Ladenangestellte, § 56 HGB - faktische „Anstellung“


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Die 16-jährige A verbringt gerne Zeit im Musikgeschäft ihres Onkels O. Sie berät ab und zu auch Kunden, den Abschluss von Geschäften hat O ihr aber untersagt. Kundin K spricht A wegen einer Gitarre an. A kann K von der Gitarre überzeugen und veräußert sie. K zahlt den Kaufpreis an A.

Einordnung des Falls

Ladenangestellte, § 56 HGB - faktische „Anstellung“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O hat A Handlungsvollmacht erteilt (§ 54 Abs. 1 HGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Handlungsvollmacht kann durch den Geschäftsinhaber, einen Prokuristen oder einen anderen Handlungsbevollmächtigten nach den bürgerlich rechtlichen Vorschriften (§ 167 BGB) erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB). Nach herrschender Meinung ist die Kaufmannseigenschaft des Vertretenen nicht zwingend erforderlich. O hat A rechtsgeschäftlich keine Vollmacht erteilt.

2. O‘s Musikinstrumentengeschäft ist ein Laden (§ 56 HGB).

Ja, in der Tat!

Der Ort, auf die sich die „Anstellung“ bezieht, muss ein Laden oder Warenlager sein (§ 56 HGB). Der Begriff wird funktionell verstanden: Die Örtlichkeit muss jedenfalls dem Verkauf dienen und dabei dem Publikum frei zugänglich sein. O‘s Musikinstrumentengeschäft dient dem freien Eintritt durch das Publikum und zum Verkauf von Musikinstrumenten.

3. A ist Angestellte in O’s Musikinstrumentengeschäft (§ 56 HGB).

Ja!

Der Vertreter muss in einem Laden oder offenen Warenlager vom Inhaber angestellt sein (§ 56 HGB). Das bedeutet mit Wissen und Wollen des Inhabers in die Verkaufstätigkeit eingeschaltet. Beschäftigung ohne jeden Bezug zur Verkaufstätigkeit reicht nicht aus. Auf Entgeltlichkeit oder Dauer der Beschäftigung kommt es nicht an. Der Vertreter muss zumindest beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165 BGB). A verbringt die Nachmittage regelmäßig in O’s Musikinstrumentengeschäft und darf dort Kunden beraten. Sie ist mit dessen Wissen und Wollen in diesen Teil der Verkaufstätigkeit einbezogen. Darauf, dass keine vertragliche „Anstellung“ im wörtlichen Sinn vorliegt, kommt es nicht an. A ist beschränkt geschäftsfähig (§§ 106, 2 BGB).

4. Die Veräußerung der Gitarre und die Entgegennahme des Kaufpreises sind gewöhnliche Geschäfte in einem Musikinstrumentengeschäft (§ 56 HGB).

Genau, so ist das!

Die Vertretungsmacht des Ladenangestellten erstreckt sich auf Verkäufe und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen (§ 56 HGB). Damit sind insbesondere Kaufverträge (§ 433 BGB) und mit ihnen zusammenhängende Rechtshandlungen erfasst. Empfangnahmen sind umfasst, wenn sie im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Ladens oder offenen Warenlagers stehen und Gegenstände betreffen, die gewöhnlich dort abgeliefert werden. Dazu gehört die Entgegennahme des Kaufpreises durch Zahlung an den Angestellten. Die Veräußerung der Gitarre umfasst den Abschluss eines Kaufvertrags, die Übereignung an K und die Entgegennahme des Kaufpreises.

5. O muss das von A abgeschlossene Geschäft für und gegen sich gelten lassen (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

§ 56 HGB stellt (1) eine widerlegliche Vermutung hinsichtlich des Umfangs einer bestehenden rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung auf und normiert (2) eine Rechtsscheinvollmacht, falls gar keine Vollmacht erteilt wurde. Der Dritte darf die fehlende oder beschränkte Vertretungsmacht weder kennen noch kennen müssen (analog § 54 Abs. 3 HGB). Am guten Glauben fehlt es beispielweise, wenn der Rechtsschein durch einen klaren Hinweis zerstört wurde. K kannte die fehlende Vertretungsmacht der A nicht. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die deutlich darauf hinweisen. Sie musste sie daher nicht kennen. A gilt als „ermächtigt“ (§ 56 HGB).

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