Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis wegen ungewöhnlich langen Postlaufs
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A klagt gegen einen abgelehnten Asylantrag. Die Klagefrist endet am 01.06. Der Prozessbevollmächtigte P gibt die Klageschrift am 30.05. zur Post, sie geht aber erst am 06.06. beim VG ein. Das VG hält die Klage für verfristet. A begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Einordnung des Falls
Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis wegen ungewöhnlich langen Postlaufs
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Für die Klage des A gegen den ablehnenden Bescheid gilt die einmonatige Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO).
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Nein, das ist nicht der Fall!
2. Die Klage des A ist erst nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen und somit verfristet.
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Ja, in der Tat!
3. Die Verfristung einer Klage ist unerheblich, wenn die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) vorliegen.
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Ja!
4. Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO liegt vor, wenn der Beteiligte die Frist vorsätzlich oder fahrlässig versäumt hat.
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Genau, so ist das!
5. Das Fristversäumnis ist unverschuldet, da nicht A selbst, sondern sein Prozessbevollmächtigter P die Klage eingereicht hat.
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Nein, das trifft nicht zu!
6. Die gewöhnliche Postlaufzeit einer Briefsendung beträgt zwei Werktage.
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Ja!
7. Ungewöhnliche lange Postlaufzeiten, auf die der Beteiligte keinen Einfluss hat, dürfen ihm dennoch als Verschulden angerechnet werden.
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Nein, das ist nicht der Fall!
8. A war ohne Verschulden an der Wahrung der Klagefrist (§ 74 Abs. 1 AsylG) verhindert.
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Ja, in der Tat!
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H. Schmidt von Church
14.10.2020, 15:41:03
hallo zusammen, kann mir jemand kurz den Unterschied zwischen 74 I und II erklären. Die Klage muss innerhalb vom zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erfolgen, die Begründung etc. innerhalb eines Monats. Ist die Klage dann abstrakt als eine Art Verteidigungsanzeige wie im Zivilrecht zu verstehen und die Begründung als eine Klageerwiderung? Der Vergleich zum Zivilprozessrecht dient nur zum Verständnis.
🦊²
3.11.2020, 20:12:29
Hallo Alex Churchyard, ich würde sagen, es ist dem System der Verteidigungsanzeige und Klageerwiderung ähnlich. Auch im Bereich der Berufung wird zwischen der Frist zur Einlegung und der Frist zur Begründung der Berufung unterschieden, siehe § 124a VwGO. Das gleich gilt auch für die Revision, siehe § 139 VwGO.

Lukas_Mengestu
6.6.2021, 08:09:30
Hallo Alex Churchyard, der Vergleich zur Verteidigungsanzeige ist als Merkhilfe sicher hilfreich, um sich das auseinanderfallen zu merken. Fehlt es allerdings an der Verteidigungsanzeige im Zivilrecht, so ist der Beklagte säumig (§330 abs. 1 zpo) und ein Versäumnisurteil ergeht, gegen das er Einspruch eingelegt werden kann (§ 338 ZPO). Dagegen werden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (aber auch bei sämtlichen Rechtsmittelverfahren) die Entscheidungen bei Fristversäumnis rechtskräftig. Die Erhebung des Widerspruchs/ der Klage dient also zunächst dafür den Eintritt der Rechtskraft zu hindern. Um Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen, ob nun endgültig Rechtskraft eintritt oder nicht, sind die Erhebungsfristen deutlich kürzer, als die Begründungsfristen (besonders deutlich ist dies im strafprozess, wo Rechtsmittel innerhalb einer Woche eingelegt werden müssen, §§ 314 Abs. 1, 341 Abs 1 StPO). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

jeci
22.11.2023, 21:25:39
Gerade in der heutigen Zeit, wo in einigen Gebieten montags keine Briefe mehr zugestellt werden, sind 2 Tage schon echt sportlich. Auch vor dem Hintergrund, dass die Deutsche Post schon angekündigt hat, ggf. weitere zustellfreie Tage einzuführen. Vielleicht tut sich hier demnächst noch was 😄