abgrenzung zum Abschluss eines Vertrags) und hierbei
(2) von Befugnissen Gebrauch macht, die dem Adressaten in dieser Form nicht zustehen.
Siehe hierzu z.B. Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 35 Rn. 104f., beck-online, Schoch/Schneider/Knauff, 4. EL November 2023, VwVfG § 35 Rn. 55, beck-online.
Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff „
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ nicht direkt auf die Maßnahme, sondern auf die „Regelung des
Einzelfalls“. Sprich: Die Frage ist, ob der Gegenstand bzw. Lebenssachverhalt, auf den sich die Maßnahme der Behörde richtet, durch das öffentliche Recht reguliert wird, d.h. nicht privatrechtlicher Natur ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach, ob die Normen, aus denen die Behörde ihre o.g.
hoheitlichen Befugnisse ableitet, öffentlich-rechtlicher Natur sind (dies bestimmt sich nach den gängigen Theorien, insbesondere der herrschenden
modifizierte Subjektstheorie). Siehe hierzu z.B. Schoch/Schneider/Knauff, 4. EL November 2023, VwVfG § 35 Rn. 103ff., beck-online.
Es sind Fälle denkbar, in denen die Behörde aufgrund ihrer
hoheitlichen Befugnisse „auf dem Gebiet des Privatrechts“ (sog. „privatrechtsmissachtende
Einzelfallregelung“) tätig wird. Dies ist der Fall, wenn die Behörde unter Inanspruchnahme
hoheitlicher Gestaltungsbefugnisse einseitig in ein bereits zwischen ihr und dem Betroffenen bestehendes privatrechtliches (vertraglich oder gesetzliches) Schuldverhältnis eingreifen will. In diesem Fall liegt zwar eine
hoheitliche Maßnahme, aber mangels Regelung
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kein (materieller) Verwaltungsakt i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG vor (siehe hierzu z.B. Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 35 Rn. 210, beck-online).
Meines Erachtens dürfte eine solche Fallkonstellation in der Klausur eher selten bis gar nicht vorkommen. Dennoch ist es wichtig, die Bezugspunkte der Merkmale sauber trennen zu können. Das heißt: Das Vorliegen einer
hoheitlichen Maßnahme ist ein starkes Signal dafür, dass die Regelung auch das „öffentlich-rechtlichen Gebiet“ betrifft. Man sollte dies aber nicht als Begründung nehmen, um letzteres zu bejahen. Arbeite hier einfach sauber mit den o.g. Definitionsmerkmalen.
Und wie immer gilt: Liegen die Merkmale unproblematisch vor, verliere hier keine Zeit und stelle einfach fest, dass ein Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG gegeben ist. Nur, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein oder m
ehrere Merkmale problematisch sind, gehst Du hierauf genauer ein.
Ich habe den betreffenden Hinweis in der Aufgabe jetzt etwas genauer gefasst. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen.
Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team