Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Begriff des Rechtsverhältnisses (Fall 2): Subjektive Rechte des Bürgers

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Begriff des Rechtsverhältnisses (Fall 2): Subjektive Rechte des Bürgers

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Hexe H hat mit Gemeinde G einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen. Danach subventioniert G Hs Besenproduktion, wenn H fünf Ausbildungsplätze schafft. Als H ihren Teil des Vertrags erfüllt hat, verweigert G die Subvention. H begehrt Feststellung, dass G zur Leistung verpflichtet ist.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Begriff des Rechtsverhältnisses (Fall 2): Subjektive Rechte des Bürgers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthafte Klageart könnte die Feststellungsklage sein. Dafür müsste es sich bei der Beziehung zwischen H und G um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handeln.

Ja, in der Tat!

Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO ist die rechtliche Beziehung, die sich aus einem hinreichend konkreten Sachverhalt aufgrund einer (diesen Sachverhalt betreffenden) öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergibt. Feststellungsfähig ist nach allgemeiner Auffassung nur ein hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis. Der Rechtsschutz soll sich nicht auf abstrakte Rechtsfragen bzgl. eines erdachten Sachverhalts erstrecken.
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2. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis wird durch subjektive öffentliche Rechte des Bürgers begründet.

Ja!

Nach einhelliger Meinung werden öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse durch subjektive Rechte des Bürgers begründet. Solche Rechte sind z.B. Ansprüche, Beherrschung- und Gestaltungsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat. Ansprüche können sich aus Normen und öffentlich-rechtlichen Verträgen ergeben. Ein Beispiel für ein Gestaltungsrecht des Bürgers ist das Recht auf Kündigung oder Anfechtung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Berherrschungsrechte sind vor allem die Grundrechte. Hierbei handelt es sich um eine hilfreiche Konkretisierung der sehr vagen Definition des Rechtsverhältnisses, die Du zumindest gedanklich beachten solltest.

3. H geht es um die Feststellung, dass sie einen Anspruch gegen G hat.

Genau, so ist das!

Subjektive öffentliche Rechte können Ansprüche, Beherrschung- und Gestaltungsrechte des Bürgers sein. H hat mit G einen öffentlich rechtlichen Vertrag geschlossen, nachdem sich G zur Subvention von Hs Besenwerk verpflichtet hat. Ist der Vertrag wirksam, hat H also einen Anspruch auf Zahlung der Subvention gegen G. Weil G nicht zahlt, möchte H diesen Anspruch gerichtlich feststellen lassen.

4. Statthaft ist die negative Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Var. 2 VwGO).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Feststellungsklage ist statthaft, wenn das Klagebegehren auf die Feststellung des Bestehens (positive Feststellungsklage) oder Nichtbestehens (negative Feststellungsklage) eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist (§ 43 Abs. 1 Var. 1, Var. 2 VwGO) oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts festgestellt werden soll (Nichtigkeitsfeststellungklage, § 43 Abs. 1 Var. 3 VwGO). H begehrt die Feststellung, dass sie gegen G einen Anspruch auf Zahlung der Subvention hat. H begehrt damit die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen ihr und G. Statthaft ist die positive Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO).

5. H kann Zahlung der Subvention im Wege der allgemeinen Leistungsklage verlangen. Nach der Rechtsprechung bleibt die Feststellungsklage ungeachtet der Subsidiaritätsklausel (§ 43 Abs. 2 VwGO) hier statthaft.

Ja!

Greift die Subsidiaritätsklausel (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO), ist die Feststellungsklage nicht statthaft. Im Verhältnis zur allgemeinen Leistungsklage wendet die Rechtsprechung die Subsidiaritätsklausel nicht an, aus zwei Gründen: (1) § 43 Abs. 2 VwGO soll verhindern, dass die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unterlaufen werden. Diese Gefahr bestehe im Verhältnis zu allgemeinen Leistungsklage nicht. (2) Aufgrund der Rechtstreue der Verwaltung sei ein Feststellungsurteil hier genauso rechtsschutzintensiv wie ein Leistungsurteil. Daraus folgt für Kläger ein echtes Wahlrecht zwischen allgemeiner Leistungsklage und Feststellungsklage. Die Literatur kritisiert diesen Ansatz der Rechtsprechung als contra legem. Der Streit kommt in der Klausur selten vor, ist aber eine beliebte Frage von Praktikern in der mündlichen Prüfung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dolusdave

Dolusdave

10.12.2021, 11:18:54

Wieso ist in dieser Konstellation die

Feststellungsklage

und nicht die Leistungsklage statthaft? Die Leistungsklage wäre hier doch vorteilhafter, sodass die

Feststellungsklage

aufgrund der Subsidiarität nach 43 II 1 zurücktreten muss

Der BGBoss

Der BGBoss

15.12.2021, 18:36:30

Sehe ich absolut genauso. Maßgeblich für die

statthafte Klageart

ist letztlich das Klagebegehren und H will hier die Leistung erhalten.

Isabell

Isabell

3.1.2022, 14:47:43

Diese Konstellation wäre für mich auch ein Fall der vorrangigen Leistungsklage. Ggf. mit

Annexantrag

.

Dave K. 🦊

Dave K. 🦊

10.1.2022, 21:48:52

Ich bin grundsätzlich auch bei euch und würde sagen, dass die H ihr Begehren am besten mit der Leistungsklage erreichen kann. Jedoch vertritt die Rspr. die Ansicht: „Die in 43 II 1 angeordnete Subsidiarität der Fest.Kl. ggü. einer Leistungsklage greift bei Klagen gegen den Staat nur dort ein, wo andernfalls die für Anfecht. und Verpf.kl. geltenden besonderen Vorschriften über Fristen u. Vorverfahren unterlaufen würden“ (BVerwG v. 28.11.2002 - 2 C 30.01) Arg: Es sei zu erwarten, dass die Behörde auch ohne Vollstreckungsdruck erfüllen wird (Bindung an Recht und Gesetz Art. 20 III GG). Die Lit. erkennt diese Ausnahme nicht an (glaube ich 😅) uA Kopp/Schenke, VwGO, 2018, 43 Rn. 28.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

17.1.2022, 18:45:48

Hallo ihr lieben, vielen Dank für eure Fragen und die super Diskussion! Ihr habt vollkommen Recht, vieles spricht hier für eine

Subsidiarität der Feststellungsklage

. Wie Dave K. aber zutreffend ausführt, wendet die Rechtsprechung den 43 Abs. 2 VwGO im Verhältnis zur allgemeinen Leistungsklage nicht an, aus den von Dave K. genannten Gründen. Die Literatur kritisiert dies als contra legem (vgl zum ganzen Wolff/Decker, Studienkommentar VwGO/VwVfG, 4.A. 2021, 43 RdNr. 62). Damit ihr das auch in der Aufgabe nachvollziehen könnt, haben wir eine Frage mit Hinweistext hierzu noch aufgenommen. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

GELD

Geldhatmanzuhaben

11.7.2024, 12:01:44

Als Gegenargument der sog. Ehrenmanntheorie der Rspr. kann angeführt werden, dass der Gesetzgeber selber nicht von der „Treue“ der Verwaltung ausgeht. Andernfalls hätte er in §§ 170 f. VwGO nicht die Vollstreckung gegen die „öffentliche Hand“ eingeführt.


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