Verpflichtungssituation: FFK begründet
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Karl-Heinz Knülle (K) beantragt im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses. Nach Ablehnung seines Antrags klagt er. Während des Prozesses erlässt die Gemeinde, in dessen Gebiet sich das Bauernhaus befindet, eine Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
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Einordnung des Falls
Verpflichtungssituation: FFK begründet
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann die ursprünglich statthafte Verpflichtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen.
Ja, in der Tat!
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2. Ks Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts ursprünglich rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzte.
Ja!
3. Ist ein Bauvorhaben mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar, muss die Behörde sie erteilen. K hatte zum Zeitpunkt der Ablehnung einen Anspruch auf den Erlass der Baugenehmigung.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Dominik
1.6.2022, 19:21:05
Vielen Dank für dieses sehr gelungenen Aufgaben zur „FFK“! 👏
Benji
3.6.2022, 18:28:09
Darf der K dann letztlich doch bauen? Kann die Gemeinde eine Veränderungssperre nach Belieben erlassen? 🤔
Nora Mommsen
7.6.2022, 17:13:47
Hallo BenBo, in der Praxis wird das Gericht ein Verpflichtungsurteil erlassen und die Bau
behördezum Erlass der Baugenehmigung verpflichten. Zu deiner zweiten Frage: Die Planungshoheit liegt grundsätzlich bei der Gemeinde. Die Veränderungssperre selbst muss aber z.B. hinreichend bestimmt sein. Dies gilt zum Einen inhaltlich wie auch hinsichtlich des Geltungsbereichs. Zudem muss absehbar ein Bebauungsplan für das entsprechende Gebiet entstehen. Dieser wiederum unterliegt den Anforderungen des geltenden Flächennutzungsplans für das Gemeindegebiet sowie den allgemeinen Anforderungen für eine ordnungsgemäße Bauleitplanung. Ganz im freien Belieben steht der Erlass somit nicht. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Daniel
23.7.2022, 18:19:04
Hallo Nora, warum das Gericht ein Verpflichtungsurteil zum Erlass der Baugenehmigung durch die Bau
behördezugunsten des K erlassen sollte, kann ich nicht nachvollziehen. Denn hinsichtlich des vom K im Rahmen der Verpflichtungsklage behaupteten Anspruch ist doch materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, bzw. den Moment der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Eben vor diesem Zeitpunkt ist sein Anspruch aufgrund der zwischenzeitlich erlassenen Veränderungssperre entfallen. In der letzten Antwort heißt es ja auch, dass die Veränderungssperre seinem Anspruch mittlerweile entgegenstehe, er diesen aber zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte, durch die rechtswidrige Ablehnung in seinen Rechten verletzt wurde und sich die Begründetet der FFK hieraus ergibt. Viele Grüße, Daniel
Nilson2503
19.9.2023, 14:30:45
Hallo Nora, könntest du oben stehende Thematik noch einmal aufklären? Ich finde die Einwände von Daniel doch recht zutreffend. Im Übrigen: Gibt es nicht eine Regel, vielleicht ähnlich wie im Kommunalrecht, wo eine Widmungsänderung einer gemeindlichen Einrichtung auch erst für zukünftige Zulassungsanträge herangezogen werden kann, auch hier im Baurecht? Es erscheint mir unbillig, dass die Gemeinde eine Baugenehmigung in rechtswidriger Weise ablehnt und dann im Nachhinein, eben diese eigentlich nun zu erlassende Baugenehmigung durch eine Veränderungssperre konterkarieren kann.
ehemalige:r Nutzer:in
14.12.2023, 18:17:03
Mich würde eine weitergehende Antwort auch sehr interessieren - besonders im Hinblick auf die, von Daniel eingewendeten, Überlegungen.
David S.
22.5.2024, 10:30:49
Gerne nochmal auf den Kommentar von Daniel eingehen :)
Linne_Karlotta_
1.11.2024, 14:38:59
Hallo in die Runde, in der Tat liegt Daniel hier richtig. Wir prüfen hier die
Begründetheitder Fortsetzungs
feststellungsklagein der Verpflichtungssituation. Diese ist begründet, soweit die Versagung (bzw. die Unterlassung) des begehrten VA rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde. Das setzt also voraus, dass der Kläger ursprünglich einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung hatte. Wenn man davon ausgeht, dass der Kläger vor Erlass der Veränderungssperre einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hatte, dann hat die
Behördeden Antrag damals zu Unrecht abgelehnt und es war zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht des Klägers sinnvoll, eine Verpflichtungsklage auf Erlass der Genehmigung zu erheben. (Denn, wenn die Veränderungssperre nicht erlassen wurde, wäre die Verpflichtungsklage begründet gewesen und das Gericht hätte die
Behördedazu verpflichtet, dem Kläger die von ihm begehrte Genehmigung zu erteilen.) Durch die neuen Umstände, nämlich dass es jetzt eine Veränderunssperre gibt, die den Anspruch des Klägers auf Erteilung der Genehmigung nun mehr ausschließt, kann die Verpflichtungsklage nicht länger erfolgreich sein – denn der geltend gemachte Anspruch muss zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (noch) bestehen. Die Verpflichtungsklage ist unbegründet. Für die
Begründetheitder FFK ist es indes gerade nicht erforderlich, dass der Anspruch noch besteht. Allerdings wird das Gericht die
Behördeauch nicht verpflichten, die begehrte Genehmigung zu erlassen (denn das ist ja gerade nur möglich bei erfolgreicher Verpflichtungsklage). Tenor der FFK wird „nur“ sein, dass festgestellt wird, dass ursprünglich ein Anspruch bestand bzw. die Versagung durch die
Behörderechtswidrig war. Die erste Antwort von Nora war insofern nicht ganz richtig, die Verwirrung tut mir leid! Man könnte sich anschließend natürlich noch fragen: Toll, was hat der Kläger denn davon? Warum sollte er überhaupt auf eine FFK umstellen, wenn er die begehrte Genehmigung sowieso nicht mehr bekommen kann? Der einzige Grund liegt hier darin, eine negative Kostenfolge zu vermeiden. Denn würde der Kläger an seiner Verpflichtungsklage festhalten, würde er vollständig unterliegen und müsste die gesamten Prozesskosten tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Stellt er auf eine FFK um und ist diese begründet, so muss der
Klagegegnerdie Kosten tragen. Darin liegt der Zweck, dass man auf eine FFK umstellen kann, wenn sich das ursprüngliche Klagebeg
ehren durch später eintretende Umstände erledigt hat. Ich hoffe, ich konnte euch allen damit weiterhelfen. Beste Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Denislav Tersiski
2.12.2023, 07:58:24
Es ist immer wieder davon die Rede, der Kläger könne seine ursprünglich erhobene Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage in eine FFK "umstellen". Wäre es falsch, hierbei von einer
Klageänderungzu sprechen, vgl. 173 S. 1 VwGO, 264 Nr. 2 ZPO entsprechend?
Teddy
11.12.2023, 13:17:08
Es wäre umgekehrt sogar sehr richtig, diese Normen zu nennen! Bestenfalls noch mit dem Hinweis, dass deshalb keine
Klageänderungnach § 91 Abs. 1 VwGO vorliegt.
An
11.12.2023, 13:24:39
Ich habe an §88 Vwgo gedacht wonach sich die statthafte Antragsteller nach Klägerbeg
ehren richtet. Dabei hat das Gericht nicht auf den Wortlaut sondern das darüberhinaus tatsächliche Rechtsschutzziel des K abzustellen. Zwar darf nicht mehr gewährt werden als beantragt, eine Falschbezeichnung aber auch nicht schaden.
Peter
24.1.2024, 10:49:10
Ich schließe mich @[Teddy](207641)s Aussage an. Im Kopp/Schenke steht auch nochmals unter § 91 VwGO Rn. 9, dass es sich nicht um eine
Klageänderungnach § 91 VwGO, sondern um eine nach §§ 173 S. 1 VwGO, 264 Nr. 2 ZPO handelt.