Einseitiger EVB 4: Angabe auf Lieferschein

23. November 2024

4,7(15.207 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Lieferant L verkauft Gastwirt G neue Teller und gewährt Ratenzahlung. Vor der Übereignung überreicht er G einen Lieferschein, auf dem steht „Lieferung nur unter Eigentumsvorbehalt.“ G fällt der Hinweis nicht auf und nimmt die Teller entgegen.

Diesen Fall lösen 83,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Einseitiger EVB 4: Angabe auf Lieferschein

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Aus dem Kaufvertrag ist L dem G zu diesem Zeitpunkt zur unbedingten Übereignung verpflichtet.

Ja, in der Tat!

L und G haben einen Kaufvertrag geschlossen. Aus diesem ist L dem G aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zur unbedingten Eigentumsübertragung verpflichtet, da L und G im Kaufvertrag keinen Eigentumsvorbehalt vereinbart haben. L ist auch nicht zur Eigentumsübertragung nur Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung (§ 320 Abs. 1 S. 1 BGB) verpflichtet, da L dem G eine Ratenzahlung gewährt hat.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Eigentumvtorbehaltsangabe auf dem Lieferschein hat eine schuld- und sachenrechtliche Bedeutung.

Ja!

Die nachträgliche Erklärung des Eigentumsvorbehalts durch L hat zwei Bedeutungen: 1) Auf schuldrechtlicher Ebene liegt hierin ein Angebot des L, das schuldrechtliche Rechtsgeschäft dergestalt zu ändern, dass nunmehr nur die auf vollständige Kaufpreiszahlung bedingte Eigentumsübertragung geschuldet ist. 2) Auf sachenrechtlicher Ebene liegt ein Angebot des L zur aufschiebenden bedingten Eigentumsübertragung (§ 158 Abs. 1 BGB, 929 S. 1 BGB) vor.

3. L und G haben sich nachträglich über einen Eigentumsvorbehalt geeinigt.

Nein, das ist nicht der Fall!

L hat G ein Angebot zur bedingten Übereignung unterbreitet. Dieses Angebot müsste L auch so zugegangen sein, dass ihm Kenntnisnahme möglich war. Der BGH stellt hier hohe Anforderungen: Der auf einem Lieferschein nicht hervorgehobene Eigentumsvorbehalt genügt nicht. Der Verkäufer muss gegenüber dem Käufer deutlich hervorheben, dass er nur bedingt übereignen möchte, da der Käufer bei schuldrechtlich vereinbarter unbedingter Übereignung nicht erwarten muss, dass der Verkäufer dann doch nur bedingt übereignen möchte.

4. G hat Eigentum an den Tellern nach § 929 S. 1 BGB erworben.

Ja, in der Tat!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. Hier hat L dem G im Rahmen der dinglichen Einigung ein Angebot zur bedingten Eigentumsübertragung gemacht. Bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) sah dies aus der Sicht des G jedoch aus wie ein unbedingtes Übereignungsangebot, da G nicht mit einem vertragswidrigen Eigentumsvorbehalt zu rechnen brauchte. G hat das Angebot angenommen. Bei Übergabe der Teller bestand auch die Einigung noch fort. L war verfügungsbefugt.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MW

MW

3.8.2021, 15:38:38

Ist das nicht ein Fall des

155 BGB

, wobei L gerade nicht übereignen wollte ohne EV (sonst hätte er das nicht kundgetan) und somit keine Einigung zustande kam?

ANY

ANY

29.11.2021, 12:47:19

Aufgrund des Ergebnisses der Auslegung besteht kein Einigungsmangel.

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

13.5.2022, 12:28:54

Warum scheitert es hier denn nicht beim Einigsein?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.5.2022, 14:16:54

Hallo Imonderabilie, da Merkmal "einigsein" bringt lediglich zum Ausdruck, dass die

dingliche EInigung

bis zur Übergabe nach hM frei widerruflich ist. Einen solchen Widerruf hat L hier nicht erklärt. Ohne einen solchen wird bei einer erklärten Einigung deren Fortbestand vermutet. Da hier bei objektiver Auslegung eine

dingliche Einigung

erfolgte, bestand diese auch zum Zeitpunkt der Übergabe noch fort. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

IS

IsiRider

21.8.2022, 14:57:06

Eine Zusammenfassung der 4 Fälle wäre super, um deren Unterschiede zu verstehen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

21.8.2022, 17:23:59

Hallo IsiRider, danke für deine Anmerkung. Das nehmen wir mit auf die Liste für neue Aufgaben! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

GNU

Gnu

23.1.2023, 08:38:54

Hallo liebes Team, Themen wie die

Sicherungszession

hatten wir in der Uni mit bei den Kreditsicherheiten. Ich habe gesehen, dass ihr dazu eine ausführliche Einheit im Bereich Schuldrecht AT gemacht habt. Die habe ich aber grad nur zufällig entdeckt, hatte sie eher hier erwartet. Ist es möglich, hier darauf zu verweisen/verlinken? :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.1.2023, 17:56:56

Hi Gnu, in der Tat sind wir dabei, die verschiedenen Kreditsicherheiten im Kurs Kreditsicherheit nochmal gebündelt darzustellen. Zudem sind wir dabei die Suchfunktion zu verbessern, damit du relevante Aufgaben noch schneller findest. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Pilea

Pilea

21.4.2023, 13:33:53

Hat L dann ein Anfechtungsrecht aufgrund §119 I bzgl des auseinandergehenden

Geschäftswille

ns?

CR7

CR7

12.5.2023, 11:30:39

Das habe ich mich auch gefragt.

Simon

Simon

7.6.2023, 00:00:59

Ich würde sagen ja, aber nur bzgl. der WE im Rahmen der

Übereignung

. Bzgl. des Kaufvertrages haben sich beide Parteien zunächst geeinigt, wobei L auch keinem Irrtum unterlag. Der Lieferschein stellt nur einen Antrag auf Abänderung des Kaufvertrages dar. L bliebe also weiterhin zur unbedingten

Übereignung

aus dem Kaufvertrag verpflichtet, sodass eine (mE mögliche) Anfechtung der WE im Rahmen der dinglichen Einigung wenig sinnhaft erscheint.

Edward Hopper

Edward Hopper

9.6.2023, 21:13:55

Man zielt im Sachenrecht doch nie auf den objektiven Empfänger ab? Insoweit müsste V doch Eigentümer bleiben? Wer nicht übereignen möchte den kann auch nicht der verkehrsanschauung zwingen?

BENED

Benedikt

21.8.2023, 10:42:13

Die

dingliche Einigung

besteht aus zwei Willenserklärungen, die nach dem

objektiven Empfängerhorizont

auszulegen sind. Nach dieser Auslegung ist bei Übergabe ein (mglw.

konkludent

es) Angebot zur bedingungslosen

Übereignung

gemacht worden. Der Lieferschein mit dem Angebot zur bedingten

Übereignung

ändert daran nach der Ansicht des BGH nichts, wenn der Empfänger nicht

positive Kenntnis

davon hat, da der Empfänger nicht mit so einem solchen Angebot rechnen muss. Es kommt eine

Anfechtung der dinglichen Einigung

wegen Irrtum seitens des Veräußerers in Betracht.

EVA

evanici

18.9.2023, 12:11:01

Hatte für einen Moment ans KBS gedacht hier, würde das etwas ändern an der Lösung bei Einschlägigkeit?

AMA

Andeutungstheorie merken sowie Vertreter mit gebundener Marschroute

18.9.2023, 12:14:47

Meiner Meinung nach nicht: das KBS entfaltet nur Rechtswirkung, wenn der Absender (hier L) redlich ist. Dies wäre nicht der Fall, wenn das KBS wesentlich von den vorangegangen Verhandlungen abweicht. Der Eigentumsvorbehalt stellt meiner Einschätzung nach aber eine solche wesentliche Abweichung vom eigentlich vereinbaren unbedingten Eigentums Übergang dar. LG


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen