Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Abwandlung: Ausgleichsanspruch bei den §§ 946, 947 BGB

Abwandlung: Ausgleichsanspruch bei den §§ 946, 947 BGB

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D entwendet aus dem Lager der Unternehmerin U mehrere mittelalterliche Steine (Wert: €500). Mit den Steinen baut er eine Mauer auf seinem Grundstück (Wert: € 100.000). Mit der Mauer hat das Grundstück nun einen Verkehrswert i.H.v. € 100.750.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Ausgleichsanspruch bei den §§ 946, 947 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U hat das Eigentum an den Steinen verloren.

Genau, so ist das!

Nach § 946 BGB erwirbt der Eigentümer eines Grundstücks das Eigentum an beweglichen Sachen, die so mit dem Grundstück verbunden werden, dass sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks werden.Die Steine der U sind zum Zeitpunkt der Verbindung mit dem Grundstück bewegliche Sachen. Um die Mauer zu errichten, wurden die Steine der U mit dem Grund und Boden verbunden. Die Errichtung der Mauer sollte hierbei auch dauerhaft erfolgen. Die Mauer und damit auch die Steine stellen also einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks (§ 94 BGB) des D dar.
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2. U steht dem Grunde nach ein Anspruch nach § 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu.

Ja, in der Tat!

Nach § 951 Abs. 1 S. 1 BGB hat derjenige, der infolge der §§ 946ff. BGB einen Rechtsverlust erleidet, einen Anspruch auf Vergütung in Geld nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts. Es handelt sich dabei nach h.M. um eine Rechtsgrundverweisung, sodass auch die Anspruchsvoraussetzungen des Bereicherungsrechts erfüllt sein müssen.Streitig ist aber, ob lediglich auf die Nichtleistungs- oder auf beide Kondiktionsarten verwiesen wird. Unstreitig ist, dass der Eigentumsverlust ohne Rechtsgrund erfolgen muss.U hat ihr Eigentum an den Steinen nach § 946 BGB verloren. Dies geschah, ohne dass U das Vermögen des D mehren wollte, also nicht durch Leistung, sondern „auf sonstige Weise“. Ein Streitentscheid ist entbehrlich. Der Eigentumsverlust geschah auf Kosten der U und ohne Rechtsgrund.

3. D muss der U nach h.M. lediglich den Wert der Steine (€ 500) ersetzen.

Nein!

Nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB hat der Bereicherte regelmäßig „das Erlangte“ herauszugeben. Dies sei im Rahmen des § 946 BGB nach der h.M. aber nicht bloß der Wert der Sache, an dem der Erwerber Eigentum erwirbt, sondern der Betrag, um den sich der Wert des Grundstücks durch die Verbindung mit der Sache des Anspruchstellers erhöht. Somit könne der Ausgleichsanspruch auch die Höhe des Verlusts des ehemaligen Eigentümers übersteigen.Das Grundstück des D ist durch den Bau der Mauer € 750 mehr wert. U hat damit gegen D einen Anspruch auf Zahlung dieser € 750 und nicht bloß von € 500.Denk daran: Im Bereicherungsrecht geht es um die Abschöpfung der Bereicherung beim Bereicherungsschuldner, während es im Deliktsrecht (bzw. generell bei Schadensersatzansprüchen) um eine Kompensation des Schadens des Geschädigten geht.

4. Die Gegenansicht fordert, eine Begrenzung des Wertersatzanspruchs auf den tatsächlichen Verlust des vorherigen Eigentümers.

Genau, so ist das!

Das Erlangte i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB sei im vorliegenden Fall „lediglich“ das Eigentum an der verbundenen Sache. Somit sei auch der Entschädigungsanspruch auf den Wert dieses Eigentums begrenzt.Nach dieser Ansicht könnte U daher lediglich € 500 von D verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

Doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

25.6.2022, 21:03:51

Welcher Ansicht sollte in der Klausur denn gefolgt werden?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.6.2022, 18:27:04

Hallo

Doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

, an dieser Stelle ist es letztlich egal, welcher Auffassung Du Dich anschließt, da die Prüfung an diesem Punkt ohnehin zu Ende ist. Du schneidest DIr also nichts ab, wenn Du hier der einen oder anderen Auffassung anschließt. Die hM lehnt indes eine Obergrenze ab und schöpft die gesamte Bereicherung ab. Dafür streitet, dass es anders als im Schadensrecht im Bereicherungsrecht gerade nicht auf den Verlust des Geschädigten, sondern die Bereicherung des Kondiktionsschuldners ankommt. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

Jonas22

Jonas22

7.2.2024, 17:41:10

Hey @[Lukas Mengestu](221887), könntet ihr das Argument von dir bitte noch in die Aufgabe mit aufnehmen? 😊

Larzed

Larzed

28.6.2022, 16:56:47

In dem Statuenfall zuvor, war der Wert des Mamorblocks zu leisten. Warum ist das hier anders? Vielleicht kann mir das jemand in leicht verständlichen Worten erklären bitte 🤔

Nora Mommsen

Nora Mommsen

9.8.2022, 10:33:56

Hallo Larzed, der Unterschied liegt in den beiden Erwerbstatbeständen. Der Marmorblock wurde nach §

950 BGB

erworben und zwar durch eigene Verarbeitungsleistung unter der Voraussetzung, dass der Wert nicht erheblich geringer ist als der der Ursprungssache. Das Eigentum an den Steinen (Mauer) wurde nach

§ 946 BGB

erworben. Die einzige Voraussetzung dafür ist die Verbindung mit dem Grundstück. Auf eine etwaige Eigenleistung des Erwerbers kommt es hier nicht an. Daher vertritt die herrschende Meinung, dass bei letzterem alles "erlangte" - also der gesamte Mehrwert inklusive Wertsteigerung herauszugeben ist. Im Mauerfall sind das die 750 €. Bei dem Marmorblock hat er "nur" den Block im Wert von 100 € erlangt, die Wertsteigerung beruht auf der eigenen Verarbeitungsleistung. Ist es so klarer? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Amelie

Amelie

11.6.2023, 18:21:00

Bei der Formulierung „nicht nur…sondern“ wird für mich noch nicht deutlich wie hoch der Wert der „Erlangten“ ist. Ist es nun nach h.M. nur die Werterhöhung des Grundstücks (750 €) oder der Wert der Sache und die Werterhöhung (100 + 750)?

Amelie

Amelie

11.6.2023, 18:23:06

* 500 + 750 ?

MayonnaiseOperator

MayonnaiseOperator

30.1.2024, 21:55:26

Hi hi! Die hM vertritt also, dass das „erlangte Etwas“ nicht bloß den eigentlichen Verlust (hier: an den Steinen im Wert von 500€) abdeckt, sondern auch die darüber hinausgehende Vermögensmehrung des Kondiktionsschuldners? Wie lässt sich das im Detail erklären? Zum Einen wird in anderen zivilrechtlichen Fällen über die Bereicherung vertreten, dass der Gläubiger nicht vom Verkaufs- oder Verhandlungsgeschick des Schuldners profitieren soll; die vom Schuldner eigens erwirtschaftete Mehrung seines Vermögens gehöre also nicht abgeschöpft. Zum Anderen wird vertreten, dass die Bereicherung in Natura herausgegeben werden soll (auch wenn § 951 I 2 BGB das in diesem Fall ausschließt). Ebenso wird in anderer Konstellation vertreten, dass Privatstrafen (bzw diesen ähnelnde Maßnahmen) nicht zulässig seien. Ist die hM hier nicht etwas inkonsequent mit ihrer Argumentation?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.2.2024, 09:54:23

Hallo MayonnaiseOperator, die Erklärung für dieses Ergebnis ist die Perspektive. Das Bereicherungsrecht fragt nicht danach, was hat der

Entreichert

e verloren (das wäre der Schaden), sondern vielmehr, was hat der Bereicherte erlangt (seine Bereicherung). Der BGH hat hierzu explizit geurteilt, dass das Erlangte dabei durchaus nach oben nicht durch den Schaden auf seiten des

Entreichert

en begrenzt ist (BGH, Urteil vom 13. 5. 1955 - V ZR 36/54 = NJW 1955, 1106). Deine Bedenken werden aber auch in der Literatur geteilt, wo teilweise gefordert wird, dass der Wert des verlorenen Materials die Obergrenze des Vergütungsanspruchs bilden muss (BeckOK BGB/Kindl, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 951 Rn. 15). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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