Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Der öffentlich-rechtliche Vertrag

Nichtigkeit Fall 1: Überblick Prüfung, Nichtigkeit nach § 59 Abs. 1

Nichtigkeit Fall 1: Überblick Prüfung, Nichtigkeit nach § 59 Abs. 1

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B verpflichtet sich mündlich, der U Subventionen zu zahlen. Im Gegenzug sagt U zu, fünf Ausbildungsplätze zu schaffen, an denen es in der Gemeinde mangelt. Nach Auszahlung der Subvention verlangt B von U die Erfüllung ihrer Verpflichtung.

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Einordnung des Falls

Nichtigkeit Fall 1: Überblick Prüfung, Nichtigkeit nach § 59 Abs. 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B könnte einen vertraglichen Anspruch darauf haben, dass U fünf Ausbildungsplätze schafft.

Genau, so ist das!

Verlangt die Behörde ein Tun oder Unterlassen von dem Bürger, stellt sich zunächst die Frage, auf welcher (gesetzlichen) Grundlage sie dies tun könnte. In Betracht kommen vor allem Gesetze, wirksame Verwaltungsakte sowie öffentlich-rechtliche Verträge. Ein Vertrag unterscheidet sich vom Verwaltungsakt dadurch, dass die Behörde keine einseitige Regelung trifft, sondern übereinstimmende Willenserklärungen der Behörde und des Bürgers vorliegen. B hat gerade nicht einseitig einen Subventionsbescheid (= Verwaltungsakt) gegenüber U erlassen. Vielmehr haben sich B und U übereinstimmend dahingehend geeinigt, dass U fünf Ausbildungsplätze schafft, um die Subvention zu erhalten.
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2. Der Vertrag zwischen U und B ist zivilrechtlicher Natur.

Nein, das trifft nicht zu!

Liegt ein Vertrag zwischen den Beteiligten vor, muss im nächsten Schritt geprüft werden, ob dieser öffentlich-rechtlicher Natur ist. Denn die Behörde kann grundsätzlich auch zivilrechtlich handeln. Die Abgrenzung zu einem privatrechtlichen Vertrag erfolgt nach der herrschenden modifizierten Subjektstheorie. Entscheidend ist danach, ob die dem Vertragsgegenstand zu Grunde liegenden Normen solche des öffentlichen Rechts sind. Die Vergabe von Subventionen richtet sich nach den jeweils einschlägigen öffentlich-rechtlichen Normen. U und B haben einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen.

3. Der Vertrag müsste rechtmäßig sein. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den §§ 54ff. VwVfG.

Ja!

Das VwVfG sieht Sonderregelungen für die Rechtmäßigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vor. Es muss geprüft werden, (1) ob die Behörde überhaupt in Form eines Vertrags handeln durfte (§§ 54, 55, 56 VwVfG), (2) ob der Vertrag formell rechtmäßig ist (beachte vor allem §§ 57, 58 VwVfG) und (3) ob der Vertrag materiell rechtmäßig ist. Der Vertrag ersetzt den Erlass eines Verwaltungsakts (§ 54 S. 2 VwVfG). Er sieht eine Gegenleistung des Bürgers U vor, sodass § 56 VwVfG Anwendung findet. Der Vertrag müsste den Anforderungen von § 56 VwVfG sowie den formellen und materiellen Anforderungen genügen.

4. Der Vertrag verstößt bereits gegen § 56 VwVfG.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein subordinationsrechtlicher Austauschvertrag kann nur geschlossen werden, wenn (1) die Vereinbarung der Gegenleistung des Bürgers zu einem bestimmten, im Vertrag angegebenen Zweck erfolgt sowie (2) der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. Weiterhin muss die Gegenleistung (3) angemessen sein und (4) ein sachlicher Zusammenhang zwischen behördlicher Leistung und Gegenleistung des Bürgers bestehen. Die Gegenleistung der U dient dem Zweck, die Ausblidungsplätze in der Gemeinde zu schaffen. Dies dient der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gegenleistung außer Verhältnis zur versprochenen Subvention steht. Weiterhin besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen der finanziellen Förderung von Us Unternehmen und der Ausbildung durch Us Unternehmen.

5. Der Vertrag verstößt allerdings gegen § 57 VwVfG und ist damit formell rechtswidrig.

Ja, in der Tat!

Wie ein Verwaltungsakt auch, muss ein öffentlich-rechtlicher Vertrag formell und materiell rechtmäßig sein. Entscheidend für die formelle Rechtmäßigkeit sind vor allem §§ 57, 58 VwVfG. Nach § 57 VwVfG muss ein öffentlich-rechtlicher Vertrag stets schriftlich geschlossen werden. Der Vertrag zwischen B und U wurde nur mündlich geschlossen. Er ist daher rechtswidrig.

6. Die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags führt immer dazu, dass dieser rechtsunwirksam ist.

Nein!

Ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag rechtswidrig, stellt sich die Frage, ob diese Rechtswidrigkeit auch zur Nichtigkeit und damit also dazu führt, dass der Vertrag rechtsunwirksam ist. Entscheidend ist dafür vor allem § 59 VwVfG. § 59 Abs. 2 VwVfG enthält spezielle Nichtigkeitsgründe für subordinationsrechtliche Verträge, § 59 Abs. 1 VwVfG erklärt die einschlägigen Normen des BGB für entsprechend anwendbar auf alle öffentlich-rechtlichen Verträge. Ein spezieller Nichtigkeitsgrund aus § 59 Abs. 2 VwVfG liegt nicht vor. Allerdings ist der Vertrag wegen des Verweises in § 59 Abs. 1 VwVfG gem. § 125 BGB nichtig, weil er die Formvorschrift des § 57 VwVfG verletzt. Der Vertrag ist rechtsunwirksam. B kann von U nicht die Erfüllung verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

22.10.2023, 23:56:56

Man könnte hier vielleicht noch auf die Problematik mit § 134 BGB eingehen und wie man diesen im Rahmen des 59 Abs.1 anwendet

ISAB

Isabelle.Sophie

23.12.2023, 09:41:08

Hallo, woraus ergibt sich, ob die „Gegenleistung“ zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. Also was genau sind alles öffentliche Aufgaben? Alles, was dem Interesse und dem Wohl der Allgemeinheit dient? Oder muss ich in einer Klausur die öffentliche Aufgabe auch mit einer bestimmten Norm belegen?

LELEE

Leo Lee

25.12.2023, 15:12:41

Hallo Isabelle.Sophie, dass die Gegenleitung öff. Aufgaben dienen muss, ergibt sich aus dem Abs. 1 S. 1 a.E. Dieser Begriff ist dabei weit zu verstehen und umfasst ALLE Aufgaben, an deren Erfüllung ein öff. Interesse besteht, insbesondere etwa die Daseinsvorsorge (also all das was man notwendig ist für ein menschliches Dasein wie etwa Krankenhäuser). Für die öffentliche Aufgabe musst du erfahrungsgem. Nicht nochmal eine Norm zitieren; hier reicht es i.d.R. aus, wenn du den Begriff definierst und darunter subsumiert. Beachte nochmal, dass der Begriff WEIT zu verstehen ist. Hierzu kann ich dir i.Ü. die Lektüre von Schoch/Schneider VwVfG 3. EL, Rozek § 56 Rn. 35 empfehlen :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!


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