Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Aussetzung, § 221 StGB
Verursachung der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung, Zweistufigkeit fehlt
Verursachung der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung, Zweistufigkeit fehlt
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T und O segeln gemeinsam auf dem Bodensee. O kann nicht schwimmen. T stößt den O über Bord und dieser droht zu ertrinken, da er sich selbst nicht auf das Boot retten kann. T steht am Rand des Bootes und lacht den O aus.
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Einordnung des Falls
Verursachung der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung, Zweistufigkeit fehlt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wer einen anderen Menschen in eine hilflose Lage versetzt und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, verwirklicht den objektiven Straftatbestand der Aussetzung (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat den O "in eine hilflose Lage versetzt" (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
3. T hat O "durch" das Versetzen in eine hilflose Lage der "Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung ausgesetzt" (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Levin12345
5.4.2021, 20:31:24
Tut mir leid aber ich verstehe das nicht. Wieso macht das einen Unterschied, wenn ich jemanden einsperre ohne Nahrung zu dem Fall in dem ich jemanden der nicht schwimmen kann vom Boot schubse und ihm nicht helfe?
Lukas_Mengestu
5.4.2021, 22:18:52
Hallo Levin, vielen Dank für Deine gute Nachfrage! Ausweislich des Gesetzes muss das Opfer durch die hilflose Lage der „Gefahr des Todes oder einer schweren
Gesundheitsschädigung“ ausgesetzt sein. Daraus wird abgeleitet, dass hier zwei verschiedene Akte vorliegen müssen, nämlich zunächst die „hilflose Lage“ und dann die sich daraus entwickelnde Gefahr. Die hilflose Lage muss dabei zunächst für eine gewisse Dauer vorliegen. Daran fehlt es bei sog. Augenblicksgefahren, bei denen die hilflose Lage direkt zur Todesgefahr führt.
Lukas_Mengestu
5.4.2021, 22:19:08
In dem von dir genannten Beispiels des Einsperrens einer Person wird zunächst lediglich eine hilflose Lage begründet. Die Todesgefahr resultiert erst daraus, dass dieser Zustand über m
ehrere Tage aufrechterhalten wird. Anders liegt der Fall hier. O droht hier direkt durch den Stoß der Tod durch Ertrinken, ohne dass eine hinreichend stabilisierte hilflose Lage vorangeht. In Betracht kommen aber natürlich u.a. noch eine Strafbarkeit wegen Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 I StGB). Beste Grüße, Lukas – für das Jurafuchs-Team
Henry Vetter
15.4.2021, 12:37:58
Anders wäre es hier also, wenn der O schwimmen könnte. Aufgrund seiner Fähigkeit kann er sich zwar über m
ehrere Stunden am Leben halten, ertrinkt aber auf offener See ohne Hilfe, oder? Die Zweiaktigkeit hat man in meinem Fall dann durch die Möglichkeit, dass der O sich zumindest für eine gewisse Zeit am Leben halten kann.
ri
9.8.2021, 01:08:06
Auch wenn er schwimmen kann, hängt es nur vom Zufall ab, ob er den Halt verliert und ertrinkt. Damit liegt bereits beim Hineinstoßen eine konkrete Lebensgefahr vor. Auch wenn er eine rettende Planke findet oder ein Boot ihn rettet, ist das Zufall und die konkrete Gefahr liegt trotzdem vor.
Isabell
14.2.2022, 10:43:57
Könnte man nicht den Aufenthalt ohne Rettungsweste auf dem Segelboot als Anknüpfungspunkt für die hilflose Lage nehmen? Ohne den Segelkundigen hätte sich das Opfer aus dieser Situation ja nicht selbständig heraus bewegen können.
Lukas_Mengestu
14.2.2022, 18:00:06
Hallo Isabell, das könnte man andenken. Allerdings ist hier dann fraglich, ob auf dem belebten Bodensee hierdurch tatsächlich eine hinreichend gefestigte hilflose Lage entstanden wäre. Hinzukommt, dass selbst wenn man hierin eine gefestigte hilflose Lage sähe, daraus noch keine konkrete Gefahr erwachsen ist. Diese ist vielmehr erst durch den Stoß ins Wasser entstanden, bei dem es sich aber um eine andere
Tathandlunghandelt. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Dogu
16.9.2023, 14:44:15
"über Bord" statt "über Board"
Leo Lee
17.9.2023, 12:22:53
Hallo Dogu, vielen Dank für den Hinweis! Dies haben wir nun entsprechend korrigiert :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo