Abwandlung 1 zum im Zusammenhang bebauten Ortsteil

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E überlegt nun, sein Haus in der ländlichen Nachbargemeinde H zu errichten. Sein Grundstück liegt abgelegen, direkt daneben befindet sich aber bereits ein Wohnhaus und gegenüber liegt ein großer Hühnerstall. Einen Bebauungsplan gibt es nicht. ‌

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Einordnung des Falls

Abwandlung 1 zum im Zusammenhang bebauten Ortsteil

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens des E nach § 30 BauGB?

Nein!

Mangels Bebauungsplans richtet sich die Zulässigkeit von Es Vorhaben nicht nach § 30 BauGB.
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2. Richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhaben nicht nach § 30 BauGB, ist immer § 34 BauGB einschlägig.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 34 BauGB regelt die bauplanungsrechtliche Zulässsigkeit von Vorhaben im sogenannten unbeplanten Innenbereich. Dieser Bereich zeichnet sich durch zwei Voraussetzungen aus: (1) Negativ darf die Fläche, auf der das Vorhaben realisiert werden soll, nicht im Anwendungsbereich eines qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplans liegen (Abgrenzung zu § 30 BauGB). (2) Positiv muss die Fläche in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34 Abs. 1 BauGB) liegen (Abgrenzung zu § 35 BauGB). Da kein Bebauungsplan existiert, ist § 30 BauGB nicht anwendbar. Damit § 34 BauGB anwendbar ist, müsste sich Es Grundstück zudem noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befinden.

3. Eine Fläche liegt in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34 Abs. 1 BauGB), wenn in ihrer größeren räumlichen Umgebung sich landwirtschaftliche Betriebe befinden.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 34 Abs. 1 BauGB setzt positiv voraus, dass die Fläche, in der das Vorhaben realisiert werden soll, sich in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil befindet. Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil setzt sich aus den beiden Merkmalen Ortsteil und Bebauungszusammenhang zusammen, die kumulativ gegeben sein müssen: - Ein Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. - Ein Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Wenn in Deiner Klausur ein landwirtschaftlicher Betrieb auftaucht, solltest Du immer sofort an eine Abgrenzung zum § 35 BauGB denken. Denn landwirtschaftliche Betriebe sollen nach der gesetzgeberischen Grundvorstellung überwiegend im Außenbereich stehen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB).

4. Die Bebauung rund um das Grundstück des E muss einen Ortsteil bilden, damit § 34 BauGB räumlich anwendbar sein kann.

Ja!

Ein Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Wann das notwendige gewisse Gewicht vorliegt, lässt sich nicht pauschal festlegen, sondern ist abhängig von der für die Gegend typischen Siedlungsform. Im Einzelfall können auch schon wenige Bauten ausreichend sein. Allerdings stellen weniger als fünf zusammenstehende Bauten typischerweise keinen Ortsteil dar. In direkter Nachbarschaft von Es Grundstück befinden sich nur ein Wohnhaus und ein größerer Hühnerstall. Diese Bebauung hat selbst in ländlichen Gebieten nicht das für einen Ortsteil erforderliche Gewicht. Ein Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB liegt nicht vor. Im Übrigen werden in die bauplanungsrechtliche Betrachtung nur Bauten einbezogen, die zum ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Bauten, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, sondern nur vorübergehend genutzt werden oder Nebenanlagen sind (z.B. Ställe, Gartenhäuser) – hier der Hühnerstall –, bleiben in aller Regel außer Betracht, da sie kein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen.
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