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Zivilprozessrecht
Grenzen der Zumutbarkeit aktiver beA-Nutzung bei gestörter Fax-Übermittlung
Grenzen der Zumutbarkeit aktiver beA-Nutzung bei gestörter Fax-Übermittlung
31. Mai 2025
5 Kommentare
4,7 ★ (19.765 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Ps Anwalt A will im Jahr 2019 um 17 Uhr eine Berufungsbegründung, deren Frist um 24 Uhr abläuft, ans Gericht faxen. Da dort alle Faxgeräte defekt sind und A sich mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nicht auskennt, schickt er um 19 Uhr per E-Mail einen Scan zum Gericht, das die PDF-Datei am nächsten Tag ausdruckt.
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Einordnung des Falls
Grenzen der Zumutbarkeit aktiver beA-Nutzung bei gestörter Fax-Übermittlung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wird eine Berufung nicht fristgerecht begründet, kann das Gericht ein Versäumnisurteil erlassen.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine Berufungsbegründung ist in Schriftform einzureichen.
Ja!
3. Die um 19 Uhr beim Gericht eingegangene E-Mail, die einen Scan des unterschriebenen Schriftsatzes enthielt, erfüllt die Anforderungen an eine schriftsätzliche und fristgerechte Berufungsbegründung.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Die Berufungsbegründungsfrist ist dennoch gewahrt, weil As E-Mail von 19 Uhr die elektronische Form gemäß § 130a ZPO einhält.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Die Verfristung des Antrags wird aber geheilt, wenn P Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Ja!
6. P muss sich im Rahmen der Wiedereinsetzung das Verschulden seines Anwalts A zurechnen lassen.
Genau, so ist das!
7. Ein Rechtsanwalt durfte sich im Jahre 2019 nicht darauf verlassen, dass die Übermittlung per Fax funktioniert. A hat deshalb die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Da schon im Jahr 2019 alle Rechtsanwälte das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) jedenfalls passiv nutzen mussten (§ 31a Abs. 6 BRAO), wäre A aber dieser Übertragungsweg zumutbar gewesen.
Nein!
9. Stellt A für P einen zulässigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, gilt die Berufungsbegründung als rechtzeitig eingereicht.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
7.1.2022, 08:57:46
Wir hatten den 1.1. 😉

Lukas_Mengestu
7.1.2022, 09:40:19
Danke Isabell, wir haben jetzt klargestellt, dass es sich um ein rechtshistorisches Urteil handelt :D Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
13.5.2022, 09:45:03
Hallo liebes Jurafuchs-Team. Eure Frage 3 scheint widersprüchlich zu sein. Zuerst wird gesagt, eine E-Mail mit eingescannter Unterschrift genüge. Dann wird gesagt, diese genüge wiederum nicht. Wenn, wie hier, die eine Form nur zur Fristwahrung angewandt wurde und
unverzüglichin der anderen Form eingereicht wurde, müsste es genügen. Dies ist hier auch passiert. Darauf stellt das Gericht allerdings nicht ab. Könntet ihr dazu klarstellen etwas sagen? 🙂

Lukas_Mengestu
16.5.2022, 11:27:35
Hallo Philipp, vielen Dank für die Nachfrage. Auf den ersten Blick erscheint es in der Tat erst einmal widersprüchlich. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich aber leicht auflösen. Grundsätzlich setzt die Schriftform eine Unterschrift voraus. D.h. grundsätzlich ist eine bloße Kopie nicht genügend. Hier macht der BGH nun eine Ausnahme und sagt, auch der eingescannte und per Mail versandte Schriftsatz ausnahmsweise die Schriftform wahren können. ABER: Die Schriftform ist - anders als bei Versendung eines Faxes - nicht bereits dadurch gewahrt, dass die E-Mail elektronisch auf den Mail-Server des Gerichtspostfaches gelangt, sondern erst in dem Moment, in dem der Schriftsatz in ausgedruckter Form vorliegt. Dies war aber hier nicht um 19 Uhr, sondern erst am Folgetag der Fall. Aus diesem Grund wurde erst mit dem Ausdruck die Schriftform gewahrt. Dies erfolgte allerdings nicht mehr innerhalb der Frist. Deswegen erfolgte hier die Einreichung verspätet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Nuage Laboratoire
22.6.2023, 17:01:13
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