Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

Verpflichtungssituation: FFK begründet

Verpflichtungssituation: FFK begründet

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Karl-Heinz Knülle (K) beantragt im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses. Nach Ablehnung seines Antrags klagt er. Während des Prozesses erlässt die Gemeinde, in dessen Gebiet sich das Bauernhaus befindet, eine Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.

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Einordnung des Falls

Verpflichtungssituation: FFK begründet

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann die ursprünglich statthafte Verpflichtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen.

Ja, in der Tat!

Eine Verpflichtungsklage ist dann erfolgreich, wenn der Kläger einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts hat. Fällt der behauptete Anspruch nach Klageerhebung (bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) wegen einer Veränderung der Sach- oder Rechtslage weg, kann die ursprünglich Verpflichtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werden (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog). Diese richtet sich dann auf die Feststellung, dass der Anspruch auf Erlass des Verwaltungsakts vor Änderung der Sach- oder Rechtslage bestand.
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2. Ks Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts ursprünglich rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzte.

Ja!

Die Fortsetzungsfeststellungsklage in der Verpflichtungssituation ist begründet, wenn die Ablehnung des Erlasses des Verwaltungsakts bzw. die Untätigkeit der Behörde ursprünglich rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Dies ist der Fall, wenn der Kläger einen Anspruch auf Erlass des Verwaltungsakts oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde hatte. Ks Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn er zum Zeitpunkt der Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung einen Anspruch auf den Erlass der Baugenehmigung hatte.

3. Ist ein Bauvorhaben mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar, muss die Behörde sie erteilen. K hatte zum Zeitpunkt der Ablehnung einen Anspruch auf den Erlass der Baugenehmigung.

Genau, so ist das!

Der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ergibt sich aus dem jeweiligen Landesrecht (Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO, § 70 Abs. 1 S. 1 NBauO, § 64 Abs. 1 HBO). Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Die Veränderungssperre (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) steht Ks Bauvorhaben zwar mittlerweile entgegen. Als die Behörde den Antrag abgelehnt hat, war das Bauvorhaben allerdings noch mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar. B hatte einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung (gebundene Entscheidung). Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dominik

Dominik

1.6.2022, 19:21:05

Vielen Dank für dieses sehr gelungenen Aufgaben zur „FFK“! 👏

BEN

Benji

3.6.2022, 18:28:09

Darf der K dann letztlich doch bauen? Kann die Gemeinde eine Veränderungssperre nach Belieben erlassen? 🤔

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.6.2022, 17:13:47

Hallo BenBo, in der Praxis wird das Gericht ein Verpflichtungsurteil erlassen und die Bau

behörde

zum Erlass der Baugenehmigung verpflichten. Zu deiner zweiten Frage: Die Planungshoheit liegt grundsätzlich bei der Gemeinde. Die Veränderungssperre selbst muss aber z.B. hinreichend bestimmt sein. Dies gilt zum Einen inhaltlich wie auch hinsichtlich des Geltungsbereichs. Zudem muss absehbar ein Bebauungsplan für das entsprechende Gebiet entstehen. Dieser wiederum unterliegt den Anforderungen des geltenden Flächennutzungsplans für das Gemeindegebiet sowie den allgemeinen Anforderungen für eine ordnungsgemäße Bauleitplanung. Ganz im freien Belieben steht der Erlass somit nicht. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DAN

Daniel

23.7.2022, 18:19:04

Hallo Nora, warum das Gericht ein Verpflichtungsurteil zum Erlass der Baugenehmigung durch die Bau

behörde

zugunsten des K erlassen sollte, kann ich nicht nachvollziehen. Denn hinsichtlich des vom K im Rahmen der Verpflichtungsklage behaupteten Anspruch ist doch materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, bzw. den Moment der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Eben vor diesem Zeitpunkt ist sein Anspruch aufgrund der zwischenzeitlich erlassenen Veränderungssperre entfallen. In der letzten Antwort heißt es ja auch, dass die Veränderungssperre seinem Anspruch mittlerweile entgegenstehe, er diesen aber zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte, durch die rechtswidrige Ablehnung in seinen Rechten verletzt wurde und sich die Begründetet der FFK hieraus ergibt. Viele Grüße, Daniel

NI

Nilson2503

19.9.2023, 14:30:45

Hallo Nora, könntest du oben stehende Thematik noch einmal aufklären? Ich finde die Einwände von Daniel doch recht zutreffend. Im Übrigen: Gibt es nicht eine Regel, vielleicht ähnlich wie im Kommunalrecht, wo eine Widmungsänderung einer gemeindlichen Einrichtung auch erst für zukünftige Zulassungsanträge herangezogen werden kann, auch hier im Baurecht? Es erscheint mir unbillig, dass die Gemeinde eine Baugenehmigung in rechtswidriger Weise ablehnt und dann im Nachhinein, eben diese eigentlich nun zu erlassende Baugenehmigung durch eine Veränderungssperre konterkarieren kann.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

14.12.2023, 18:17:03

Mich würde eine weitergehende Antwort auch sehr interessieren - besonders im Hinblick auf die, von Daniel eingewendeten, Überlegungen.

David S.

David S.

22.5.2024, 10:30:49

Gerne nochmal auf den Kommentar von Daniel eingehen :)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

1.11.2024, 14:38:59

Hallo in die Runde, in der Tat liegt Daniel hier richtig. Wir prüfen hier die

Begründetheit

der Fortsetzungs

feststellungsklage

in der Verpflichtungssituation. Diese ist begründet, soweit die Versagung (bzw. die Unterlassung) des begehrten VA rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde. Das setzt also voraus, dass der Kläger ursprünglich einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung hatte. Wenn man davon ausgeht, dass der Kläger vor Erlass der Veränderungssperre einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hatte, dann hat die

Behörde

den Antrag damals zu Unrecht abgelehnt und es war zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht des Klägers sinnvoll, eine Verpflichtungsklage auf Erlass der Genehmigung zu erheben. (Denn, wenn die Veränderungssperre nicht erlassen wurde, wäre die Verpflichtungsklage begründet gewesen und das Gericht hätte die

Behörde

dazu verpflichtet, dem Kläger die von ihm begehrte Genehmigung zu erteilen.) Durch die neuen Umstände, nämlich dass es jetzt eine Veränderunssperre gibt, die den Anspruch des Klägers auf Erteilung der Genehmigung nun mehr ausschließt, kann die Verpflichtungsklage nicht länger erfolgreich sein – denn der geltend gemachte Anspruch muss zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (noch) bestehen. Die Verpflichtungsklage ist unbegründet. Für die

Begründetheit

der FFK ist es indes gerade nicht erforderlich, dass der Anspruch noch besteht. Allerdings wird das Gericht die

Behörde

auch nicht verpflichten, die begehrte Genehmigung zu erlassen (denn das ist ja gerade nur möglich bei erfolgreicher Verpflichtungsklage). Tenor der FFK wird „nur“ sein, dass festgestellt wird, dass ursprünglich ein Anspruch bestand bzw. die Versagung durch die

Behörde

rechtswidrig war. Die erste Antwort von Nora war insofern nicht ganz richtig, die Verwirrung tut mir leid! Man könnte sich anschließend natürlich noch fragen: Toll, was hat der Kläger denn davon? Warum sollte er überhaupt auf eine FFK umstellen, wenn er die begehrte Genehmigung sowieso nicht mehr bekommen kann? Der einzige Grund liegt hier darin, eine negative Kostenfolge zu vermeiden. Denn würde der Kläger an seiner Verpflichtungsklage festhalten, würde er vollständig unterliegen und müsste die gesamten Prozesskosten tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Stellt er auf eine FFK um und ist diese begründet, so muss der

Klagegegner

die Kosten tragen. Darin liegt der Zweck, dass man auf eine FFK umstellen kann, wenn sich das ursprüngliche Klagebeg

ehre

n durch später eintretende Umstände erledigt hat. Ich hoffe, ich konnte euch allen damit weiterhelfen. Beste Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

2.12.2023, 07:58:24

Es ist immer wieder davon die Rede, der Kläger könne seine ursprünglich erhobene Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage in eine FFK "umstellen". Wäre es falsch, hierbei von einer

Klageänderung

zu sprechen, vgl. 173 S. 1 VwGO, 264 Nr. 2 ZPO entsprechend?

Teddy

Teddy

11.12.2023, 13:17:08

Es wäre umgekehrt sogar sehr richtig, diese Normen zu nennen! Bestenfalls noch mit dem Hinweis, dass deshalb keine

Klageänderung

nach § 91 Abs. 1 VwGO vorliegt.

AN

An

11.12.2023, 13:24:39

Ich habe an §88 Vwgo gedacht wonach sich die statthafte Antragsteller nach Klägerbeg

ehre

n richtet. Dabei hat das Gericht nicht auf den Wortlaut sondern das darüberhinaus tatsächliche Rechtsschutzziel des K abzustellen. Zwar darf nicht mehr gewährt werden als beantragt, eine Falschbezeichnung aber auch nicht schaden.

PETE

Peter

24.1.2024, 10:49:10

Ich schließe mich @[Teddy](207641)s Aussage an. Im Kopp/Schenke steht auch nochmals unter § 91 VwGO Rn. 9, dass es sich nicht um eine

Klageänderung

nach § 91 VwGO, sondern um eine nach §§ 173 S. 1 VwGO, 264 Nr. 2 ZPO handelt.


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